Von Rhiannon Hoyle und Julie Steinberg

ADELAIDE/LONDON (Dow Jones)--Angesichts wachsender Nachfrage nach Rohstoffen aus der Kreislaufwirtschaft suchen einige global tätige Bergbauunternehmen inzwischen auf Schrottplätzen nach Materialien, die für die Energiewende benötigt werden. Rio Tinto und Glencore haben in diesem Jahr Verträge für ein verstärktes Recycling kritischer Metalle unterzeichnet. Sie stehen in deutlichem Kontrast zu den Investitionen aus früheren Jahren, bei denen es um den Betrieb riesiger Minen etwa in den USA, in Australien und im Kongo ging.

Die Rohstoffkonzerne setzen darauf, dass Hersteller von Autos und Unterhaltungselektronik zunehmend nachhaltig gewonnene Metalle in der Produktion einsetzen werden. Damit verwandeln sie die potenzielle Bedrohung durch ein immer höheres Angebot an Altmetallen in eine Chance.

Rio Tinto hat im Juli eine 50-prozentige Beteiligung an Matalco vereinbart, einem Lieferanten von recyceltem Aluminium, der sich im Besitz der kanadischen Giampaolo-Gruppe befand. 700 Millionen US-Dollar blätterte Rio Tinto dafür hin. Die gemessen am Marktwert zweitgrößte Bergbaufirma der Welt ist ein bedeutender Produzent von Aluminium, das zur Herstellung von Elektrofahrzeugen, Solarpaneelen und Windturbinen genutzt wird.

Glencore vereinbarte im Mai mit Li-Cycle Holdings, den Bau eines Recyclingzentrums für Batteriematerialien in Europa zu untersuchen. Es solle in der Lage sein, recyceltes Lithium, Kobalt und Nickel für Lithium-Ionen-Batterien mit einer Gesamterzeugungsleistung von bis zu 36 Gigawatt jährlich zu liefern. Das wäre nach Angaben beider Partner dann die größte Quelle für die genannten Rohstoffe in Batteriequalität auf dem Kontinent.

Der Rohstoffsektor kämpft gegen die Wahrnehmung von Anleger, wonach Bergbau problematisch ist und die Umwelt bedroht, auch weil er zum Klimawandel beiträgt. Tatsächlich erschwert die bisherige Bilanz der Branche im Hinblick auf Emissionen, Abfall und Abholzung von Wäldern inzwischen die Bemühungen, neue Projekte genehmigt zu bekommen und qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen. "Beim Recycling wird weniger Energie verbraucht, und es hat weniger negative Auswirkungen auf die Natur", sagte Rio-Tinto-CEO Jakob Stausholm. "Deshalb denke ich, dass wir es überall dort versuchen sollten, wo wir das tun können."

Die Leute aus dem Bergbau-Sektor sehen auch Chancen für Gewinne. Nach Jahrzehnten der Industrialisierung in China dürfte mehr Altmetall anfallen als je zuvor, das sich recyceln und anschließend verkaufen lässt.


 Recycling-Anlagen kosten weniger als solche für die Primärerzeugung 

Die Kosten für den Bau einer Anlage zur Verarbeitung von Aluminiumschrott betragen in der Regel ein Zehntel dessen, was der Bau einer Anlage zur Erzeugung neuen Aluminiums verschlingt, sagen die Berater von Wood Mackenzie aus Großbritannien.

In einigen Ländern hat sich die Politik ehrgeizige Ziele für das Rohstoffrecycling gesetzt. Die EU-Kommission etwa will bei einigen kritischen Rohstoffe mindestens 15 Prozent des Bedarfs aus eigenen Recycling-Quellen decken können. "Wenn wir uns nicht ums Recycling bemühen, wird uns das Recycling in Zukunft kannibalisieren", glaubt Stausholm. Die Welt setze immer mehr auf Kreislaufwirtschaft. Wood Mackenzie schätzt, dass im Jahr 2050 weltweit 42 Prozent des benötigten Aluminiums aus Schrott gewonnen werden, verglichen mit 26 Prozent im Jahr 2022. Bei Lithium könnte der Recycling-Anteil dann 39 Prozent des Marktes ausmachen, gegenüber 2 Prozent im Vorjahr.

Einige Manager sagen bereits, dass die großen westlichen Bergbauunternehmen in irgendeiner Form in die Beschaffung von Schrott einsteigen müssten, um auf Dauer relevant zu bleiben. Einige verweisen aber auch noch auf die Nachteile. So seien die Margen üblicherweise im Recycling geringer als beim Betrieb großer Bergbauminen.

Aus Sicht der BHP Group, gemessen am Marktwert das weltweit führende Bergbauunternehmen, kann Metall-Recycling weder bei Volumen noch Ertrag mit dem bisherigen Kerngeschäft mithalten. Auch sind andere Fähigkeiten gefragt, als die, die BHP mit dem Abbau von Rohstoffen wie Eisenerz und Kohle im australischen Outback perfektioniert hat. "Tatsache ist, dass es nicht so einfach ist, wie alle denken", warnte auch Anglo-American-CEO Duncan Wanblad, der im Recycling-Geschäft nach Partnern sucht. "Es ist nicht so, dass man einfach eine Hütte oder Raffinerie, die man schon hat, einfach mit Schrott versorgen kann", sagte er.

Viele Kunden benötigen auch Neumetall. Aus Schrott hergestelltes Aluminium etwa kann erhebliche Verunreinigungen aufweisen. Es erfüllt nicht die Standards in Teilen der Luft- und Raumfahrtbranche, bei Elektronikprodukten oder bei Rüstungsgerät. Auch könne Recycling allein die für die globale Energiewende prognostizierte Nachfrage nicht decken, sagen Bergbau-Experten. Für Elektroautos und die Infrastruktur zu erneuerbaren Energien wird ein Vielfaches mehr an Kupfer benötigt als dies bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor oder Kohlekraftwerken der Fall ist.


 Recycling ist umweltfreundlich mit relativ niedrigem CO2-Fußabdruck 

Die Internationale Energieagentur (IEA) kam in einer Studie zu Lieferketten für Elektroautobatterien 2022 zu dem Ergebnis, dass bis 2030 weitere 50 durchschnittliche Lithiumminen, 60 Nickelminen und 17 Kobaltminen nötig sind, um die Klimaziele zu erreichen.

Aber die Erschließung einer Mine braucht Zeit - laut IEA durchschnittlich 16 Jahre. Überdies sinken mit recyceltem Metall die CO2-Emissionen. Laut Wood Mackenzie lässt sich recyceltes Aluminium mit einem 5- bis 25-mal geringeren CO2-Ausstoß herstellen als Neumetall. "Recycling wird den Bergbau nicht vollständig ersetzen können, das versteht sich von selbst", erläutert Emmanuel Katrakis, Generalsekretär des Branchenverbandes European Recycling Industries' Confederation. "Dennoch ist Recycling unerlässlich, um das Risiko von Lieferketten zu verringern und die Nachhaltigkeit von Rohstoffen voranzutreiben, seien es unedle oder kritische Metalle."

Bei den beschriebenen jüngsten Verträgen der Branche handelt es sich um Partnerschaften mit Unternehmen, die Erfahrung im Sammeln von Schrott haben. Beim sogenannten Urban Mining fehlt den Bergbau-Spezialisten von Rio Tinto das nötige Fachwissen.

Einige Bergbaufirmen haben bereits ein Standbein im Recycling. Im Fall von Glencore, seit Jahrzehnten ein großer Akteur in der Wiederverwertung von Metallen, zeigt die Vereinbarung mit Li-Cycle, wie sich das Unternehmen für die Energiewende positioniert. Sein Recyclinggeschäft trägt derzeit zwischen 200 und 250 Millionen Dollar oder weniger als 1 Prozent zum Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) bei. Führungskräfte gehen davon aus, dass der Anteil binnen fünf Jahren auf ein Vielfaches steigen wird.

Aus Sicht von Mark Cutifani, Chef für das Basismetallgeschäft beim brasilianischen Bergbauunternehmen Vale, hat sich bereits die Selbsteinschätzung der Branche über ihre Rolle bei der Energiewende und einer sogenannten Kreislaufwirtschaft verändert. Bis zu 200 Millionen Dollar jährlich gibt seine Sparte für den Kauf von Schrott zum Recycling aus.

Bevor Cutifani 2022 nach fast zehnjähriger Amtszeit als CEO bei Anglo American ausstieg, schrieb er im Wall Street Journal, der Bergbau müsse sich vermehrt damit auseinandersetzen ein Materiallieferant zu sein und nicht nur über das Schürfen von Rohstoffen reden. "Sind Sie ein Postkutschenunternehmen", fragte er, "oder sind Sie im Transportwesen tätig?"

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August 23, 2023 05:05 ET (09:05 GMT)