(Wochentag geändert)

BERLIN (dpa-AFX) - Das Karlsruher Haushaltsurteil könnte die Bundesfinanzen noch deutlich stärker durcheinanderbringen als zunächst angenommen. Wirtschaftsminister Robert Habeck warnte am Montag vor möglicherweise steigenden Energiepreisen. Der Bundesrechnungshof hält die Bundeshaushalte für dieses und das kommende Jahr "in verfassungsrechtlicher Hinsicht für äußerst problematisch". Das geht aus der Stellungnahme der Behörde für die Sachverständigenanhörung am Dienstag im Haushaltsausschuss des Bundestags hervor. Den Etat für 2024 in der aktuellen Lage zu beschließen, sei riskant.

Der Grünen-Politiker Habeck sagte, seiner Ansicht nach gefährde das Urteil auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), aus dem die Energiepreisbremsen gezahlt werden. "In der Begründung bezieht sich das Urteil, weil es so fundamental gesprochen ist, in der Tat im Grunde auf alle Fonds, die aufgesetzt wurden und die überjährig sind", sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandfunk.

Damit wären auch Mittel betroffen, die in diesem Jahr bereits ausgezahlt wurden. Denn aus dem WSF flossen bis Ende Oktober bereits 31,2 Milliarden Euro. Konkret: 11,1 Milliarden Euro für die Gaspreisbremse und 11,6 Milliarden für die Strompreisbremse, dazu 4,8 Milliarden für eine Erdgas-Soforthilfe und 3,7 Milliarden Euro Zuschüsse für Netzentgelte.

Die Energiepreisbremsen sollten den rasanten Preisanstieg bei Gas und Strom nach dem russischen Angriff auf die Ukraine abmildern. Außerdem waren Hilfen für besonders betroffene Unternehmen vorgesehen. Dafür wurde das vom Kernhaushalt wirtschaftlich unabhängige Sondervermögen mit Krediten in Höhe von 200 Milliarden Euro gefüttert. Ob die Mittel im kommenden Jahr noch zur Verfügung stehen, wird genauso bezweifelt wie, ob das Geld in diesem Jahr überhaupt hätte gezahlt werden dürfen.

Die meisten der von den Fraktionen berufenen Sachverständigen halten Auswirkungen auf das Sondervermögen für die Energiepreisbremsen für denkbar. Sie äußern sich in ihren Stellungnahmen jedoch nicht eindeutig zu den Konsequenzen. Habeck dagegen warnte im Deutschlandfunk: "Sollten wir in eine Krise reingeraten, werden wir die Gas- und die Strompreisbremse nicht mehr ziehen können. Dann werden wir höhere Gas- und Strompreise und Fernwärmepreise haben."

Die Sachverständigen sollen im Haushaltsausschuss am Dienstag eingehend zu ihren Stellungnahmen befragt werden. Zum Haushalt 2024 sind sie unterschiedlicher Meinung. So rät Steuerrechtler Hanno Kube von der Universität Heidelberg in seiner Stellungnahme von einem Beschluss des Haushalt 2024 ab. "Der vorliegende Entwurf des Haushaltsgesetzes 2024 könnte verfassungswidrig sein", schreibt er. Offen sei, ob einzelne Posten aus dem Klima- und Transformationsfonds nun in den Kernhaushalt überführt werden müssten.

Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum dagegen sieht den Kernhaushalt des kommenden Jahres von dem Karlsruher Urteil nicht direkt betroffen. So lange ein Ausgabenstopp im Klima- und Transformationsfonds verhängt werde, könne der Etat verabschiedet werden. Es sei allerdings ein baldiger Nachtragshaushalt wahrscheinlich. Weil offene Fragen zum Urteil realistischerweise nicht bis Jahresende geklärt werden könnten, solle der Etat trotzdem erst einmal beschlossen werden, rät er.

Die oppositionelle Union hatte in Karlsruhe gegen die Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Bundeshaushalt geklagt. Sie waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, sollten dann aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Das Verfassungsgericht erklärte das Manöver der Ampel-Regierung für nichtig: Das Geld steht nun nicht mehr zur Verfügung. Das Urteil könnte nicht nur Folgen für den Umgang mit schuldenfinanzierten Sondervermögen im Bund haben, sondern auch auf die Haushalte der Länder.

Habeck betonte, die Dankesschreiben für möglicherweise höhere Strompreise könnten die Bürgerinnen und Bürger an die Union richten. Diese wies die Schuldzuweisungen zurück. "Einzig das Versagen der Ampel hat Deutschland in diese Lage geführt, das war Verfassungsbruch mit Ansage", sagte Fraktionsvize Jens Spahn. "Diese Regierung hat ihre Finanzen nicht im Griff, sie wirft seit zwei Jahren mit Geld um sich, als gäbe es kein Morgen." Jetzt sei es Aufgabe der Regierung, Prioritäten zu setzen.

Die FDP brachte Kürzungen bei den Sozialausgaben ins Spiel, um das Milliardenloch zu stopfen. Die Ampel-Koalition müsse darüber reden, wo der Sozialstaat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten könne, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr der Funke-Mediengruppe. Steuererhöhungen seien dagegen der falsche Weg, um die Wirtschaft anzukurbeln und den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen. Ausgaben für die Rentenversicherung und die Grundsicherung gehören zu den größten im Bundeshaushalt. Der Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales beträgt mehr als 165 Milliarden Euro - als ein Drittel des Gesamtetats.

SPD-Fraktionsvize Sören Rix lehnte den FDP-Vorstoß ab. "Wenn die FDP jetzt Kürzungen bei den Sozialleistungen ins Spiel bringt, spielt sie nicht nur mit dem Zusammenhalt in der Koalition, sondern gefährdet auch massiv den demokratischen Zusammenhalt in unserem Land."/tam/DP/ngu