Muttenz (awp) - Clariant erleidet einen weiteren Rückschlag. Der Spezialchemiekonzern setzt die Gespräche zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit dem Ankeraktionär Sabic aus. Und Rückstellungen für ein vermutetes Kartell reissen ein grosses Loch in die Kasse.

Die Gespräche würden "vor dem Hintergrund der aktuellen Marktbedingungen" vorübergehend ausgesetzt, teilte Clariant am Donnerstag mit. Laut einer Mitteilung von Sabic werden die Gespräche wieder aufgenommen, sobald sich das Umfeld wieder aufhelle.

Dass zwischen Clariant und Sabic nicht alles reibungslos verläuft, hatte schon der am Vortag angekündigte überraschende Abgang von Clariant-Chef Ernesto Occhiello vermuten lassen. Occhiello war vom Grossaktionär aus Saudi-Arabien bei Clariant installiert worden.

Die beiden Firmen hatten von gut 10 Monaten angekündigt, verschiedene Geschäftsteile zum Joint Venture "High Performance Materials" zusammenzulegen. Dieses hätte rund 3 Milliarden Franken Umsatz auf die Waage gebracht - rund 2 Milliarden davon wären von Sabic gekommen. Daher war vorgesehen, dass Clariant eine Ausgleichszahlung leistet.

Gut möglich, dass die Verhandlungen zuletzt auch an diesem Punkt gescheitert sind. Denn laut Clariant-Chef Hariolf Kottmann gab es unterschiedliche Vorstellungen bei der Ausarbeitung der Transaktion. "Und keine Seite war bereit, Kompromisse einzugehen", sagte dieser im Gespräch mit AWP.

Verkaufsprozess geht weiter

Den Differenzausgleich wollte Clariant mit dem Verkauf von weniger wachstums- oder margenstarken Teilbereichen finanzieren. Die Muttenzer treiben diesen Verkaufsprozess nun ungeachtet der jüngsten Ereignisse weiter voran. Mit dem Bereich Pharma-Verpackungen wurde zuletzt ohnehin ein erster Teilbereich losgeschlagen.

Clariant will dennoch den früher angekündigten Verkauf des Pigment-Geschäfts durchziehen. Dieser soll wie geplant bis Ende 2020 abgeschlossen werden. Neu will Clariant aber auch das gesamte Geschäft mit Masterbatches veräussern. Also nicht nur die Standardprodukte, sondern auch die hochwertigen Materialien. Die Planspiele mit Sabic sahen vor, dass Clariant seine Additive und hochwertigen Masterbatches in das Gemeinschaftsunternehmen einbringt.

Den Erlös aus dem Verkauf der Firmenteile will Clariant dazu nutzen, um in neue Produkte zu investieren, die Bilanz zu stärken und Kapital an die Aktionäre auszuschütten. Laut Kottmann könnten die Mittel für Akquisitionen verwendet werden, aber auch für Dividendenzahlen oder Aktienrückkäufe.

Künftig will sich Clariant auf seine drei Kerngeschäftsbereiche Care Chemicals, Catalysis und Natural Resources fokussieren. Mit diesen werde man ein überdurchschnittliches Wachstum, eine höhere Profitabilität und eine stärkere Cashflow-Generierung erzielen.

Tiefrote Zahlen

Zeitgleich hat Clariant auch die Gewinnzahlen der ersten Halbjahres genannt - und die hatten es in sich. Im "fortgeführten Geschäft" stagnierte der Umsatz bei 2,22 Milliarden Franken und der operative Gewinn EBITDA vor Einmalefffekten sank um 2 Prozent auf 355 Millionen. Aber unter dem Strich wies das Unternehmen einen satten Verlust von 101 Millionen Franken aus.

Denn Clariant hat eine Rückstellung von 231 Millionen Franken für eine laufende wettbewerbsrechtliche Untersuchung der EU-Kommission vorgenommen. Die EU-Wettbewerbshüter gehen einem Kartellverdacht nach. Sie prüfen, ob es bei Abnehmern von Ethylen zu wettbewerbswidrigen Absprachen kam. Clariant geht also wohl davon aus, für schuldig befunden zu werden.

Der Umsatz der "nicht fortgeführten Aktivitäten" wird auf 1,11 Milliarden Franken beziffert. Damit hat Clariant genau ein Drittel seines heutigen Geschäfts ins Schaufenster gestellt.

ra/kw