Mailand/Hamburg (Reuters) - Kaum aus der Taufe gehoben, zeichnet sich beim Autobauer "Stellantis" schon das erste Konfliktfeld ab: Die italienische Regierung schließt einen Einstieg bei dem aus den beiden Autobauern Fiat Chrysler und PSA fusionierten Konzern nicht aus.

Sie denkt über eine Staatsbeteiligung nach - "ähnlich wie die der französischen Regierung", zitierte die italienische Zeitung "La Repubblica" den stellvertretenden Wirtschaftsminister Antonio Misiani am Mittwoch. Das "kann und darf kein Tabu sein", fügte er hinzu. Misiani begründete dies mit nationalen Interessen, da es mit Stellantis um die Rolle der Industrie und die Beschäftigung in seinem Land gehe. Für eine mögliche Investition seien bestimmten Bedingungen nötig, "die im Moment nicht existieren", schränkte er ein.

PSA und FCA lehnten einen Kommentar ab. Zu Wochenanfang hatten die Aktionäre der beiden Konzerne grünes Licht für den 52 Milliarden Dollar schweren Zusammenschluss zum weltweit viertgrößten Autobauer gegeben, der am 16. Januar vollzogen werden soll.

Durch den Bund wollen sich die beiden Partner die enormen Investitionen teilen, die der Wechsel in die Elektromobilität, die Digitalisierung und selbstfahrende Autos verschlingt. Dafür müssen sie die Kosten herunterfahren. Analysten erwarten, dass Konzernchef Carlos Tavares die riesigen Überkapazitäten abbauen wird, die auf der französischen Opel-Mutter und ihrem italienisch-amerikanischen Partner lasten. Einige Werke könnten dichtgemacht werden. Um einen größeren Personalabbau in Italien zu verhindern, könnte sich der Staat mit einer Beteiligung in Stellung bringen wollen. Frankreich ist über die BPI France bereits an PSA beteiligt, die 6,2 Prozent an Stellantis halten soll. Frankreich hatte seinen PSA-Anteil 2017 an die Staatsbank verkauft.

FAMILIEN UND DER STAAT

Größter Einzelaktionär von Stellantis wird mit 14,4 Prozent die Holdingsgesellschaft Exor der Familie Agnelli, die bislang 28,5 Prozent an Fiat Chrysler kontrolliert. Auch die Gründerfamilie Peugeot wird an dem neuen Konzern beteiligt sein. Der chinesische Autobauer Dongfeng Motor soll seinen Anteil von 12,2 Prozent an PSA durch den Verkauf von Aktien im Zuge der Fusion verringern und künftig 4,5 Prozent an dem neuen Konzern halten.

Ein Einstieg Italiens würde dieses austarierte Machtgefüge durcheinanderbringen, meinen Experten. Noch ist allerdings unklar, von wem Italien nennenswerte Anteile erwerben könnte. "Man muss auch sehen, ob der italienische Staat überhaupt das Geld für eine Beteiligung hat", sagte Frank Schwope von der NordLB. Der Autoanalyst glaubt, dass Italien bei einem Einstieg ein Gleichgewicht mit Frankreich anstreben würde. Dadurch könne sich die erwartete Restrukturierung verzögern. Auch andere Analysten gehen davon aus, dass Stellantis zwar seine Rolle als globaler Autobauer betonen wird, die Interessen der beiden Regierungen aber nicht wird ignorieren können.

Schon die Beteiligung Frankreichs an PSA war in den vergangenen Jahren mehrfach Anlass für Querelen. In guter Erinnerung sind auch die Turbulenzen um den von General Motors einst geplanten Verkauf von Opel, bei dem die Bundesländer mit Standorten des Rüsselsheimer Autobauers zunächst eine Beteiligung erwogen hatten. Damals kassierte GM die Pläne überraschend und behielt Opel, verkaufte die angeschlagene Tochter einige Jahre später dann aber an Peugeot. General Motors würde es heute nicht mehr geben, wenn die US-Regierung während der Finanzkrise nicht eingegriffen hätte.

Auch bei anderen Autokonzernen nimmt der Staat Einfluss, um Arbeitsplätze in der wichtigen Branche zu erhalten. So ist Frankreich neben PSA auch an Renault beteiligt. Das Land Niedersachsen ist bei Volkswagen zweitgrößter Anteilseigner nach der Porsche SE, über die die Familien Porsche und Piech die Mehrheit an dem Autobauer halten.