FRANKFURT (dpa-AFX) - Angesichts einer eher datenarmen Konjunkturagenda dürften in der kommenden Börsenwoche wohl ein weiteres Mal die Notenbanken das Spiel bestimmen. Problemthemen wie das Coronavirus, der US-Wahlkampf, die Brexit-Verhandlungen oder der Handelsstreit zwischen den USA und China rücken dabei aus Sicht von Börsianern zumindest vorerst etwas an den Rand.

Am Donnerstag gibt die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins-Entscheid bekannt. Einige Experten halten es für möglich, dass die Währungshüter der Eurozone ihren Kollegen in den USA folgen könnten, die künftig neue Wege bei ihrem Inflationsziel beschreiten wollen.

US-Chefwährungshüter Jerome Powell hatte auf dem jährlichen Notenbankertreffen Ende August erklärt, dass die Fed künftig mehr Flexibilität bei ihrem bislang manifestierten Inflationsziel walten lassen will. Demnach will die US-Notenbank vorübergehend eine höhere Inflation gestatten, wenn die Zielmarke von zwei Prozent zuvor für längere Zeit unterschritten wurde. Diese Ankündigung war an den Aktien- und Finanzmärkten als starkes Zeichen einer dauerhaft lockeren Geldpolitik gewertet worden.

EZB-Chefökonom Philip Lane hatte wiederum Spekulationen befördert, eine weitere geldpolitische Lockerung auch in Europa könnte auf dem Tisch liegen, als er die Wirkung der bisherigen Maßnahmen auf die kurzfristigen Zinsen als unzureichend bezeichnete.

Bereits dem Strategiewechsel der US-Notenbank Fed sei es zuzuschreiben gewesen, dass die US-Börsen zuletzt einen kräftigen Schub erfahren hatten, konstatierte Expertin Claudia Windt von der Hessischen Landesbank (Helaba). Mit Unterstützung der EZB könne der Dax nun womöglich die 13 000 Punkte wieder ausbauen, um die er zuletzt kämpfen musste, glaubt die Helaba-Expertin.

So war der deutsche Leitindex in der vergangenen Woche zwar bei 13 460 Punkten auf ein neues Hoch seit dem Februar-Rekord vor dem Corona-Crash geklettert. Danach war er aber wieder deutlich zurückgefallen.

Ob die Fed nun auch der EZB als Vorbild dient und so den Märkten neue Impulse geben kann, darüber wird indes gestritten: Helaba-Experte Ulf Krauss sieht die EZB keineswegs unter akutem Handlungsdruck: "Wenn sich der EZB-Rat nach der Sommerpause wieder trifft, wird vermutlich beschlossen, die weiteren Entwicklungen abzuwarten. Mit Entwicklungen sind dabei der Verlauf der Pandemie, Konjunktur und Inflation sowie die Bewegungen an den Finanzmärkten gemeint."

Robert Halver von der Baader Bank ist sich hingegen sicher, dass die EZB den "Fed'schen Modesti" adaptieren wird. "Die Création eines symmetrischen Inflationsziels muss her, das ebenso im Durchschnitt nur zwei Prozent beträgt", schrieb der Marktexperte.

Doch vorerst steht den Optimisten an der Börse in der kommenden Woche wohl ein noch echter Stimmungstest bevor, glaubt Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank. Er verweist auf die bereits zuletzt stark gestiegenen Schwankungen an den Börsen sowie das jähe Ende der Rally bei US-Technologieaktien wie Tesla, Apple & Co, wo angesichts ultrahoher Bewertungen zuletzt Katerstimmung eingesetzt hatte.

So sei ein Rückschlag bei den Kursen zwar möglich, ein Trendwechsel bei Aktien jedoch nicht abzusehen, so Schickentanz. "Wir gehen von einer Dominanz der 'Schnäppchenjäger' aus, die durch die guten Wirtschaftsdaten und ein insgesamt positiveres Bild zur Corona-Pandemie gestützt werden." Hinzu komme die immer wieder neu geschürte Hoffnung auf Fortschritte bei Corona-Impfstoffen.

Derweil hat die Konjunkturagenda abseits der EZB Anlegern nur wenig zu bieten. Produktionsdaten aus Deutschland am Montag dürften Aufschluss geben, inwieweit sich die Industrie hierzulande weiter von der Corona-Krise erholt. Am selben Tag veröffentlicht China seine Handelsbilanz für August. Am Donnerstag stehen dann neben der Pressekonferenz der EZB der US-Arbeitsmarkt mit den wöchentlichen Arbeitslosenerstanträge im Fokus.

Auf Unternehmensseite stehen am Mittwoch die detaillierten Kennziffern von Dermapharm und am Donnerstag diejenigen von Knorr-Bremse an. Zudem ist für Donnerstag die Verkündung im jahrelangen Gerichtsstreit zwischen Autobauer Daimler und dem Zuliefer Prevent geplant./tav/stw/jha/

--- Von Tanja Vedder, dpa-AFX