Zürich (awp) - Nach der geplatzten Hochzeit im vergangenen Jahr nehmen UPC und Sunrise erneut einen Anlauf in den Hafen der Ehe. Nur dass diesmal der Heiratsantrag von der anderen Seite herkam als beim letzten Mal.

Jetzt hat UPC-Besitzerin Liberty Global ein Kaufangebot für Sunrise vorgelegt. Der amerikanisch-britische Kabelnetzriese greift dafür tief in die Tasche: Die Sunrise-Aktionäre sollen 5 Milliarden Franken in bar erhalten. Damit wird der zweitgrösste Telekomkonzern der Schweiz inklusive Schulden mit 6,8 Milliarden Franken bewertet, wie beide Unternehmen am Mittwoch in einem Communiqué bekannt gaben.

Im Vorjahr hatte sich die Liaison andersherum abgespielt: Damals wollte Sunrise UPC für 6,3 Milliarden Franken vor den Traualtar führen. Der Deal war aber am Widerstand der Aktionäre unter Führung der deutschen Freenet gescheitert, die vor allem den Kaufpreis und die dazu nötige Kapitalerhöhung als zu hoch kritisiert hatte.

Freenet macht Kasse

Dies dürfte nun nicht mehr passieren. Die Sunrise-Grossaktionärin habe eine unwiderrufliche Verpflichtung unterschrieben, ihren Anteil von 24,42 Prozent an Liberty Global zu veräussern, sagte Freenet-Chef Christoph Vilanek im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP: "Ich habe die grundsätzliche Logik des Deals nie abgelehnt. Ich habe nur die damalige Konstruktion abgelehnt."

Nun ist Vilanek sichtlich zufrieden. Kein Wunder, denn Freenet macht mit dem Verkauf ihres Anteils an gross Kasse: Rechnerisch können die Deutschen einen Gewinn von über 400 Millionen Franken einstreichen.

Liberty Global bietet 110 Franken pro Sunrise-Aktie in bar. Das ist ein Drittel mehr als im Durchschnitt der letzten 60 Tage. Am Vortag war die Aktie bei 86,20 Franken aus dem Börsenhandel gegangen. Nach Ankündigung des Deals schoss die Aktie nun am Mittwoch um gut ein Viertel auf fast die gebotenen 110 Franken hoch.

Kein Widerstand mehr zu erwarten

Analysten bezeichneten die Prämie als hoch. Doch der Stolperstein Freenet ist damit weggeräumt. Und anderer Widerstand ist nicht zu erwarten. Man sei zuversichtlich, dass die Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) grünes Licht geben werde, sagte Liberty Global-Chef Mike Fries in einer Telefonkonferenz.

Ins selbe Horn stiess auch Sunrise-Verwaltungsratspräsident Thomas Meyer: Der Deal sei im Prinzip derselbe wie letztes Jahr. Im vergangenen September hatten die Schweizer Wettbewerbshüter die Genehmigung für den Zusammenschluss von Sunrise und UPC ohne Bedingungen oder Auflagen erteilt. Im November hatte Sunrise dann den Deal wegen der Ablehnung der Aktionäre endgültig begraben. Danach herrschte Funkstille.

Dass UPC und Sunrise aber irgendwann wieder anbandeln würden, war klar. Nur der Zeitpunkt mitten in der Coronapandemie kommt völlig überraschend. Und im Gegensatz zu damals ging es jetzt sehr schnell. Nach weniger als einem Monat Verhandlungen wurde der Vertrag am Vorabend unterschrieben.

Stärkerer Konkurrent für Swisscom

Die industrielle Logik des Deals sei unbestreitbar, sagte Fries. Eine Konsolidierung im Schweizer Markt sei nötig. Gemeinsam würden UPC und Sunrise zu einem potenteren Herausforderer für den Platzhirsch Swisscom. Zusammen werden sie einen Umsatz von 3,1 Milliarden Franken erreichen und haben 2,1 Millionen Mobilfunkabo-Kunden. Mit 1,2 Millionen Breitbandkunden und 1,3 Millionen TV-Abonnenten erreichen sie in jedem Bereich einen Marktanteil von rund 30 Prozent.

Dennoch liegt die Swisscom immer noch weit vorne: Der "blaue Riese" hat über 6 Millionen Mobilfunkkunden, 2 Millionen Breitbandnutzer und fast 1,6 Millionen TV-Abonnenten. In der Schweiz macht die Swisscom einen Nettoumsatz von 9 Milliarden Franken.

Schwachstellen ausbessern

Mit der Fusion flicken Sunrise und UPC ihre jeweiligen Schwachstellen. So erhält Sunrise ein eigenes Festnetz, während UPC nun ein Handynetz bekommt. Mit dem Kabelnetznetz von UPC, das etwa drei Viertel der Schweizer Haushalte erreiche, und den Glasfasernetzpartnern von Sunrise könne man im nächsten Jahr 90 Prozent der Bevölkerung mit Internet von bis zu 1 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) versorgen, schrieb Liberty Global.

Im Laufe der Zeit solle die Geschwindigkeit auf bis zu 10 Gbit/s erhöht werden und damit das selbe Tempo wie das Glasfasernetz der Swisscom erreichen. Umgekehrt stärke das UPC-Kernnetz aus Glasfasern das Mobilfunknetz von Sunrise, hiess es.

Welche TV-Plattform künftig genutzt werde, werde man in den nächsten Monaten diskutieren, sagte Sunrise-Chef André Krause. Sunrise hatte vor kurzem erst den TV-App-Anbieter Wilmaa übernommen. Und laut Krause ist die TV-Box ein Auslaufmodell. Allerdings setzt die UPC-TV-Plattform auf Empfangsboxen. Das seien grosse Investitionen, sagte Krause: Da müsse man sehen, in welcher Geschwindigkeit der Austausch vorgenommen werde.

Vorerst werde Sunrise während der Angebotsfrist, die mit Nachfrist bis fast Ende Oktober dauert, unabhängig von UPC operieren. Für die Kunden werde es in dieser Zeit keine Veränderungen geben, hiess es. Die Transaktion soll bis Ende Jahr abgeschlossen sein.

Ausmass von Stellenabbau unklar

Liberty-Chef Fries rechnet mit jährlichen Synergien von 275 Millionen Franken. Gehoben werden sollen sie etwa bei der IT oder dem Wegfall von Redundanzen nach der Integration. Auch bei den Betriebskosten gebe es Einsparmöglichkeiten.

Wie viele Jobs gestrichen werden, wollte Fries nicht bekannt geben: So weit sei man in der Planung noch nicht. Wer neuer Chef des zusammengelegten Telekomanbieters wird, sei ebenfalls noch nicht entschieden. "Wir wollen ein Managementteam mit den besten Leuten von beiden Seiten", sagte Fries. Krause sagte: "Sunrise ist ein Stück weit mein Baby, das ich ungern alleine lassen würde." Aber der neue Eigentümer Liberty Global entscheide.

Glasfaserbau mit Salt auf Eis

Als Folge der neuen Hochzeitsbemühungen werde die gerade erst beschlossene Kooperation von Sunrise und Salt für den Glasfaserausbau auf Eis gelegt, sagte Sunrise-Verwaltungsratspräsident Meyer. Sunrise und Salt hatten im Mai das Gemeinschaftsunternehmen Swiss Open Fiber gegründet, um in den nächsten fünf bis sieben Jahren 1,5 Millionen neue Glasfaserleitungen in die Haushalte (FTTH) zu legen.

Damit würden über 70 Prozent der Bevölkerung mit den ultraschnellen Datenautobahnen erschlossen. Das wären etwa doppelt so viele wie heute. Beide wollten 3 Milliarden Franken in den Ausbau investieren. Salt-Chef Pascal Grieder, der auch vom Deal überrascht worden war, wollte auf Anfrage keinen Kommentar dazu abgeben. Der Sunrise-Flirt mit Salt dürfte allerdings beendet sein.

jb/uh