Berlin (Reuters) -Die Deutsche Bahn wird trotz großer Nachfrage in diesem Jahr nicht aus der Verlustzone kommen. "Betrieblich lief das erste Halbjahr 2023 nicht zufriedenstellend", sagte Konzernchef Richard Lutz am Donnerstag. "Hauptgrund ist der schlechte Zustand des Schienennetzes." Dieses soll in den nächsten Jahren mit hohen Investitionen schrittweise saniert werden. Für die Kunden bedeuten die vielen Baustellen aber zunächst weitere Verspätungen. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr hat sich im ersten Halbjahr nochmal verschlechtert. Ein Verkauf der Logistik-Tochter Schenker wird weiter geprüft.

"Einfacher ist unser Geschäft sicher nicht geworden", sagte Finanzvorstand Levin Holle. Er verwies auf die hohe Inflation, deutlich gestiegene Baukosten, einen hohen Tarifabschluss mit der EVG, wieder normalere Frachtpreise für Schenker und hohe Investitionen, bei denen der Konzern in Vorleistung gehen muss. Den Großteil davon hofft die Bahn von der Regierung zurückzubekommen. Die Ampel-Koalition hat beschlossen, bis 2027 bis zu 45 Milliarden Euro zusätzlich in die Schiene zu investieren. "Davon sollen 15 Milliarden Euro in den beiden kommenden Jahren bereitgestellt werden", so Lutz.

2023 KÖNNTE TRENDWENDE IM FERNVERKEHR BRINGEN

Die Bahn will ihre am stärksten genutzten Routen jeweils für einige Monate sperren und generalüberholen. Im zweiten Halbjahr 2024 ist dies etwa bei der sogenannten Riedbahn geplant, der wichtigen Verbindung zwischen Frankfurt und Mannheim. Kunden sollten danach schnell Verbesserungen spüren. Im ersten Halbjahr waren aber nur 68,7 Prozent der Fernzüge pünktlich, nach 69,6 Prozent im Jahr zuvor. Der Schlüssel liege in der störanfälligen Infrastruktur, sagte Lutz. Die Bahn will zumindest 70 Prozent ihrer Fernzüge halbwegs pünktlich zum Zielbahnhof bringen.

Lutz sagte, die Menschen würden immer weitere Strecken mit der Bahn fahren. "Der Boom ist deutlich zu spüren." Im Fernverkehr zählte die Bahn mehr als 68 Millionen Kunden im ersten Halbjahr, ein Plus von gut 15 Prozent. Der Konzern, der insgesamt fast 325.000 Mitarbeiter hat, stellte in Aussicht, dass der Fernverkehr 2023 erstmals seit der Corona-Krise operativ wieder schwarze Zahlen schreiben könnte. Im Nahverkehr wirke sich das Deutschland-Ticket positiv aus. In den ersten zwei Verkaufsmonaten seien branchenweit etwa elf Millionen Tickets verkauft worden. Mit diesen können Kunden seit Mai für 49 Euro im Monat bundesweit den öffentlichen Nahverkehr nutzen.

BAHN: TARIFABSCHLUSS AN DER GRENZE DES VERTRETBAREN

Im lange festgefahrenen Tarifkonflikt mit der Eisenbahngewerkschaft EVG sollen laut Schlichterempfehlung die Löhne monatlich um mindestens 410 Euro steigen. Zudem soll es im Oktober eine steuer- und abgabenfreie Inflationsprämie von 2850 Euro geben, bei einer Laufzeit des neuen Tarifvertrages von 25 Monaten. Beide Seiten wollen ihren Gremien die Annahme des Vorschlages empfehlen. Laut Bahn ist der Abschluss an der Grenze des Vertretbaren. Die vorherigen Warnstreiks der EVG hätten den Konzern mit 100 Millionen Euro belastet.

In der Frage der Zukunft der Logistik-Sparte Schenker sei die Überprüfung ergebnisoffen und werde noch etwas Zeit in Anspruch nehmen, sagte Finanzvorstand Holle. Die Tochter konnte im ersten Halbjahr nicht an die Rekordergebnisse aus dem Jahr 2022 anknüpfen. Der Schenker-Umsatz ging im Halbjahr um 29 Prozent auf gut zehn Milliarden Euro zurück. Der operative Gewinn sank um 47 Prozent auf 626 Millionen Euro. Schenker gilt nicht mehr als Kerngeschäft der Bahn, die sich auf die Schiene in Deutschland konzentrieren soll. In Finanzmarktkreisen war für Schenker zuletzt ein Wert von etwa 15 Milliarden Euro genannt worden.

(Bericht von Christian Krämer. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)