Von Megha Mandavia

LONDON (Dow Jones)--Die Erkenntnis, dass Chinas Immobilienkrise womöglich doch von Dauer sein könnte, ist für die großen Bergbaukonzerne, die lange Zeit von der Wohnungsnachfrage im Reich der Mitte profitiert haben, alles andere als erfreulich. Doch obwohl in China derzeit weitaus weniger neue Wohnblöcke entstehen, werden andere metallintensive Produkte wie Elektrofahrzeuge und Windkraftanlagen in größerem Umfang errichtet. Diese Tatsache sowie die Angebotsdisziplin der großen Eisenerzförderer haben bislang eine noch schlimmere Entwicklung verhindert.

Dennoch waren die in dieser Woche veröffentlichten Ergebnisse der Bergbaukonzerne nicht schön. Rio Tinto wies am Mittwoch einen Rückgang des Nettogewinns für das Gesamtjahr 2023 um 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr aus, was zum Teil auf niedrigere Aluminiumpreise zurückzuführen war. Der bereinigte Gewinn von BHP für das erste Halbjahr blieb nach Abzug einmaliger Belastungen, einschließlich einer großen Abschreibung auf Nickelanlagen, weitgehend unverändert. Beide Bergbaukonzerne kündigten Dividendenkürzungen an.

Es gab jedoch auch einige Lichtblicke. Die Indikatoren für das Wachstum der Kupfernachfrage in China, insbesondere die Importe von Kupfererz und -konzentrat, sehen immer noch solide aus - keine Überraschung angesichts des enormen Booms bei Elektrofahrzeugen und Ökostrom. Die Einfuhren von Kupfererz und -konzentrat lagen im vergangenen Quartal um mehr als 20 Prozent über denen des ersten Quartals 2021, bevor die Immobilienkrise die Metallnachfrage zu beeinträchtigen begann. Selbst die Einfuhren von Eisenerz waren nach Angaben des Datenanbieters CEIC um 7 Prozent höher. Angesichts des Ausmaßes der Immobilienkrise ist das überraschend stark.


Elektroautos und Windkraftanlagen schieben Nachfrage an 

Ein Grund dafür: Während es lange dauern könnte, bis die Immobilienmarktkrise in China behoben ist, wird die Stahlnachfrage von der Industrie und der Infrastruktur angekurbelt. Nach Angaben von Rio Tinto machte der Immobilienmarkt im Jahr 2023 nur 27 Prozent der chinesischen Stahlnachfrage aus, im Vergleich zu 34 Prozent im Jahr 2019. Die Eisenerzimporte Chinas erreichten laut Rio Tinto im Jahr 2023 einen Rekord von 1,18 Milliarden Tonnen. Die chinesische Rohstahlproduktion lag im vergangenen Jahr bei etwa 1,02 Milliarden Tonnen und damit auf dem Niveau des Vorjahres, wie aus den offiziellen Daten des Nationalen Statistikamtes hervorgeht, und hat sich damit nach zwei Jahren des Rückgangs stabilisiert.

Das schwache Wachstum des Eisenerz-Angebots hat ebenfalls zur Stützung der Preise beigetragen. Laut ANZ ist die Stahlnachfrage des chinesischen Immobiliensektors im vergangenen Jahr gegenüber 2022 um 15 Prozent zurückgegangen, und die Gesamtnachfrage stieg nur um 0,5 Prozent. Die Bank geht jedoch davon aus, dass die weltweiten Eisenerzlieferungen im vergangenen Jahr ebenfalls zurückgegangen sind. Das wäre nicht verwunderlich, da die aufziehenden Gewitterwolken in China schon seit einiger Zeit für jeden, auch für die großen Bergbaukonzerne, offensichtlich sind.

Den Daten des CEIC zufolge stiegen die Eisenerzpreise zum Jahresende sogar um rund 30 US-Dollar pro Tonne, obwohl seit Mitte des Jahres fast ununterbrochen schlechte Nachrichten aus China kamen. Die spärliche politische Unterstützung aus Peking, zuletzt eine Senkung des fünfjährigen Referenz-Zinssatzes für Bankkredite an Unternehmen, könnte die Stahlnachfrage am Rande ebenfalls etwas stützen. Der enorme Anstieg der chinesischen Kupferkonzentrateinfuhren seit 2021 zeigt, wo die Zukunft liegt.

Doch selbst wenn der durch den chinesischen Wohnungsbau ausgelöste Eisenerzboom vorbei ist, werden China und die Welt weiterhin Stahl benötigen.

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February 22, 2024 04:15 ET (09:15 GMT)