Börsen-Zeitung: Zeit zum Umdenken, Kommentar zur Inflation von Mark
Schrörs
   Frankfurt (ots) - Die Inflation meldet sich zurück: In Deutschland
hat sich die Teuerungsrate Ende 2016 überraschend auf 1,7 Prozent 
mehr als verdoppelt. Und auch für Euroland dürfte Eurostat heute 
einen starken Anstieg von 0,6 Prozent auf 1,0 Prozent oder gar mehr 
vermelden. Nun besteht deshalb noch lange kein Grund, gleich 
Inflationspanik zu schieben. Der Europäischen Zentralbank (EZB) aber 
sollte das Anlass zum Nachdenken geben - "food for thought", wie es 
so schön heißt.

   Hinter dem Inflationsanstieg stecken vor allem die Energiepreise, 
weil der vormalige, lange dominante Ölpreisverfall aus der Statistik 
herausfällt. Der inländische Preisauftrieb bleibt dagegen gedämpft. 
Der Anstieg der Teuerung wird sich also kaum auf Dauer in dieser 
rasanten Weise fortsetzen, und dass die Inflation außer Kontrolle 
gerät, steht aktuell auch eher nicht zu befürchten. Dennoch zeigt 
sich, dass die Inflation eben keineswegs so mausetot ist, wie zuletzt
mancher "Experte" glauben machen wollte. Die Zeit, in der die einzige
Sorge der EZB eine zu niedrige Inflation war, geht definitiv zu Ende.

   Die EZB muss zudem umdenken, weil die Risiken von Negativzinsen 
und Anleihekäufen, vor allem für die Finanzstabilität, immer weiter 
zunehmen - wenn sie nicht längst dominieren. EZB-Direktoriumsmitglied
Benoît Coeuré hat zum Jahreswechsel im Interview der Börsen-Zeitung 
gesagt, eine Diskussion über die Normalisierung der Geldpolitik sei 
nötig - auch wenn er zu Vorsicht mahnte. Tatsächlich ist es dafür 
allerhöchste Zeit. Sollte die EZB bei weiter anziehender Inflation 
und sich fortsetzender Wirtschaftserholung an ihrem eingeschlagenen 
Kurs festhalten und von April bis Dezember 2017 unbeirrt weitere 60 
Mrd. Euro pro Monat ins System pumpen, geriete sie wohl arg "hinter 
die Kurve", wie es im Notenbanksprech heißt. Die EZB-Granden scheuen 
derzeit jedes Signal für einen Einstieg in den Ausstieg wie der 
Teufel das Weihwasser - aber sie müssen sich dafür wappnen und die 
Märkte darauf vorbereiten.

   Oder geht es den Euro-Hütern klammheimlich darum, zeitweise eine 
Inflation von mehr als 2 Prozent zu erzielen - quasi als Ausgleich 
für die Jahre lang unter diesem Zielwert liegende Rate? Dieser auch 
vom Internationalen Währungsfonds propagierten Idee darf die EZB 
nicht erliegen. Es ist das eine, nicht gleich auf ein Überschießen 
des Ziels zu reagieren, wenn die zugrunde liegenden Faktoren das 
nahelegen und dieser Trend absehbar vorübergehend ist. Es ist aber 
etwas ganz anderes, ein Überschießen ganz bewusst anzuvisieren. Das 
wäre ein hochriskantes Spiel mit den Inflationserwartungen - und der 
ohnehin arg ramponierten Reputation der EZB.

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