FRANKFURT (Dow Jones)--Auf eine schwergängige Handelswoche müssen sich Anleger in der kommenden Woche einstellen. Sowohl Aktien- als auch Rentenmärkte dürften ohne klare Tendenzen und mit viel Interpretationsrauschen vor sich her handeln. Ihre Lage ist wie zwischen Skylla und Charybdis, denn nach den Aussagen vom Notenbanker-Treffen in Jackson Hole haben sie gleich danach mit dem Warten auf den großen US-Arbeitsmarktbericht am Freitag zu kämpfen.


   Viel Zeit zum Warten auf US-Arbeitsmarkt 

Dabei ist die Handelswoche mit dem Börsenfeiertag (Summer Bank Holiday) in London am Montag schon kurz genug. Falls die Notenbanker in Jackson Hole wie von der Mehrheit der Volkswirte erwartet ihre "Datenabhängigkeit" als Entscheidungsgrundlage betonen, machen sie den US-Arbeitsmarkt nur noch bedeutsamer. Die abschließende Einordnung dieser Freitagsdaten würde dann erst in der darauf folgenden Woche stattfinden.

Viel Zeit zum Abwarten und Rätselraten also für die Börsen. Immerhin gibt es den mit Augustende aus dem Urlaub heimkehrenden Anlegern mehr Zeit, sich auf die widersprüchliche Datenlage einzustellen. Denn mit Blick auf die immer wieder schwachen Wirtschaftsdaten gibt es eigentlich keinen Grund für Aktien, auf dem aktuell hohen Niveau zu notieren - nur die Hoffnung auf irgendwann fallende Zinsen hält sie hier oben.


   China fällt als Lokomotive aus 

Die Hoffnung auf deutlich steigende Gewinne rechtfertigt das aktuelle Kursniveau jedenfalls nicht: Selbst beim aktuellen Wachstumsmotor USA ist es überwiegend die Technologiebranche, in der es boomt. Der ehemalige Wachstumstreiber China ist nicht nur konjunkturell angeschlagen, dazu gesellen sich auch immer mehr Folgeeffekte wie Liquiditätsprobleme im Immobiliensektor. Optimistische Börsenprofis wie bei BNY Mellon sehen zwar einen "peak pessimism" und übertriebene Ängste gegenüber China, aber selbst ihre Anlagekunden zeigen sich erst einmal neutral und warten weitere Maßnahmen Pekings wie Zinssenkungen und Konjunkturspritzen ab.


   Deutschland stürzt überall ab 

Dramatischer ist dagegen der Absturz Deutschlands an allen Fronten. Mit dem Kollaps der Einkaufsmanager-Indizes (PMI) für den Service-Bereich ist auch der Rettungsanker weggebrochen. Volkswirte hatten gehofft, dass Dienstleistungen den Einbruch der Industrie abmildern könnten. Doch die Ersparnisse nach Corona scheinen aufgebraucht zu sein, die Eingriffe der Politik ins Leben der Bürger verängstigen und treiben Sparquoten und Kaufverweigerung, der Einzelhandel bricht weiter ein.

Und auch der für Deutschland wichtigste Indikator, der Ifo-Index, fiel im August weiter auf 85,7 nach 87,4 Punkten. "Der neuerliche Fall des Ifo-Geschäftsklimaindex kommt einem Tritt in die Magengrube gleich. Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Besserung werden weiter in die Zukunft verschoben, sagt Chef-Volkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank.

Leider hat sich Deutschland von China derart abhängig durch seine Exportorientierung gemacht, dass nun die Schwäche von dort zurückimportiert wird. Selbst ehemalige Vorzeigeunternehmen wie der Maschinenbau und vor allem die Autohersteller im DAX geraten immer mehr ins Hintertreffen. Der Kursverlauf von VW weist seit einem Jahrzehnt nur noch eine Seitwärtsbewegung auf; vergleicht man ihren Aktienchart mit chinesischen Herstellern wie BYD, verschmelzen VW beinahe mit der x-Achse.


   Deutschland unattraktiv für Anleger - Underperformance droht 

Wie unattraktiv Deutschland für Anleger geworden ist, spiegelt sich in der Gewichtung global anlegender Aktienfonds wider. Selbst in industrielastigen Fonds machen deutsche Aktien nur an die 3 Prozent aus, im Prozentgewicht sogar oft noch hinter den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien. Sind die Fonds stärker in Richtung Technologie gewichtet, kommen deutsche Aktien nur noch auf um die 2 Prozent.

Für deutsche Anleger sind das keine guten Nachrichten. Ihre Meinung ist schlichtweg irrelevant, da mehr als zwei Drittel des DAX-Kapitals Anlageausländern gehören und damit deren Weltsicht unterliegen. Selbst bei einer globalen Börsenrally dürfte daher nur das wenigste Anlagekapital in den DAX fließen; eine erneute Underperformance wäre die Folge.


   Revisionen der PMI für Bodenbildung wichtig - Inflation vor Arbeitsmarkt 

Neben dem zentralen Termin der kommenden Woche, dem monatlichen US-Arbeitsmarktbericht, gibt es noch einige interessante Daten: So stehen reihenweise die Revisionen der zuletzt sehr schwachen Einkaufsmanager-Indizes an. Da die Märkte nach guten Nachrichten lechzen, dürfte jede Aufwärtsrevision mit steigenden Kursen honoriert werden. Jörg Zeuner, Chef-Volkswirt von Union Investment, sieht zumindest erste Silberstreifen beim Blick auf den Ifo-Index. Das Tal der Tränen könnte "demnächst" durchschritten sein.

Die Aktienstrategen der Citi unterstreichen dazu, dass bereits eine Stabilisierung bei Europas Industrie-PMI ein positives Zeichen für zyklische Aktien im Stoxx-600-Index seien. Ein weiteres Stimmungsbarometer in der kommenden Woche könnten auch die Ifo-Exporterwartungen darstellen, da sie den tatsächlichen Wissensstand der Praktiker in den Unternehmen abfragen.

Für die Zinsseite in Europa sind die neuen Verbraucherpreise (CPI) quer durch alle Länder bedeutsam: Mit den Daten aus Deutschland am Mittwoch und aus Europa am Donnerstag könnte sich etwas besser abzeichnen, welchen Spielraum die EZB überhaupt bei den Zinsen hat. Der ADP-Arbeitsmarktbericht aus den USA und die Revision des US-BIP dürften dann am Mittwoch schon für die Stärke der US-Konjunktur sensibilisieren.

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August 25, 2023 07:30 ET (11:30 GMT)