FRANKFURT (Dow Jones)--Während an der Börse das Treffen der Notenbanker in Jackson Hole lange als Highlight der Woche angesehen wurde, lieferten am Vormittag die Einkaufsmanager-Indizes für eine faustdicke Überraschung. Dass diese schwach ausfallen werden, war im Vorfeld erwartet worden - doch wurden die Erwartungen dann nochmals verfehlt. Der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor, das verlässlichste Konjunkturbarometer für den Euroraum, ist im August zum vierten Mal in Folge gesunken. Mit 48,3 Punkten liegt er nun auf einem Niveau, bei dem in der Vergangenheit die Wirtschaft in der Regel schrumpfte.

Die Daten sprechen für die Volkswirte der Commerzbank gegen eine weitere Leitzinsanhebung der Europäischen Zentralbank (EZB). Der Kollaps der Einkaufsmanagerindizes schürt Zinsspekulationen, am Anleihemarkt sinken die Renditen deutlich. Die Zehnjahresrendite fällt um 12 Basispunkte auf 2,53 Prozent, die der zweijährigen Papiere um 4 Basispunkte.

Die Entwicklung bei den Marktzinsen wirkt sich belastend auf den Euro aus, er wird aktuell mit 1,0810 Dollar gehandelt, verglichen mit knapp 1,0870 vor den Daten. Am wenigsten reagieren noch die Aktienmärkte auf die negativen Nachrichten. Sie geben die zuvor gesehenen Gewinne zum Teil wieder ab, der DAX gewinnt 0,3 Prozent auf 15.751 Punkte, für den Euro-Stoxx-50 geht es um 0,2 Prozent auf 4.270 Punkte nach oben.


   Aufgabe für Europäischen Zentralbank nicht einfacher 

Volkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank sagt zum Einbruch des deutschen Service-PMI, dass nun jede Hoffnung verflogen sei, der Sektor könne die deutsche Wirtschaft retten. Er schließe sich stattdessen der Rezession der Industrie an. Und Thomas Gitzel von der VP Bank betont mit Blick auf die Eurozone: "Klarer könnten die Rezessionssignale nicht sein".

Für die Volkswirte der HSBC befindet sich die EZB vor ihrer Sitzung am 14. September in einer Art Zwickmühle. Die sehr robuste Kerninflation und der Lohndruck schienen eine weitere Straffung zu erfordern, doch die wesentlich schwächeren Konjunkturdaten ließen das Gegenteil vermuten. Die Erwartung auf eine Anhebung der Leitzinsen um 25 Basispunkte sei aktuell auf eine Wahrscheinlichkeit von nur noch 35 Prozent gesunken.

Die Anleger warten nun umso gespannter auf den Beginn des Notenbankertreffens in Jackson Hole. "An der Börse erhoffen sich viele weitere Hinweise auf den geldpolitischen Kurs der Fed in den kommenden Monaten. Anleger sollten allerdings nicht zu viel Konkretes erwarten", heißt es bei QC Partners.


   Zinssensitive Sektoren 

Hoffnungen auf ein Ende der Zinserhöhungen durch die EZB treiben Aktien aus zinssensitiven Sektoren. Gesucht sind vor allem Versorgertitel, ihr Subindex liegt 1,7 Prozent im Plus und Immobilienwerte (+1,8%). Vonovia gewinnen 2,7 Prozent.

Positive Daten einer klinischen Studie zu einer Medikamentenkombination von Roche (+5,2%) gegen Lungenkrebs beflügeln die Aktie des Schweizer Pharmakonzerns. Sollte dieser Anstieg bis zum Handelsschluss halten, wäre es nach Daten von Factset der prozentual größte Zuwachs der Roche-Aktie an einem Tag seit November 2020. Roche ist damit auf dem besten Weg, eine Behandlung von Lungenkrebs mit signifikantem Vorteil anbieten zu können, schreiben die Analysten von Citi.

Nach starken Zweitquartalszahlen haussieren Bavarian Nordic in Kopenhagen um 9,3 Prozent. Wie die Citigroup anmerkt, hat das Biotechnologieunternehmen die Konsenserwartungen bei Umsatz und EBITDA um 30 bzw 150 Prozent geschlagen hat. Die Ziele für das laufende Jahr wurden bestätigt.

Im Blick stehen zudem die Technologieaktien, die zuletzt für viele überraschend Fahrt nach oben aufnahmen. Mit Spannung warten Marktteilnehmer auf die Geschäftszahlen von Nvidia am Abend. Die Aktie gilt als eine Art Vorzeigekind für die KI-Branche. Sollte es bei Nvidia Anzeichen geben, dass sich der KI-Hype nicht in deutlich steigenden Gewinnen niederschlägt, könnte der bisherige Kurstreiber für die Branche in sich zusammenfallen, sagen Händler.


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Aktienindex              zuletzt        +/- %     absolut   +/- % YTD 
Euro-Stoxx-50           4.269,79        +0,2%        9,42      +12,6% 
Stoxx-50                3.946,81        +0,6%       24,31       +8,1% 
DAX                    15.750,55        +0,3%       44,93      +13,1% 
MDAX                   27.311,13        +0,3%       71,53       +8,7% 
TecDAX                  3.112,40        +0,5%       14,22       +6,6% 
SDAX                   13.088,73        +0,3%       39,09       +9,8% 
FTSE                    7.329,29        +0,8%       58,53       -2,4% 
CAC                     7.254,04        +0,2%       13,16      +12,1% 
 
Rentenmarkt              zuletzt                  absolut     +/- YTD 
Dt. Zehnjahresrendite       2,53                    -0,11       -0,04 
US-Zehnjahresrendite        4,26                    -0,06       +0,38 
 
DEVISEN                  zuletzt        +/- %    Mi, 8:22  Di,  17:30   % YTD 
EUR/USD                   1,0809        -0,3%      1,0853      1,0849   +1,0% 
EUR/JPY                   157,29        -0,6%      158,06      158,19  +12,1% 
EUR/CHF                   0,9526        -0,3%      0,9549      0,9545   -3,8% 
EUR/GBP                   0,8556        +0,4%      0,8515      0,8521   -3,3% 
USD/JPY                   145,51        -0,2%      145,63      145,80  +11,0% 
GBP/USD                   1,2634        -0,8%      1,2746      1,2732   +4,5% 
USD/CNH (Offshore)        7,3042        -0,0%      7,2942      7,3058   +5,4% 
Bitcoin 
BTC/USD                26.000,77        +1,3%   26.064,99   25.998,12  +56,6% 
 
ROHÖL                    zuletzt  VT-Settlem.       +/- %     +/- USD   % YTD 
WTI/Nymex                  78,46        79,64       -1,5%       -1,18   +0,2% 
Brent/ICE                  82,78        84,03       -1,5%       -1,25   +0,1% 
GAS                               VT-Settlem.                 +/- EUR 
Dutch TTF                  39,24        42,91       -8,6%       -3,67  -47,2% 
 
METALLE                  zuletzt       Vortag       +/- %     +/- USD   % YTD 
Gold (Spot)             1.901,74     1.897,36       +0,2%       +4,38   +4,3% 
Silber (Spot)              23,71        23,43       +1,2%       +0,28   -1,1% 
Platin (Spot)             926,70       923,50       +0,3%       +3,20  -13,2% 
Kupfer-Future               3,78         3,76       +0,5%       +0,02   -1,0% 
 
YTD bezogen auf Schlussstand des Vortags 
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August 23, 2023 06:58 ET (10:58 GMT)