Hamburg (Reuters) - Nach der erneuten Milliardenförderung der Bundesregierung beim Hochfahren der E-Mobilität dringt die Autobranche auf Finanzhilfen auch beim Ausbau der Ladeinfrastruktur.

Dazu sollen möglichst noch vor Weihnachten Vertreter der Mineralölindustrie, der Energiewirtschaft, der Wohnungswirtschaft, der Kommunen, der Politik und der Automobilindustrie an einen Tisch gebracht werden, um die Zahl der Ladesäulen rasch zu steigern. "Mir geht es um die Koordination und die Beschleunigung von Verfahren. Und um die Beteiligung des Staates mit finanziellen Mitteln", sagte VDA-Chefin Hildegard Müller am Mittwoch. Aktuell sei der Ausbau wirtschaftlich kaum darstellbar.

Für das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 eine Million öffentliche Ladepunkte im Land zu haben, müssten nach Angaben der Automobilindustrie ab sofort wöchentlich 2000 in Betrieb gehen - zehn Mal so viele wie zuletzt. Nach Angaben der Energiewirtschaft ist die Zahl der öffentlichen Ladepunkte zuletzt auf etwas mehr als 33.000 gestiegen, das sind 5300 mehr als im April.

Die EU-Pläne zur weiteren Verschärfung der Abgasnorm für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor bezeichnete die VDA-Chefin als "Verbotspolitik durch die Hintertür". "Was diese geplante Abgasnorm Euro 7 vorsieht, ist technisch praktisch nicht zu schaffen", betonte Müller. BMW-Chef Oliver Zipse sagte bei einer Veranstaltung der "Süddeutschen Zeitung", solange sich die Ladeinfrastruktur noch im Aufbau befinde, sei man gut beraten, weiter auch andere Antriebsarten wie den Verbrenner zuzulassen. Er sprach sich dagegen aus, Antriebsarten gegeneinander auszuspielen. "Diese bipolare Welt stellt sich in der Realität nicht so dar."

"WINDHUNDRENNEN" UM DIE SCHÄRFSTEN KLIMAZIELE

Mit Blick auf die weitere Verschärfung der Klimavorgaben kritisierte Zipse, es gebe zwischen verschiedenen Staaten und der EU "eine Art Windhundrennen" um die schärfsten Ziele. Der von der EU geplante "Green Deal" sei an sich vollkommen in Ordnung. Ob das Vorgehen dabei aber sinnvoll sei und dem Klimaschutz wirklich diene, dürfe aber bezweifelt werden. Denn wenn man die Neuzulassung künftiger Verbrenner verbiete, es aber nicht ausreichend Ladestationen für E-Autos gebe, würden die Menschen ihre alten Autos einfach weiterfahren.

Das Paket der Bundesregierung im Volumen von gut drei Milliarden Euro zur Förderung der Autobranche in der Corona- und Klimakrise wurde von der Branche einhellig begrüßt. VDA-Chefin Müller sagte, dadurch werde der Hochlauf der Elektromobilität erleichtert. Dabei hob sie die Hilfen für die besonders angeschlagene Zulieferindustrie hervor.

"Die Beschlüsse, die jetzt getroffen werden - der Ausbau der Ladeinfrastruktur - sind aus unserer Sicht genau die richtigen Entscheidungen", sagte Daimler-Chef Ola Källenius. Das Ergebnis am Dienstagabend sei "sehr gut" gewesen. Es müsse alles unternommen werden, um die Ladeinfrastruktur aufzubauen, nur dann werde es attraktiv für die Kunden, umzusteigen. Der Strom für E-Autos müsse aber grün sein, sonst werde bei der CO2-Reduktion nichts gewonnen.

Volkswagen-Chef Herbert Diess erklärte, der Plan der Bundesregierung, den Individualverkehr zu elektrifizieren, gehe auf: "Wir haben schon jetzt 17,5 Prozent Marktanteil für E-Autos und Plugin-Hybride." Die bisherigen Maßnahmen wirkten - im Rückblick sei die Entscheidung gegen Kaufprämien auch für Verbrenner und die Konzentration auf E-Fahrzeuge richtig.

Die Ratingagentur Moody's erklärte, die Verlängerung der Kaufprämien für E-Autos über 2021 hinaus werde den Autoabsatz unterstützen und den Autoherstellern dabei helfen, die CO2-Ziele zu erreichen. Sie sei jedoch ein weiteres Risiko für Zulieferer, die von Teilen für Verbrennungsmotoren abhängig seien.

Die Bundesregierung hatte am Dienstagabend im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel eine Verlängerung der Kaufprämie für Elektroautos bis 2025 beschlossen. Außerdem wurde eine Abwrackprämie für ältere Lkw und ein Fonds zur Unterstützung der Betriebe bei der Umstellung auf klimafreundliche Antriebe auf den Weg gebracht. Die Zulieferindustrie kann mit weiteren Hilfen rechnen. Die Bundesregierung erwartet darüber hinaus einen "ambitionierten Beitrag" zum Aufbau der Lademöglichkeiten. Ziel ist eine Ausrüstung von mindestens 25 Prozent aller Tankstellen mit Schnelllade-Einrichtungen bis Ende 2022. Danach soll die Quote schrittweise erhöht werden. Dazu sollen möglichst bald Gespräche mit der Mineralölindustrie über eine Selbstverpflichtung beginnen. Sollten die vereinbarten Ziele nicht freiwillig erreicht werden, will die Regierung die Quoten gesetzlich durchsetzen.