STUTTGART (dpa-AFX) - Der Auto- und Lastwagenbauer Daimler stand auch ohne die Coronavirus-Pandemie schon vor schweren Aufgaben. Doch nun muss der seit knapp einem Jahr amtierende Vorstandschef Ola Källenius gleich alle Register ziehen: das Geld im Konzern halten, die Produktion und den Vertrieb wieder hochfahren, Elektroautos auf die Straße bringen, die Kosten senken mit einem großen Stellenabbau - und nicht zuletzt die Dieselaffäre endlich ad acta legen. Was das Unternehmen vor sich hat, was die Analysten sagen und wie die Aktie zuletzt gelaufen ist, bevor Daimler an diesem Mittwoch (29. April) die Details zum ersten Quartal vorlegt.

DAS IST BEIM DAIMLER LOS:

Lange warteten Anleger und Mitarbeiter auf den Plan des Schweden, wie er nach der Ära von Dieter Zetsche den Traditionskonzern wieder auf Kurs bringen wollte. Im November präsentierte Källenius dann seine Strategie: Die zu hohen Kosten runter, die Modellpalette straffen, Investitionen kappen. Mehr als Zehntausend Jobs werden gestrichen, darunter jede zehnte Stelle in den Führungsebenen. Die Personalkosten sollen bis Ende 2022 so um 1,4 Milliarden Euro sinken. Auch die Materialkosten sollen runter, die allein in der Pkw- und Van-Sparte 45 Milliarden Euro im Jahr verschlingen.

Das war der Plan. Und schon in diesem hatte Källenius hohe Kosten veranschlagt, für den Stellenabbau insgesamt rund 2 Milliarden Euro, davon rund 1,2 Milliarden in diesem Jahr. Hohe Kosten auch für Elektroantriebe und die Verminderung des CO2-Ausstoßes, weil die EU den Emissionen des klimaschädlichen Abgases ab diesem Jahr engere Grenzen setzt. Erst 2022 würde Daimler bei Mercedes-Benz Pkw und den Vans wieder eine Umsatzrendite vor Zinsen und Steuern von 6 Prozent schaffen. Das ist im Branchenvergleich nicht gerade üppig - und wird schon gar nicht dem Anspruch der Stuttgarter an sich selbst gerecht.

Nun aber ist die Welt noch einmal eine ganz andere. Die Coronavirus-Pandemie hatte zuerst die Autoproduktion und den Verkauf in China zeitweise lahmgelegt, jetzt versucht sich der Konzern auch in Europa und Nordamerika wieder aus dem Stillstand zu befreien und die Werke hochzufahren. Die Krise ging schon im ersten Quartal gewaltig ins Geld, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern rutschte laut vorläufigen Zahlen um fast vier Fünftel auf nur noch 617 Millionen Euro ab. Da ist durchaus fraglich, ob nach Zinsen und Steuern unter dem Strich noch schwarze Zahlen stehen.

Jetzt kommt es auf Steherqualitäten an, vor allem auch im wahrscheinlich noch stärler betroffenen zweiten Quartal. Der April dürfte nahezu ein komplett verlorener Monat sein. Und niemand weiß, wie schnell die Kunden wieder Autos kaufen, nachdem die Autohäuser in Deutschland und anderswo ihre Verkaufsräume wieder öffnen. Vorsichtshalber hat Finanzchef Harald Wilhelm Anfang April mit Banken eine zusätzliche Kreditlinie über 12 Milliarden Euro vereinbart, um den Laden am Laufen zu halten.

Ob der Staat womöglich eine Kaufprämie auslobt, um die Geschäfte in der für die Volkswirtschaft wichtigen Industrie wieder anzuschubsen, könnte sich am 5. Mai beim Autogipfel bei Kanzlerin Angela Merkel zeigen. Wichtige Branchenvertreter haben sich bereits dafür ausgesprochen, darunter Schwergewicht Volkswagen, Rivale BMW und auch der Lobbyverband VDA. Vorbild wäre demnach die Abwrackprämie aus Zeiten der Finanzkrise. Aber auch eine Mehrwertsteuersenkung ist Experten zufolge denkbar. Streit droht um die konkreten Bedingungen: Sollen auch Verbrenner bezuschusst werden, wenn doch vor allem Elektroautos für sinkende CO2-Emissionen sorgen sollen?

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Sieben im dpa-AFX-Analyser erfasste Experten haben sich seit der Vorlage der vorläufigen Quartalszahlen mit der Aktie befasst. Vier Experten raten zum Halten der Papiere, zwei zum Kauf und eine Stimme empfiehlt den Verkauf. ihr durchschnittliches Kursziel beläuft sich auf 31 Euro, beim aktuellen Kurs von knapp 29 Euro.

Tim Rokossa von der Deutschen Bank wertete die Ergebnisse als schwach, wenn auch besser als diejenigen der Konkurrenten Renault und Ford. Auch wenn einige Fragen offenblieben, es hätte Daimler auch schlimmer treffen können, so der Experte. UBS-Analyst Patrick Hummel schätzte, dass die Markterwartungen für den Autobauer für dieses Jahr noch nachgeben dürften. Beide Experten geben der Aktie ein "Halten"-Votum.

Vor allem der Bereich Finanzdienstleistungen habe sich wegen der Vorsorge für Kreditrisiken negativ entwickelt, schrieb Analyst George Galliers von Goldman Sachs in einer Einschätzung. Besser sei die Entwicklung bei Mercedes gewesen. Galliers ist skeptisch bei der Aktie und empfiehlt den Verkauf.

Eine gute Nachricht sah Kepler-Cheuvreux-Experte Michael Raab in der Entwicklung der Kassenlage. Die Corona-Krise scheine sich stärker auf die Gewinne als auf den freien Mittelfluss (Free Cashflow) ausgewirkt zu haben, schrieb er. Raab rät zum Kauf der Daimler-Titel-

SO LIEF DER AKTIENKURS VON DAIMLER ZULETZT:

Vor rund fünf Jahren notierte die Daimler-Aktie auf ihrem Rekordhoch noch bei über 96 Euro. Daran dürften die vielen Aktionäre mit Wehmut zurückdenken, ging es doch seitdem um rund 70 Prozent abwärts. Allein in diesem Jahr ging es rasant bergab, von rund 50 Euro zu Jahresanfang stürzte das Papier in der Corona-Krise bis auf unter die Hälfte ab bei etwas mehr als 21 Euro.

Vor dem 24. Februar, als die Pandemie die Aktienmärkte erstmals mit voller Wucht erfasste, lag der Kurs noch über 42 Euro. Zuletzt hat sich das Papier etwas unter 30 Euro stabilisiert. Im Corona-Crash steht damit aber immer noch ein Kursrutsch von knapp einem Drittel zu Buche. Beim Rivalen BMW sind es nur rund 21 Prozent Minus.

Daimler ist an der Börse derzeit 31 Milliarden Euro wert. Zusammen mit Volkswagen (64 Mrd Euro) und BMW (33 Mrd) kommen die deutschen Autokonzerne auf 128 Milliarden Euro Marktkapitalisierung. Zum Vergleich: Der US-Elektroautopionier Tesla bringt es derzeit auf 147 Milliarden US-Dollar oder umgerechnet rund 136 Milliarden Euro - und damit mehr als die drei großen deutschen Autobauer zusammen./men/mis/zb