Berlin (Reuters) - Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) wird Bundesverteidigungsminister.

Diese Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Dienstag mit. "Pistorius ist ein äußerst erfahrener Politiker, der verwaltungserprobt ist, sich seit Jahren mit Sicherheitspolitik beschäftigt und mit seiner Kompetenz, seiner Durchsetzungsfähigkeit und seinem großen Herz genau die richtige Person ist, um die Bundeswehr durch diese Zeitenwende zu führen", sagte Scholz. Der 62-Jährige Niedersachse Pistorius wird Nachfolger von Christine Lambrecht, die am Montag ihren Rücktritt erklärt hatte. Pistorius soll am Donnerstag seine Ernennungsurkunde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhalten und im Bundestag seinen Amtseid leisten.

Pistorius ist Mitglied des SPD-Parteivorstandes und wurde bereits mehrfach für Posten auf Bundesebene gehandelt. Er hatte sich 2019 - wie Scholz selbst - im Rennen um den SPD-Parteivorsitz nicht durchsetzen können. Der bisherige niedersächsische Innenminister hatte Wehrdienst bei der Bundeswehr geleistet und gilt als beliebt sowie als kommunikations- und durchsetzungsstark. Der Regierungssprecher verwies darauf, dass Pistorius vor seiner Zeit als niedersächsischer Innenminister auch fast sieben Jahre lang Oberbürgermeister von Osnabrück gewesen war. Der Kanzler habe sich nach dem Rücktritt von Lambrecht eng mit der Partei- und Fraktionsführung der SPD abgestimmt.

Die Entscheidung traf in der Ampel-Koalition auf Zustimmung. "Gratulation an meinen neuen Kabinettskollegen Boris Pistorius. Vor allem mit der Umsetzung des Sondervermögens liegt eine große Aufgabe vor uns", twitterte Finanzminister Christian Lindner schon vor der offziellen Bestätigung. "Ich bin überzeugt, dass er der richtige Mann für das Amt ist", twitterte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Pistorius habe langjährige Erfahrung mit der Struktur der Sicherheitsbehörden. "Pistorius ist einer unserer Besten. Das hat die Bundeswehr verdient und unser Land nötig in diesen schwierigen Zeiten", twitterte die SPD-Europaabgeordnete und Europaparlament-Vizepräsidentin Katarina Barley. Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz gratulierte ihm.

Scholz stand bei der Entscheidung unter erheblichen Zeitdruck. Denn am Freitag treffen sich die Verteidigungsminister der westlichen Alliierten, um über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine zu beraten. Dabei soll es auch um die Frage geben, ob Deutschland Leopard-2-Kampfpanzer liefert oder zumindest anderen Staaten die Erlaubnis erteilt, der Ukraine Leopards zu übergeben.

KEINE PARITÄT MEHR IM KABINETT

Aus Regierungskreisen hieß es, die Kabinettsumbildung beschränke sich zunächst auf das Verteidigungsministerium. Mit der Entscheidung für Pistorius gibt Scholz zumindest vorerst seine bisherige Linie auf, dass Männer und Frauen in gleicher Zahl im Kabinett vertreten sein sollen. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen hatte die paritätische Besetzung ebenso wie die Grünen nach dem Rückzug von Lambrecht gefordert. Der Koalitionspartner FDP hatte dagegen betont, es solle nicht nach Geschlecht entschieden werden.

Im Gespräch ist allerdings, dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Anfang Februar ihre Spitzenkandidatur für die Landtagswahl in Hessen erklären könnte. Sollte sie als Ministerpräsidentin nach Hessen wechseln, müsste ein weiterer Kabinettsposten neu besetzt werden. In den vergangenen Tagen war deshalb auch über einen Ringtausch spekuliert worden.

Mit der Ernennung von Pistorius erhält auch die SPD Niedersachsen in Berlin zusätzliches Gewicht. Denn auch Arbeitsminister Hubertus Heil kommt aus dem mitgliederstarken Landesverband.

(Mitarbeit: Alexander Ratz; Redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

- von Andreas Rinke und Holger Hansen