Von Margot Patrick und Patricia Kowsmann

LONDON (Dow Jones)--Ein Wochenende voller hektischer Verhandlungen hat für die UBS alles verändert. Die preisgünstige, 3 Milliarden Franken schwere Übernahme ihres größten inländischen Konkurrenten, der Credit Suisse, stärkt die Position der UBS als einer der größten Vermögensverwalter für die Reichen der Welt. Doch die von der Regierung in Bern organisierte Rettung bedeutet auch einen abrupten Strategiewechsel für die UBS, die nach einer früheren Nahtoderfahrung selbst jahrelang vorsichtig war.

Nun steht das größte Schweizer Kreditinstitut unter der Leitung von CEO Ralph Hamers und Verwaltungsratschef Colm Kelleher vor der äußerst komplexen Aufgabe, sich mit einer anderen systemrelevanten globalen Bank zusammenzuschließen. Erschwert wird diese Aufgabe durch die erheblichen Überschneidungen in den Geschäftsfeldern und durch die zahlreichen rechtlichen Schwierigkeiten, die den riskant agierenden Rivalen in Atem gehalten haben.

Ein Beispiel für die Turbulenzen, denen sich die UBS möglicherweise ausgesetzt sieht, sind die heftigen Kursschwankungen der UBS-Aktie zum Wochenauftakt, die zunächst stark nachgab, sich dann aber wieder erholte und schließlich 1,3 Prozent höher schloss. Der Abstand zwischen den Tageshöchst- und -tiefstkursen betrug fast 23 Prozentpunkte, was gemäß den Zahlen von Dow Jones Market Data, die bis ins Jahr 1985 zurückreichen, der höchste jemals verzeichnete Wert ist.

Die Kosten für die Versicherung von UBS-Schuldtiteln gegen Zahlungsausfall legten auf den höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren zu. Die jährlichen Kosten für die Versicherung von 10.000 Euro für fünfjährige, vorrangige UBS-Schuldtitel unter Verwendung von Instrumenten, die als Credit Default Swaps bezeichnet werden, schnellten auf 168 Euro empor - gegenüber 117 Euro Ende der Vorwoche. Das markiert zugleich den höchsten Stand seit August 2012, so Daten von S&P Global Market Intelligence.

Der Zusammenschluss kam zustande, nachdem Kunden der Credit Suisse vergangene Woche aus der Bank geflohen waren und die Schweizer Aufsichtsbehörden am Wochenende eine Fusion erzwungen hatten. Nicht zuletzt ist der Schweizer Finanzsektor im Verhältnis zur Wirtschaft und zur Bevölkerung von 8,7 Millionen Menschen einer der größten der Welt, weshalb das Schicksal der größten Banken des Landes für die Regierung von entscheidender Bedeutung ist.


   Es entsteht eine Riesenbank für die Superreichen 

Durch die Übernahme entsteht ein Gigant in der Schweiz und ein globales Kraftpaket, das den Reichen bei ihren Investments hilft. Beide Banken richten sich an die Superreichen und verfügen über Zweigstellen an der Wall Street, die mit Aktien und Anleihen handeln und Unternehmen beraten. Das vergrößerte Unternehmen wird rund 5 Billionen US-Dollar Vermögenswerte verwalten, mehr als bei rivalisierenden US-Banken mit Asset-Management-Sparten wie Morgan Stanley. Damit spielen die Eidgenossen in einer Liga mit Blackrock und Vanguard.

"Die UBS hat das Geschäft ihres Lebens abgeschlossen", meint Davide Serra, Gründer des Vermögensverwalters Algebris Investments, und weist darauf hin, dass der Nettoinventarwert von der UBS durch den Kauf der Credit Suisse um 70 Prozent geklettert ist. "Dies wird sich für alle UBS-Aktionäre sehr positiv auswirken."

Bern gewährte eine Wettbewerbsverzichtserklärung, eine Liquiditätslinie in Höhe von 100 Milliarden Dollar, einen Backstop von mehr als 9 Milliarden Dollar für bestimmte Vermögenswerte und eine lange Frist, innerhalb derer die UBS ihr Kapital aufstocken kann. Die Megafusion ist die erste innerhalb der Gruppe der 30 globalen Banken, die von den Regulierungsbehörden wegen ihrer Größe und Verflechtungen als systemrelevant eingestuft werden.

Darüber hinaus wurden die riskantesten Anleihen der Credit Suisse im Wert von rund 17 Milliarden Franken von den Behörden gestrichen, was die Anleger auf diesem Markt überraschte. Laut RBC-Analystin Anke Reingen zahlt die UBS für dieses Geschäft den Gegenwert von 0,6 Prozent der verwalteten Assets in der Vermögensverwaltung von Credit Suisse, also deutlich weniger als bei Geschäften, die nicht unter Zwang abgeschlossen wurden. Wenn die Hilfe der Schweizer Behörden ausreicht und sich die Refinanzierungskosten der UBS normalisieren, "ist dies längerfristig ein finanziell sehr attraktives Geschäft".

Die UBS benötigte 2008 ein Rettungspaket der Schweizer Regierung, um Verluste aus toxischen Wertpapieren zu decken. Später erholte sie sich und wurde zu einer der stabilsten und profitabelsten Banken Europas, während die Credit Suisse durch Skandale und finanzielle Verluste ins Straucheln geriet. Bei einem Treffen mit Analysten am Wochenende sagte UBS-Chef Hamers, dass seine Bank heißbegehrte Vermögensverwaltungskunden in Asien und Lateinamerika dazugewinnen werde. Banker und Research-Analysten der Credit Suisse in den USA könnten dazu beitragen, mehr Investitionen für globale Family Offices zu vermitteln, die Gelder für sehr wohlhabende Familien verwalten und zunehmend direkten Zugang zum Investment-Banking wünschen. Analysten zufolge könnte die UBS wegen der Integration aber über Jahre hinweg abgelenkt werden, was wahrscheinlich zu Einschnitten sowohl bei der angeschlagenen Investmentbank der Credit Suisse als auch bei ihrer Universalbank in der Schweiz führt.


   Mitarbeiter müssen um ihre Arbeitsplätze bangen 

Laut Hamers dürften sich die jährlichen Kosten bis 2027 um rund 6 Milliarden Dollar verringern, da weniger Stellen benötigt würden. Er lehnte es aber ab, Einzelheiten über die Entlassungen zu nennen. Die Verkleinerung der Investmentbank wird wahrscheinlich sowohl einen Stellenabbau als auch eine Verringerung des Portfolios von Vermögenswerten in den Handelsbüchern der Credit Suisse beinhalten. Tausende von Mitarbeitern in New York und London arbeiten in der Investmentbank der Credit Suisse, die laut UBS deutlich kleiner werden soll. Durch die Übernahme der angeschlagenen Investmentbank der Credit Suisse muss die UBS kurzfristig auch mehr Risiken in Kauf nehmen, unter anderem wegen der Rechtskosten.

Der Abbau von Vermögenswerten innerhalb der Investmentbank wird sich als größte Herausforderung für die UBS entpuppen, so Andreas Venditti, Bankanalyst bei der Schweizer Bank Vontobel. Es werde Zeit brauchen. Und die Schnelligkeit, mit der der Deal abgeschlossen werden musste, bedeute, dass die UBS die Bücher ihres Rivalen, einschließlich der Derivateportfolios und anderer Vermögenswerte mit komplexen Merkmalen, nicht gründlich habe prüfen könne.

Die Übernahme des Inlandsgeschäfts der Credit Suisse wird angesichts von Aufwendungen wie Abfindungszahlungen ebenfalls kostspielig. Beide Banken beschäftigen in der Schweiz zusammen mehr als 35.000 Mitarbeiter. Die Angestellten der UBS und Credit Suisse zusammen machen fast die Hälfte der Arbeitsplätze im Bankensektor des Landes aus, so Heinz Gabathuler, Regionalleiter beim Verband der Bankangestellten in der Schweiz. Das Schweizer Bankpersonal genießt bei Umstrukturierungen Schutzmaßnahmen, wie zum Beispiel Vorruhestandszahlungen und lange Kündigungsfristen bei Entlassungen unter bestimmten Umständen. Gabathuler sagte, es sei zu früh, um zu sagen, wie viele Stellen wegfallen würden, aber sein Verband sei bereit, Verhandlungen aufzunehmen. "Wir sind natürlich besorgt, dass dies große Auswirkungen auf die Banken in der Schweiz haben wird, nicht nur auf die Credit Suisse, sondern auch auf die UBS."

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March 21, 2023 04:36 ET (08:36 GMT)