FRANKFURT (Dow Jones)--Eine interessante Woche steht DAX & Co bevor. Mit den Notenbank-Entscheidungen bei EZB und Fed stehen die Hauptthemen fest. Und für viel Bewegung drumherum dürfte die auf Vollgas gehende Berichtsaison sorgen. Hier kam es schon in der abgelaufenen Woche zu zahlreichen Überraschungen in die eine oder andere Richtung. Dazu müssen Umbauten in den US-Technologie-Indizes verkraftet werden, die seit Jahresbeginn stark zulegten und damit für gute Laune an den globalen Börsen gesorgt hatten. Abgerundet wird das Paket noch mit den wichtigsten Konjunkturdaten wie Ifo-Index, BIP und PMIs - genügend Stoff also für eine volatile Handelswoche.


   Nach den Zinserhöhungen kommt das Unbekannte 

Mit Blick auf die Notenbanken sind die Markterwartungen zweigeteilt: "So klar die Zinsentscheidungen von Fed und EZB in der kommenden Woche sind, so unklar ist das weitere Vorgehen", heißt es dazu von den Anleihestrategen der Commerzbank. Am Markt werden von beiden Zentralbanken Zinserhöhungen im Umfang von 25 Basispunkten erwartet. Viel weniger klar ist jedoch, wie es danach mit dem Mix aus höherem Zinssatz und der Zeitdauer seiner Anwendung weitergeht.

Für die Märkte wäre es ein "ambivalentes Signal", wenn zwar ein niedrigeres Zinshoch angedeutet wird, das jedoch für länger bestehen bleibt, so die Commerzbank. Die Betonung einer stärkeren Datenabhängigkeit der Notenbanken würde aber zumindest erleichtern und das Abschalten des "Zins-Autopiloten" den Weg für niedrigere Renditen ebnen.


   Denkfehler voraus - Markt schaut gerne auf falsche Daten 

Im Handel wurden bereits kleinste Signale auf eine Zinserleichterung hin gefeiert, so die leichte Entspannung der Inflationsdaten in Großbritannien und den USA. Marktexperten fürchten hier aber wieder einmal eine grobe Vereinfachung - mit dem entsprechendem Enttäuschungspotenzial danach.

So warnten die Strategen von T. Rowe Price vor falschem Optimismus beim Blick auf die britischen Daten. Denn die Bank of England schaue auf ganz andere Inflationszahlen als der Markt. Die Zentralbank wolle eine fallende Inflation im Dienstleistungssektor sehen, weil nur diese auch im Inland erzeugt wird, warnte Tomasz Wieladek, Chief European Economist.

Solche Denkfehler sind nicht nur auf den Bond-Markt beschränkt: Auch am Aktienmarkt könnte die nun voll anlaufende Berichtssaison zu üblen Enttäuschungen führen. Denn dass das vergangene Quartal gut war, wird kaum angezweifelt. "Die Unternehmen schöpfen aus dem Vollen, was die Auftragspolster angeht", so ein Marktstratege. Wer darauf keine starken Umsatzsteigerungen erzielen könne, habe ein strukturelles Problem. Viel wichtiger als dieses historische Material sei daher diesmal der Ausblick auf die Auftragseingänge: "Es geht darum, ob das Momentum beim Umsatzanstieg überhaupt aufrechterhalten werden kann".


   Anleger ignorieren Rezession - "Geht nicht mehr lange gut" 

Und hier sind sich die Strategen von der LBBW gar nicht sicher. Denn sowohl in den USA als auch Europa seien die Zinskurven invers: "Diese Konstellation geht einer Rezession typischerweise voraus bzw. mit ihr einher. Aktienmärkte entwickelten sich in solchen Phasen historisch schwächer als bei normaler Zinsstruktur".

Davon sei aber bislang nichts zu sehen. Im Gegenteil laufe bei der im Herbst 2022 gestarteten Rally mittlerweile vieles aus dem Ruder. So stieg das Kurs-Gewinn-Verhältnis - insbesondere am inzwischen ziemlich teuer bewerteten US-Markt - immer weiter an.

Auch erodierte die Marktbreite immer weiter. Bei alledem koppelten sich Aktien von der Entwicklung des Bondmarktes völlig ab. "Während am Rentenmarkt die Zeichen auf Rezession stehen, scheinen die Aktienanleger nach wie vor auf eitel Sonnenschein zu machen", schließen die LBBW-Strategen und warnen: "Allzu lange dürfte dies nicht mehr gut gehen".


   Weniger US-Index-Gewicht für die größten Kurstreiber des Jahres 

Das Thema der Marktbreite taucht kommende Woche sogar als Neugewichtung der Indizes der US-Techno-Börse Nasdaq auf: Vor allem der Einfluss der Schwergewichte um Tesla, Meta und Co wird beschnitten. Damit greift diese Maßnahme aber genau den zentralen Kurstreiber des ersten Halbjahres an. Denn fast im Alleingang hatten die US-Tech-Werte mit ihren enormen Kursgewinnen die Marktkapitalisierung so nach oben getrieben, das ihre Performance die gesamte US-Index-Welt dominierte. Selbst der angeblich so breit gestreutet S&P-5oo-Index hing zur Hälfte von Kurssteigerungen der wenigen Tech-Aktien ab.

Von "Marktbreite" konnte in den USA eigentlich gar nicht mehr geredet werden. Allein die fünf größten Unternehmen wie Microsoft, Apple, Nvidia, Amazon und Meta machen mehr als 43 Prozent des Nasdaq-100-Index aus. Nimmt man noch Tesla und Alphabet an Bord, haben nur sieben Unternehmen einen Index-Anteil von über 55 Prozent, sagt Roman Przibylla von CAT Financial Products.

Sie waren zum größten Teil verantwortlich für die Performance von über 42 Prozent im Nasdaq-100-Index. Der US-Börse wurde das zu viel, sie senkt nun durch ein "Special Rebalance" die Bedeutung der Schwergewichte. Dies geschieht erst zum dritten Mal in der Nasdaq-Geschichte. Über den börsengehandelten ETF (Kürzel: QQQ) ist der Nasdaq-100-Index der zweitaktivste in den USA.

Das Gewicht der sieben Schwergewichte könnte mit der Neugewichtung laut Nasdaq von rund 55 auf dann knapp 44 Prozent fallen. Genau lässt sich das erst mit den Schlusskursen vom Freitag sagen. Auf jeden Fall dürfte sich die Änderung der Gewichte in massiven Kapitalumschichtungen bemerkbar machen. Einen Vorgeschmack sahen Händler bereits im Minus der Tesla-Aktie von 9,7 Prozent am Donnerstagabend. Dies habe höchstens zur Hälfte an den Quartalszahlen gelegen, hieß es.


   Geringeres Gewicht der Tech-Aktien beugt dem KI-Crash vor 

Zwei Punkte sprechen allerdings für den verringerten Einfluss der Tech-Werte: Zum einen erhöht sich wirklich die Marktbreite und macht Platz für andere Branchen: So dürften Aktien wie Starbucks, Mondelez, Booking, Gilead Sciences, Intuitive Surgical und Analog Devices stärker in den Fokus rücken.

Zum anderen wird den Auswirkungen eines Crashs der Tech-Werte vorgebeugt. Denn sollten die Unternehmen ihre steigende Aktienbewertung nicht auch mit höheren Gewinnen unterlegen, droht Absturzgefahr. Und vor allem der zentrale Kurstreiber der vergangenen Monate sollte Sorgen machen - die angeblichen Verheißungen der Künstlichen Intelligenz (KI).

Seit dem Neuen Markt und dem ersten Internet-Hype vor über zwanzig Jahren gab es kein Thema mehr, dass ähnlich viele Anleger mit ähnlich wenig Ahnung von der Materie in die Tech-Aktien getrieben hat.

Norman Villamin, Chef-Stratege von Union Bancaire Privee (UBP), warnte daher: "Die Vorteile von generativer KI für die Verbesserung der Produktivität sind unbestreitbar, der schnelle Kursanstieg und die hohen Bewertungen der mit der Technologie assoziierten Unternehmen sind nicht nachhaltig, zumal sich deren Gewinnerwartungen bislang noch nicht merklich nach oben bewegt haben".

Und Cameron McCrimmon, Investment-Stratege von Aegon Asset Management, sieht eine Korrektur des US-Marktes sogar "unmittelbar bevorstehen": Die extreme Konzentration auf Künstliche Intelligenz habe die US-Märkte überbewertet und die Wahrscheinlichkeit einer Korrektur erhöht, sobald die bevorstehende Rezession sichtbar wird. Letzlich habe seit der Lösung der regionalen US-Bankenkrise nur der KI-Optimismus die Börsen getrieben, was er als "klassisches Zeichen für eine auslaufende Hausse" wertet

Einige Strategen begrüßen daher das künftig geringere Gewicht der Tech-Werte: Ein Crash aus Enttäuschung über den geringen Gewinnbeitrag von KI würde damit weniger Schaden anrichten.


   Datenflut aus Konjunktur und Unternehmen garniert Notenbank-Woche 

Bis es soweit ist, müssen Anleger aber zunächst den Wochenkalender abarbeiten. Schon am Sonntag steht hier die Wahl in Spanien im Blick. Am Montag dürften die neuen Einkaufsmanager-Indizes für Juli weltweit in den Fokus rutschen, am Dienstag dann der Ifo-Index und am Freitag die neuen BIP- und Inflations-Daten. Hinweise auf einen schnelleren Rutsch in die Rezession dürften übel ankommen.

Am Mittwoch entscheidet dann die Fed, am Donnerstag die EZB. Dazu gibt es eine Flut von Quartalszahlen quer durch alle Branchen, unter anderem von Philips, Ryanair und Air France, Shell, Unilever und Nestle, Airbus, Deutsche Bank, MTU, Autowerte wie Stellantis, Mercedes, Renault und VW. In den USA schaut man auf General Electric, Microsoft, Boeing, Ford und viele andere.

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July 21, 2023 07:36 ET (11:36 GMT)