Wackeliges Fundament, Kommentar zum Wahlerfolg von Sanchez in Spanien
von Thilo Schäfer
Frankfurt (ots) - Die gute Nachricht zuerst: Spanien hat nach zehn Monaten und 
zwei Parlamentswahlen wieder eine voll handlungsfähige Regierung, die Reformen, 
andere Initiativen und einen neuen Haushalt anpacken kann. Genau genommen 
herrscht hinter den Pyrenäen bereits seit gut vier Jahren politischer 
Stillstand, obwohl dieser freilich die robuste konjunkturelle Entwicklung nicht 
merklich beeinflusst hat. Die schlechte Nachricht ist jedoch, dass die 
Minderheitsregierung des Sozialisten Pedro Sánchez mit den Linken von Unidas 
Podemos auf wackeligem Fundament steht.

Vor allem die Abhängigkeit von den Stimmen der katalanischen Separatisten der 
ERC könnte in Zukunft Kopfschmerzen bereiten. Sánchez hat mit der ERC bilaterale
Verhandlungen zur Lösung des territorialen Konflikts in Katalonien, wo knapp die
Hälfte der Gesellschaft die Unabhängigkeit befürwortet, vereinbart. Die 
Entwicklungen in der langjährigen Krise sind unberechenbar, nicht zuletzt durch 
die interne Dynamik im heterogenen Lager der "independentistas". Für Sánchez ist
die Kernforderung der Separatisten nach einem Unabhängigkeitsreferendum ein 
Tabu. Dennoch sind die Verhandlungen zwischen Madrid und Barcelona eine Chance, 
und sei es nur, um die Gemüter etwas zu beruhigen.

Doch auch das Zusammenleben mit Unidas Podemos in der ersten Koalitionsregierung
der spanischen Demokratie auf nationaler Ebene seit dem Ende der Franco-Diktatur
birgt Risiken. Die während der Parlamentsdebatte zur Wiederwahl von Sánchez 
inszenierte Harmonie zwischen Sozialisten und Linken kann nicht darüber 
hinwegtäuschen, dass sich beide bis vor kurzem noch bitter bekämpft und 
gegenseitig das Vertrauen abgesprochen hatten. Unidas Podemos wird bei ihrer 
sozial- und wirtschaftspolitischen Agenda ehrgeizigere Ziele verfolgen als 
Sánchez, dem die Rolle des Hüters der Staatsfinanzen zukommt.

Leider hat die rechte Opposition in der Debatte keinen Zweifel daran gelassen, 
dass sie jegliche Zusammenarbeit mit Sánchez ausschließt. Konservative, Liberale
und Rechtsextreme lieferten sich einen sterilen Wettkampf in 
Patriotismusbekundungen und extrem scharfen Angriffen auf die Linken. Große und 
dringend nötige Reformen, etwa des Rentensystems oder der Regionalfinanzierung, 
werden daher keine überparteiliche Zustimmung erhalten. Das gilt wohl auch für 
die von Sánchez anvisierte Überholung des Wahlsystems, mit der lange politische 
Blockaden künftig vermieden werden sollen.

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