München (Reuters) - Der Name erinnert an Erfolge in der Vergangenheit, das Auto soll BMW in die erste Liga in der Elektromobilität befördern. Mit der "Neuen Klasse" stellen die Münchner erstmals eine eigene Plattform für Elektroautos vor. Die Fahrzeuge kommen im Segment des Bestsellers Dreier - und greifen damit Marktführer Tesla in der wichtigsten Fahrzeugklasse an.

Das Visionsfahrzeug, das BMW am Samstag im Vorfeld der Automesse IAA vorstellte, verfügt über ein "Head-up"-Display über die gesamte Windschutzscheibe, über das der Fahrer alle nötigen Informationen erhält, und erinnert mit Designelementen wie dem Hofmeister-Knick an die Fahrzeuge, die in den frühen 60er Jahren als "Neue Klasse" aufgelegt wurden. "Wir wollen diese Fahrzeuggeneration so modern machen, dass es aussieht, als ob wir eine Generation übersprungen haben", sagte BMW-Chefdesigner Adrian van Hooydonk. "Das ist nötig, weil die neuen Spieler auf den Markt kommen."

Dabei meint er nicht nur den Elektroauto-Pionier Tesla, der inzwischen beim Absatz auf zwei Millionen verkaufte Fahrzeuge zusteuert und damit nicht mehr weit entfernt von BMW ist. Für Aufsehen bei der IAA sorgen dürften chinesische Anbieter wie Nio oder die Volvo-Tochter Polestar, die im gehobenen Segment angreifen. Zum Preis hat sich BMW nicht geäußert. BMW-Chef Oliver Zipse sprach allerdings von einem "sehr wettbewerbsfähigen Angebot" und betonte: "Wir werden uns nicht aus diesem Markt rauspreisen".

GRÖSSTE INVESTITION IN BMW-GESCHICHTE

In China - dem weltweit wichtigsten Automarkt - haben inzwischen heimische Anbieter die westliche Konkurrenz abgehängt, vor allem mit günstigen Angeboten. Neben dem Preis zählt dort vor allem die Software des Autos bei den Kunden. Wie viel Geld sich BMW die Entwicklung der "Neue Klasse" kosten lässt, sagen die Münchner nicht. Es dürften aber Milliardenbeträge sein. "Die Neue Klasse ist mit Abstand die größte Investition in unserer Geschichte", sagte Entwicklungsvorstand Frank Weber im Vorfeld der Messe. "Weil die Technologie in allen Bereichen neu ist, ohne Ausnahme."

Dabei gehörte BMW vor einem Jahrzehnt zu den Vorreitern in der Elektromobilität. Doch der Kleinwagen i3 wurde nie in großen Stückzahlen verkauft und 2022 schließlich vom Markt genommen. Zudem entstand nach der Einführung des i3 2013 eine Lücke, neue Fahrzeuge waren jahrelang Mangelware. In der Zeit besetzte Tesla das Thema für sich. 13 Jahre nach dem Start des Model S von Tesla soll die "Neue Klasse" im neuen BMW-Werk im ungarischen Debrecen vom Band laufen.

Viele technische Details hat BMW bereits in den vergangenen Jahren vorgestellt - wie die runden Batteriezellen im Tesla-Format, Sie sollen als strukturelle Batterie direkt in den Fahrzeugboden eingebaut werden, was Platz und Produktionskosten spart. Für Milliardenbeträge sollen dabei in oder in der Nähe der BMW-Werke Batteriemontagefabriken entstehen. Die Zellen selbst kaufen die Münchner zu.

Bei der Software setze BMW auf vier "Superhirne", über die der Antrieb, die Fahrassistenzsysteme, Navigation und andere Funktionen gesteuert werden, sagte Weber. BMW entwickelt das Fahrassistenzsystem zusammen mit dem Halbleiterhersteller Qualcomm, die Steuerung für den Antrieb kommt aus dem Haus selbst.

BMW werde für Elektrofahrzeuge weniger Bauteile verwenden, sagte Chefdesigner van Hooydonk, und mehr Teile sollen aus einem Werkstoff entsthen. Die Autos sollten reparaturfreundlicher sein. Tesla setzt in seinen Fabriken auf sogenannte Gigapressen, in denen große Teile der Karosserie aus einem Stück gefertigt werden - was die Produktion deutlich günstiger macht, weil viele Arbeitsschritte entfallen. Kritiker verweisen allerdings darauf, dass es so kaum möglich ist, kleine Schäden günstig zu reparieren.

Und doch macht die "Neue Klasse" bei BMW den Verbrenner nicht obsolet. Zipse lehnt es ab, Verbrennertechnologie mit einem Enddatum zu versehen, anders als etwa Mercedes oder Audi. Entsprechend würden weiter neue Fahrzeuge entwickelt. "Es wird keine zwei-Klassen-Gesellschaft geben. Wir werden noch sehr lange eine Technologie-Offenheit haben", betonte er.

(Unter Mitarbeit von Alexander Hübner und Christina Amann, redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

- von Joseph White