BERLIN (awp international) - Mit dem Zukauf des auf die Analyse krankmachender Proteine spezialisierten US-Unternehmens Vividion will Bayer seine Pharmaforschung vorantreiben. Dabei mussten die Leverkusener schnell sein, weil Vividion parallel Börsengangpläne verfolgte und bereits erste Unterlagen bei den Behörden eingereicht hatte. "Vom ersten Telefonat bis zur Unterschrift vergingen nur sieben Wochen", sagte Bayer-Pharmachef Stefan Oelrich im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Bis zu zwei Milliarden US-Dollar wird sich der Pharma- und Agrarchemiekonzern die Übernahme kosten lassen. 1,5 Milliarden davon sollen nach dem für das dritte Quartal erwarteten Abschluss der Transaktion fliessen, weitere bis zu 500 Millionen sind je nach Erfolg möglich, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte.

Vividion forscht an Wegen, um krankheitsauslösende Eiweisse mit Medikamenten angehen zu können, für die es bisher keine Behandlungsmöglichkeiten gibt. Dazu zählen bestimmte Krebsarten und immunologische Erkrankungen wie der Reizdarm. Das US-Unternehmen untersucht mit seiner Technologie die Oberflächen von schwer adressierbaren Eiweissen auf potenzielle Bindungsstellen, sogenannte Bindetaschen. An diese könnten Medikamente dann eventuell andocken.

Trotz allen Fortschritts in der Medizinforschung könnten 90 Prozent der bekannten, krankmachenden Proteine mit aktuellen Therapien nicht angesprochen werden, da schlicht keine Bindungsstellen für Wirkstoffe bekannt seien, erklärte Vividion-Chef Jeff Hatfield. Anders als klassische Screening-Verfahren sei das Unternehmen mit seiner Technologie in der Lage, sehr kleine, verborgene Oberflächenstrukturen zu finden, sowie winzige Moleküle, die sich an diese binden.

Von der Zusammenarbeit mit Bayer verspricht sich Hatfield den Fokus auf noch mehr Krankheiten richten zu können. Dabei will er auch vom Chemie-Know-How der Leverkusener und der Grösse des Dax -Konzerns profitieren. Der bisherige Fokus liege auf Krebs und Erkrankungen, die mit dem Immunsystem im Zusammenhang stehen, wie etwa der Reizdarm. Welche anderen Bereiche nach der Übernahme durch Bayer angegangen werden, müsse aber noch bestimmt werden, sagte Hatfield gegenüber dpa-AFX. Ein mögliches Beispiel seien neurodegenerative Erkrankungen.

Gerade in diesem Bereich hatte Bayer zuletzt schon einiges an Geld in Übernahmen von Spezialisten für Gen- und Zelltherapien investiert. Dabei stechen der Kauf des US-Biotechunternehmen Bluerock Therapeutics 2019 und die Übernahme des US-Unternehmens Asklepios BioPharmaceutical (AskBio) im Herbst 2020 hervor.

BlueRock Therapeutics ist ein auf neurologische und kardiologische Krankheiten fokussierter Stammzellspezialist, der an einer Behandlung für die Parkinson-Erkrankung arbeitet, bei der Nervenzellen langsam absterben. AskBio forscht ebenso an Therapiekandidaten für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neuromuskulären Defekten, setzt aber nicht auf Stammzellen, sondern auf die Gentherapie. Bei dieser werden mit Hilfe von Viren Gene in Zellen eingeschleust, die die Funktion beschädigter Gene ersetzen sollen./mis/ngu/he