Von Rhiannon Hoyle

SYDNEY (Dow Jones)--Einer der heißesten Rohstoffe dieses Jahres ist ins Kühlbecken abgetaucht. Der Preis für Eisenerz ist seit Mitte Juli um etwa 40 Prozent gefallen, da die Nachfrage aus China, das mehr als die Hälfte des weltweiten Stahls herstellt, Anlass zur Sorge gibt. Der Abschwung hat den Erzeugerländern, insbesondere Australien und Brasilien, einen Schlag versetzt - zu einem Zeitpunkt, da sie darum kämpfen, die fragile wirtschaftliche Erholung vor dem Ausbruch der hoch ansteckenden Delta-Variante des Coronavirus zu schützen.

Laut S&P Global Platts, das die Preise täglich veröffentlicht, fiel der Referenzpreis vergangenen Donnerstag auf 130,20 US-Dollar pro Tonne, nachdem er innerhalb eines Tages um 15 Prozent auf den niedrigsten Stand seit November 2020 gesunken war. Der Rohstoff, der erst im Mai einen Rekordwert von über 233 Dollar pro Tonne erreicht hatte, erholte sich am Freitag leicht auf 139,10 Dollar pro Tonne.

Andere Rohstoffpreise wie Öl und Kupfer sind aufgrund von Befürchtungen, dass steigende Covid-19-Fälle den weltweiten Aufschwung behindern könnten, gefallen, allerdings nicht in einem so rasanten Tempo. Morgan Stanley zufolge ist Eisenerz seit der Einführung von Spotpreisen für diesen Rohstoff vor etwa 13 Jahren noch nie so schnell und so tief gefallen.

Der rasche Rückgang beim Eisenerz signalisiert ein Ende der aufgeblähten Gewinnspannen, die die Gewinne und Dividenden der Bergbauunternehmen auf Rekordhöhe getrieben haben. Anleger setzen in der Regel auf Eisenerz, indem sie Aktien der Unternehmen kaufen, die es fördern.

Eisenerz ist der größte Geldbringer für BHP und Rio Tinto, die nach Marktwert größten Bergbauunternehmen der Welt. BHP erklärte in diesem Monat, das Unternehmen gehe davon aus, dass sich die Nachfrage Chinas nach Eisenerz mittelfristig abschwächen werde, da ein Plateau bei der chinesischen Rohstahlproduktion und ein Anstieg bei der Verwendung von Schrott zur Stahlherstellung prognostiziert wird.

Der Preiseinbruch birgt die Gefahr, dass die Gewinne einer Reihe von neuen Eisenerzunternehmen, die durch den jüngsten Preisanstieg ermutigt wurden, neue Projekte zu starten, in den Keller fallen.

Eisenerz war lange Zeit völlig außer Mode bei Investoren. Der Markt wurde von einer Handvoll Produzenten beherrscht, darunter BHP und Rio Tinto, die das Erz auf der Grundlage von Einjahresverträgen direkt an Stahlwerke verkauften. Diese Preise wurden in jährlichen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen ausgehandelt und gaben den Ton für den Rest des Marktes an.

Als der Appetit Chinas wuchs und die Stahlhersteller mehr Erz benötigten als die größten Produzenten liefern konnten, brach dieses System zusammen. Im Jahr 2008 begannen Unternehmen damit, Spotpreise auf der Grundlage von Erhebungen der weltweit gehandelten physischen Ladungen zu ermitteln, und schließlich wurde ein Terminmarkt für Eisenerz geschaffen.


   Schnelle Korrektur beim Eisenerzpreis überrascht 

Obwohl Eisenerz nach Rohöl der weltweit am zweithäufigsten gehandelte Rohstoff ist, sind die Preise in der Regel unbeständiger als auf etablierteren Märkten wie Öl und Kupfer.

"Eine Korrektur des unhaltbar hohen Eisenerzpreises wurde von uns und dem Markt weithin erwartet, aber trotz der volatilen Boom-Bust-Geschichte von Eisenerz sind wir etwas überrascht, wie schnell dies geschieht", so Morgan Stanley in einer kürzlich veröffentlichten Kundenmitteilung.

Die Erwartung, dass Chinas Stahlproduktion schrumpfen wird, treibt den Rückgang voran. China, das bis vor kurzem Stahl in Rekordmengen produzierte, will in diesem Jahr die Stahlproduktion auf dem Niveau von 2020 halten. "Das erfordert starke Kürzungen der Stahlproduktion für den Rest des Jahres", sagte Rohan Kendall, ein in Australien ansässiger Analyst des Beratungsunternehmens Wood Mackenzie.

Offiziellen Daten zufolge war die Stahlproduktion im Juli um 8,4 Prozent schwächer als ein Jahr zuvor und lag damit erstmals im Jahr 2021 unter dem Niveau von 2020. Dennoch müsste die Produktion von August bis Dezember im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um etwa 12 Prozent sinken, um Pekings Ziel zu erreichen, so die Commonwealth Bank of Australia.

Jüngste Daten deuten auch darauf hin, dass Chinas wirtschaftliche Erholung nachlässt. Die monatlichen Indikatoren für die Industrie-, Konsum- und Investitionstätigkeit sind alle hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

China spricht schon seit einiger Zeit davon, die Stahlproduktion einzuschränken, um die Kohlenstoffemissionen zu senken. Auf den Stahlsektor Chinas entfallen etwa 15 Prozent des Kohlenstoffausstoßes des Landes.

Das Problem in diesem Jahr ist, dass die hohen Stahlpreise und die hohe Nachfrage in Verbindung mit den pandemiebedingten Impulsen den Stahlwerken den Anreiz gegeben haben, so viel Stahl wie möglich zu produzieren, so Kendall.

"Aber Chinas Stahlnachfrage wird nicht ewig steigen - sie könnte ihren Höhepunkt bereits erreicht haben - und die Regierung versucht, den Übergang vom Wachstum zu einer Zukunft zu schaffen, in der die Nachfrage stagniert oder sogar langsam zurückgeht", sagte er.

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August 23, 2021 09:46 ET (13:46 GMT)