LEINFELDEN-ECHTERDINGEN (dpa-AFX) - Der Lkw- und Bushersteller Daimler Truck steht seit Dezember auf eigenen Füßen. Das Management hat sich ambitionierte Ziele gesetzt. An diesem Dienstag (17. Mai) legt das Unternehmen die Zahlen zum ersten Quartal vor.

DAS BEWEGT DAS UNTERNEHMEN:

Daimler Truck hat im ersten Quartal mit 109 286 Lkw und Bussen knapp 8 Prozent mehr Fahrzeuge verkauft als vor einem Jahr. Zur Bilanzpressekonferenz hatte Vorstandschef Martin Daum angesichts dicker Auftragsbücher für dieses Jahr zudem die größte Preiserhöhung jemals in Aussicht gestellt. Finanzchef Jochen Goetz räumte ein, dass 5 Prozent mehr bei den Verkaufspreisen wohl eine gute Schätzung sei. Trotz Preiserhöhungen storniere kaum ein Kunde einen bestellten Lkw, weil dieser eben dringend gebraucht werde, meint Daum.

Obwohl der Weltmarktführer bei schweren Lkw auch bei den angekündigten Fixkostensenkungen vorankommt, warnte Goetz jedoch vor einem ergebnismäßig herausfordernden ersten Quartal. Zum einen belastet ein Einmalaufwand in Höhe von rund 200 Millionen Euro wegen der Einstellung des Russland-Geschäfts die Bilanz.

Zum anderen sprach das Management wegen fehlender Teile von einem regelrechten "Stotterbetrieb" in den Werken. Aktuell müsse jeder Lkw in der Produktion zweimal angefasst werden. Dringend benötigte Teile würden teils per Helikopter eingeflogen. Das treibe zusammen mit den anziehenden Rohmaterialpreisen die Kosten.

Immerhin rechnet Daum nicht damit, dass die Lieferkettenprobleme infolge des Ukraine-Kriegs das Unternehmen bedeutend belasten, auch die Situation rund um knappe Halbleiter soll sich nach und nach entspannen.

Im März - rund einen Monat nach Kriegsausbruch - bestätigte das Management die Prognose, die ein Umsatzplus von bis zu gut 19 Prozent auf 45,5 bis 47,5 Milliarden Euro vorsieht. Die um Sondereffekte bereinigte Marge vor Zinsen und Steuern im Fahrzeuggeschäft soll 7 bis 9 Prozent erreichen nach 6,1 Prozent im Vorjahr. Treiber der Ergebnisentwicklung ist dabei das lukrative Nordamerikageschäft.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Unter den 18 von dpa-AFX erfassten Analystinnen und Analysten gibt es niemanden mit einer neutralen oder gar negativen Sicht auf die Aktie - alle empfehlen das Papier zum Kauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 39,50 Euro und damit fast die Hälfte über dem aktuellen Niveau von 27 Euro.

Das Umfeld sei schwierig für Nutzfahrzeughersteller, die bei vollen Auftragsbüchern weiter unter Zulieferproblemen litten, schrieb Analyst Anthony Dick von der Investmentbank Oddo BHF. Zudem gebe es angesichts der Wirtschaftslage Sorgen vor einem zyklischen Abschwung. In diesem Kontext setzt Dick auf Stärke wie bei Daimler Truck und Volvo. Die Rivalen Traton und Iveco kommen bei ihm derzeit weniger gut weg.

Nach einer Investorenveranstaltung zum autonomen Fahren zeigten sich Experten zuletzt ebenfalls optimistisch für die Aussichten von Daimler Truck. Der Lkw-Fahrermangel und die damit einhergehenden hohen Personalkosten dürften die treibende Kraft hinter der Entwicklung der Technologie sein, schrieb Nicolai Kempf von Deutsche Bank Research.

Die Veranstaltung des Lkw-Herstellers habe positive Eindrücke hinterlassen, schrieb Experte Alexander Wahl von der Investmentbank Stifel. Daimler Truck erwarte für das Jahr 2030 einen Umsatz mit seinem virtuellen Piloten von immerhin rund 4 Milliarden Dollar.

In Reaktion auf die Resultate zum Jahresende und die jüngsten Fahrzeugauslieferungen des Lkw-Herstellers reduzierte Analystin Daniela Costa von Goldman Sachs zwar ihre Umsatz- und Profitabilitätsprognosen für 2022. Allerdings blieb auch sie bei ihrer Kaufempfehlung, da die operativen und konjunkturellen Risiken im aktuellen Kurs bereits eingepreist seien.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Nach dem Absturz infolge der russischen Invasion in die Ukraine hat sich die im Dax notierte Aktie wieder etwas berappelt. Im Tief war das Papier im März auf 20,285 Euro abgesackt. Mitte Januar hatte der Kurs sein bisheriges Rekordhoch noch bei 35,755 Euro markiert. Gestartet waren die Papiere nach der Abspaltung im Dezember bei 28 Euro.

30 Prozent der Anteile hält der ehemalige Mutterkonzern, der jetzt unter dem Namen Mercedes-Benz firmiert. Weitere 5 Prozent liegen beim Pensionsfonds des Konzerns. Die Stuttgarter haben sich eine Haltefrist von drei Jahren vorgenommen, können aber auch nach einem Jahr schon Aktien verkaufen, sollte es geschäftlich geboten sein. Weitere große Aktionäre sind der Mercedes-China-Partner BAIC (6,5 Prozent) sowie der Eigentümer und Gründer des chinesischen Autokonzerns Geely, Li Shufu (6,3 Prozent).

Die Börsenbewertung von Daimler Truck liegt derzeit bei 22,3 Milliarden Euro. Die VW-Nutzfahrzeugholding Traton (MAN, Scania, Navistar) kommt auf 8,2 Milliarden Euro. Traton hat sich mit dem US-Truckhersteller Navistar in den wichtigen US-amerikanischen Markt eingekauft, auf dem Daimler Truck bisher bei schweren Lastern der dominierende Platzhirsch mit nach Daimler-Angaben um die 40 Prozent Marktanteil ist. Traton ist hingegen in Europa und Südamerika breiter aufgestellt./men/mne/jha/