Der französische TGV-Hersteller Alstom will die in Berlin ansässige Zugsparte des angeschlagenen kanadischen Rivalen Bombardier kaufen. Die Franzosen bestätigten damit Informationen, die bereits seit Tagen die Runde machten. Eine Einigung gebe es allerdings nicht. "Die Diskussionen dauern an", teilte Alstom am Montag mit. Bombardier Transportation wird Insidern zufolge mit rund sieben Milliarden Dollar bewertet - mehr als doppelt so viel wie der hoch verschuldete Konzern aus Montreal an der Börse in Toronto wert ist. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte am Sonntagabend erfahren, dass die Verhandlungen kurz vor dem Abschluss stünden.

32,5 Prozent der Anteile an der Bombardier-Sparte gehören dem Pensionsfonds Caisse de dépôt et placement aus Quebec. Er hatte dem Konzern vor einigen Jahren mit einer Kapitalspritze aus der Klemme geholfen. Der Fonds wolle seine Beteiligung an die Franzosen abgeben und gegen einen Minderheitsanteil an dem fusionierten Unternehmen eintauschen, berichtete das "Wall Street Journal". Bombardier wollte sich dazu nicht äußern.

Die Zug-Sparte gilt als wertvollster Teil von Bombardier, auch wenn sie mit operativen Schwierigkeiten kämpft, die das Unternehmen vor kurzem zu einer Gewinnwarnung gezwungen hatten. Auch mit Aufträgen für die Deutsche Bahn gibt es Ärger. Doch der Auftragsbestand von 36 Milliarden Dollar wäre für einen Käufer verlockend.

Der mit fast zehn Milliarden Dollar verschuldete Konzern hatte in der vergangenen Woche die restlichen Anteile an seinem ehemaligen Verkehrsflugzeugprogramm, dem heutigen Airbus A220, an den Partner Airbus abgegeben und sich damit von finanziellen Verpflichtungen befreit. Mit einem Verkauf der Zug-Sparte bliebe Bombardier dann nur noch die Produktion von "Learjet"-Geschäftsflugzeugen.

Die drei großen westlichen Bahntechnik-Hersteller Alstom, Siemens und Bombardier ringen seit Jahren um Zusammenschlüsse, weil sie fürchten, dass sie der chinesische Eisenbahngigant CRRC bald auch auf ihren heimischen Märkten überrollt. CRRC drängt auch nach Europa, hat dort aber bisher kaum Fuß gefasst. Die EU-Wettbewerbsbehörde hatte einer Fusion von Alstom mit Siemens Mobility deshalb vor einem Jahr eine Absage erteilt. Ein Gegenangebot aus München für einen der beiden Fusionspartner sei deshalb nicht zu erwarten, sagte eine mit den Überlegungen vertraute Person. Vor Alstom hatte Siemens Insidern zufolge 2017 auch mit Bombardier intensiv verhandelt.

Die IG Metall geht davon aus, dass Alstom und Bombardier in Brüssel auf die gleichen Hürden stoßen wie Siemens und Alstom. Die Fusion sei kartellrechtlich nicht anders zu bewerten, hatte die Gewerkschaft bereits am Freitag erklärt. Bei Signaltechnik und bei Hochgeschwindigkeitszügen wie ICE und TGV, wo sich die EU an der Stellung von Siemens und Alstom gestoßen hatte, wären Alstom und Bombardier zwar weniger dominierend, sie kämen aber bei Regionalzügen auf deutlich mehr Marktanteile.

Wenn die EU dennoch Ja sagen sollte, bangt die IG Metall um Arbeitsplätze bei Bombardier und Alstom, deren größtes Werk in Deutschland liegt. Der für die Bahnindustrie zuständige Vorstand Jürgen Kerner forderte die Politik zum Eingreifen auf, zumal die Deutsche Bahn ein Großkunde beider Unternehmen sei: "Die Bundesregierung hat deshalb die Pflicht, industriepolitische Maßnahmen im Sinne der Beschäftigten zu ergreifen und die industrielle Basis zu sichern." Die Konsolidierung dürfe nicht einseitig zulasten Deutschlands gehen.