Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--Renaults Plan für eine Abspaltung seines Elektroauto-Segments erhält tendenziell die größte Aufmerksamkeit. Aber die Verselbständigung des Verbrennungsmotorengeschäfts des französischen Automobilherstellers könnte in absehbarer Zeit mehr Wert für die Aktionäre schaffen. Es handelt sich um ein Exemple par Excellence über den Wandel eines Unternehmens, das es wert ist, beobachtet zu werden, da Ford sich zögerlich auf einen ähnlichen Weg begibt.

Zuletzt präsentierte Renault einen vollständigen Bericht über einen radikalen Umbau, der seit Monaten im Gange ist. Das Unternehmen gliedert sein Elektroautogeschäft aus, um je nach Marktlage in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres einen Börsengang eines Minderheitsanteils umsetzen zu können. Außerdem wird in Zusammenarbeit mit dem chinesischen Automobilinvestor Geely ein neues Unternehmen für Verbrenner-Antriebsstränge gegründet. Zwischen beiden Extremen liegt das Kerngeschäft von Renault. Das ist die Herstellung und Finanzierung traditioneller Fahrzeuge in Europa und in den Schwellenländern, die das Unternehmen im Rahmen einer neuen Berichtsstruktur vollständig kontrolliert.

Das Antriebsstrang-Unternehmen hat seine Wurzeln in der Geely-Tochter Volvo Car, die bei den Vorbereitungen auf den Börsengang im vergangenen Jahr eine Mehrheitsbeteiligung an ihrem Motoren- und Getriebegeschäft an ihre Muttergesellschaft verkaufte. Volvo teilte zuletzt mit, dass es seinen verbleibenden Anteil von einem Drittel zurück an Geely verkaufen wird. Gleichzeitig kündigte Renault den geplanten Zusammenschluss seiner eigenen Getriebeaktivitäten mit denen von Volvo und Geely an, um einen Verbrennungsmotor-Zulieferer mit bedeutender Größe zu schaffen. Das neue paritätische Gemeinschaftsunternehmen wird, wenn es zustande kommt, eine jährliche Produktionskapazität von etwa fünf Millionen Motoren und einen Umsatz von 15 Milliarden Euro haben.


   Stellantis als leuchtendes Vorbild 

Renault will das Geschäft im Rahmen eines Projekts, das es Anspielung auf die ursprüngliche Transporttechnologie "Pferd" nennt, entkonsolidieren. Entscheidend ist jedoch, dass das Unternehmen klargestellt hat, dass das "Pferd" in Wirklichkeit eine Cash Cow ist, die für Synergien und Dividenden gemolken werden kann. Bei der Transaktion mit Geely geht es also nicht nur darum, sich von "gestrandeten" Vermögenswerten zu trennen, die dem Verfall preisgegeben sind. Es dreht sich primär darum, die Art von Größenvorteilen zu erzielen, die sich in der langjährigen Allianz mit dem japanischen Konkurrenten Nissan als schwer erreichbar erwiesen haben.

Das Bedürfnis von Renault nach mehr Größe ist immer deutlicher geworden. Sein heimischer Konkurrent Peugeot hat durch Fusionen zunächst mit dem Europageschäft von General Motors und dann mit Fiat Chrysler einen überraschend profitablen globalen Giganten geschaffen, das heutige Stellantis. Dies geschah, nachdem die französische Regierung den eigenen Fusionsplan von Renault mit dem italienisch-US-amerikanischen Unternehmen im Jahr 2019 torpediert hatte. Der turbulente Abgang von CEO Carlos Ghosn, einschließlich dessen vorübergehender Inhaftierung in Japan, stürzte Renault in eine Krise, die unter dem neuen Chef Luca de Meo ein neues Denken ausgelöst hat. So ist der Plan zur Ausgliederung und Konsolidierung des Antriebsstrangs ein Weg, um Größenvorteile zu erzielen, ohne die politischen Kopfschmerzen einer vollständigen Fusion.


   Ford weist künftig Verbrenner und E-Mobilität getrennt aus 

Die Gründe für Renaults E-Auto-Börsengang sind in einem Markt, der sich von kapitalintensiven Tech-Unternehmen abgewandt hat, nicht so klar. Wie Nissan hat auch Renault unter Ghosn früher als die meisten anderen Autohersteller Elektrofahrzeuge entwickelt, hat aber Mühe, mit der sich schnell entwickelnden Technologie Schritt zu halten. Eine noch offene Frage lautet, inwieweit Nissan in das Unternehmen mit dem Namen Ampere investieren sowie sich daran beteiligen wird und zu welchem Preis. Die beiden Unternehmen stehen noch in Verhandlungen, wobei eine Einigung in den kommenden Wochen erwartet wird. Wie auch immer die Bewertung von Ampere ausfallen wird, sie wird der Renault-Aktie, die oft unter dem Wert der Nissan-Beteiligung gehandelt wurde, wahrscheinlich kaum auf die Sprünge helfen.

In der Zwischenzeit dürfte Ford sein E-Mobilitäts- und Verbrenner-Geschäft in seiner Gewinn- und Verlustrechnung ab dem nächsten Jahr getrennt ausweisen. Dieser Plan hat Spekulationen über die Möglichkeit einer umfassenderen Ausgliederung oder eines Börsengangs losgetreten, auch wenn das Unternehmen klarstellt, dass dies nicht in Frage kommt.

Eine erste Erkenntnis aus Renaults Projekt könnte sein, dass Verbrenner-Auto-Strategien beim technologischen Wandel in der Branche ebenso wichtig sind wie E-Auto-Strategien. Im Moment produziert Ford in Nordamerika noch Verbrenner-Fahrzeuge in ausreichendem Umfang, aber aus dem Zusammenschluss von Geely und Renault könnte das Unternehmen unmittelbare Lehren für seine Partnerschaft mit Volkswagen in Europa ziehen. Die Investoren haben immer noch keine Vorstellung davon, wie traditionelle Autohersteller mit E-Fahrzeugen Geld verdienen werden. Der Zusammenschluss ausgereifter Industrieunternehmen ist hingegen eine Strategie zum Geldverdienen, die bereits auf Herz und Nieren geprüft wurde.

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November 10, 2022 04:02 ET (09:02 GMT)