Hamburg (Reuters) - Volkswagen hat nach Angaben von China-Vorstand Ralf Brandstätter keine Anhaltspunkte für Menschenrechtsverstöße in seiner Fabrik in der chinesischen Uiguren-Region Xinjiang.

"Wir haben keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen in diesem Werk - das hat sich auch nach meinem Besuch nicht geändert", sagte Brandstätter auf einer Online-Pressekonferenz. Bei seinem Besuch am 16. und 17. Februar habe er den Eindruck gewonnen, dass sich das Management um gutes Betriebsklima bemühe. Integration und Miteinander spielten dabei eine wichtige Rolle. Er habe ausführlich mit sieben Mitarbeitern gesprochen, darunter Angehörigen der muslimischen Minderheit der Uiguren, die in China unterdrückt wird. "In meinen Gesprächen mit den Beschäftigten habe ich widergespiegelt bekommen, dass man froh sei, für SAIC VW arbeiten zu dürfen, auch weil viel Wert auf Qualifizierung gelegt wird."

Die Arbeitnehmer im VW-Aufsichtsrat forderten den Konzern auf, den Zweck der Fabrik stärker zu erläutern. Das gelte insbesondere für dessen wirtschaftlich-strategische Bedeutung. "Wir blicken mit großer Sorge auf die Menschenrechtsproblematik in China", erklärte ein Sprecher. Die Fakten, die der Weltgemeinschaft diesbezüglich gerade über die Provinz Xingjiang vorlägen, seien unmissverständlich. "Wir verlangen von den chinesischen Behörden einen sofortigen Stopp der offensichtlichen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang." Umso stärker müsse auch klar werden, welche Rolle dem Werk Urumqi zukomme und inwieweit es helfe, dort die eigenen Werte "über den Werkszaun hinaus ausstrahlen zu lassen". Als erstes hatte der Spiegel über das Statement der Arbeitnehmervertreter berichtet.

Brandstätter betonte, VW sei sich mit dem chinesischen Partner SAIC einig, "dass wir keine Menschenrechtsverletzungen in unseren Werken dulden". Er könne vor Ort nur die Situation aufnehmen, mit Menschen sprechen, daraus Rückschlüsse ziehen und versuchen, die Daten zu verifizieren, sagte der Manager. Das habe er getan. "Ich habe keine Widersprüche festgestellt." Vertreter der regionalen Regierung habe er nicht getroffen. "Im Mittelpunkt stand ausschließlich der Besuch des Werkes und der Austausch mit den Beschäftigten." Brandstätter kündigte weitere Besuche in dem Werk an. Die Fabrik in Urumqi sei ein Werk wie jedes andere, das Volkswagen zusammen mit chinesischen Partnern betreibe. In den vergangenen Jahren hat es wiederholt Berichte über Zwangsarbeit und Umerziehungslager in der Provinz Xinjiang gegeben.

Die Wolfsburger fühlen sich offenbar nicht wohl in der Rolle als Miteigner einer Fabrik, die derart im Rampenlicht der weltweiten Öffentlichkeit steht. Als die Entscheidung für das Werk vor gut zehn Jahren gefallen sei, habe die Welt noch anders ausgesehen, sagte VW-Cheflobbyist Thomas Steg bei dem Pressegespräch. Damals hatte VW mit dem chinesischen Staatskonzern SAIC die Strategie "Go West" vereinbart, um den Westen des Landes für die Automobilindustrie zu erschließen. Das änderte sich durch Anschläge, die China uigurischen Islamisten zurechnete. In der Folge habe die Regierung einen härteren Kurs eingeschlagen. "Während die chinesische Regierung vorher überwiegend auf wirtschaftliche Entwicklung und Integration setzte, kam ab 2015 ein deutlich stärker repressiver Ansatz hinzu", sagte Steg. Die Verträge für das Werk laufen noch bis zum Ende des Jahrzehnts. VW betonte, man sei zwar zur Hälfte an dem Gemeinschaftsunternehmen mit SAIC beteiligt, habe aber keinen direkten Einfluss auf das Werk. Aufgrund der Struktur des Joint-Ventures könne eine Entscheidung bezüglich des Werkes nicht einseitig von Volkswagen getroffen werden.

ABHÄNGIGKEIT VON CHINA

Der weltweitgrößte Automarkt China hat für Volkswagen eine große Bedeutung. Die Niedersachsen sind seit knapp 40 Jahren im Reich der Mitte aktiv und betreiben dort zahlreiche Fabriken. Aus den in der Volksrepublik erwirtschafteten Gewinnen finanziert der weltweit zweitgrößte Autokonzern einen großen Teil seines Umbaus zu einem Software-basierten Mobilitätsanbieter. Die Frage eines Rückzugs stelle sich daher nicht, betonte Steg. "Bei einem globalen Konzern, der in neuen Regionen Verträge abschließen will, erwartet man Vertragstreue und Verlässlichkeit." Die Chinesen nähmen die internationale Diskussion über Menschenrechtssituation sehr genau wahr. Zu erwarten, dass es ruhig um das Werk werde, wäre jedoch ein Irrglaube. "Wir könnten uns beklagen, aber am Ende haben wir eine Situation, mit der wir einfach umgehen müssen", sagte Steg. Das Werk habe eine hohe symbolische Bedeutung für die chinesische Regierung, da es für die Entwicklung der strukturschwachen Region stehe.

Die Wolfsburger hatten die Fabrik in Urumqi in der Provinz Xinjiang mit einer Kapazität von 50.000 Fahrzeugen 2012 eröffnet. Während der Corona-Pandemie und den Lieferengpässen schrumpfte die Belegschaft um 65 Prozent auf zuletzt knapp 240 Mitarbeiter. Die Montage von Autos aus Bausätzen wurde eingestellt. Stattdessen erhalten fertig gebaute Fahrzeuge aus anderen Fabriken dort ihren letzten Qualitätscheck - Fahrerassistenzsysteme werden justiert und die Autos getestet, bevor sie an die Händler in der Region geliefert werden. In diesem Jahr sollen in Urumqi 10.000 Fahrzeuge fertiggestellt werden.

(Bericht von Jan C. Schwartz und Victoria Waldersee. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)