Zürich (awp) - Die Stimmung an den Finanzmärkten hat sich seit dem Wochenstart um 180 Grad gedreht. Am Montag hatte die Tatsache, dass weder die rechts- noch die linksextremen Parteien eine absolute Mehrheit in der französischen Nationalversammlung erlangt haben, für ein gewisses Durchatmen gesorgt. Das Rassemblement National hat zwar die Wahlen gewonnen, aber weniger klar als befürchtet. Nun richten sich am Dienstag die Blicke auf den kommenden Sonntag, wenn die entscheidenden Wahlen stattfinden. Die Unsicherheit nehme wieder zu, heisst es im Handel.

Aber auch die US-Wahlen hätten begonnen und würden ebenfalls Wellen in die Finanzmärkte entsenden, sagt ein Händler. "Die Marktteilnehmer befinden sich weiter im Sommermodus und wollen keinen neuen Schwung in die zweite Jahreshälfte bringen." Zu ungewiss seien die bevorstehenden zinsmarktpolitischen und geopolitischen Grossereignisse ab Herbst. "Die antizipierten Zinssenkungen in der EU und den USA können in den jeweiligen Auswirkungen noch nicht abgeschätzt werden." Derweil ist die Inflation im Euroraum im Juni leicht gesunken, die unterliegende Teuerung bleibt aber hartnäckig.

Der Leitindex SMI verliert gegen 11.10 Uhr 0,91 Prozent auf 11'940,40 Punkte. So tief hat der Index letztmals im Mai notiert. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, fällt um 0,88 Prozent auf 1934,50 und der breite SPI um 0,78 Prozent auf 15'864,80 Zähler. Im SLI geben 22 Titel nach und sieben gewinnen hinzu. Swisscom sind unverändert.

Die mit Abstand grössten Abgaben verzeichnen die Aktien des Rückversicherers Swiss Re mit -4,3 Prozent. Der Hurrikan "Beryl", der im Südosten der Karibik ungewöhnlich früh in der Windsturmsaison an Fahrt und Stärke aufnimmt, könnte den Erst- und vor allem auch den Rückversicherern umfangreiche Schadenskosten bescheren. Im Kielwasser geben auch die Aktien der Swiss Life (-1,6%) und der Zurich (-0,9%) nach.

Gerade bei der Zurich machen Händler zusätzlich einen Kommentar der Citigroup verantwortlich. Die Experten sorgen sich um das US-Geschäft des Versicherers, wo sie mit einem gewissen Gegenwind rechnen.

Sorgen um "Beryl" hinterlassen auch Spuren bei den Ölpreisen, was sich wiederum auf den Gesamtmarkt auswirkt. Noch habe "Beryl" zwar keine unmittelbaren Auswirkung auf den Betrieb der Ölförderanlagen im Golf von Mexiko, doch könnte sich das bald ändern, schreibt eine Händlerin. Nach einem deutlichen Anstieg zu Wochenbeginn rücken die Ölpreise denn auch am Dienstag weiter vor. Steigende Ölpreise heizen in der Regel die Inflationssorgen der Anleger an.

Neben den Versicherern geben auch Industrie- und Bau-nahe Werte wie Holcim, ABB oder Sika mit Abgaben von bis zu 1,8 Prozent klar nach. In einem Ausblick auf die anstehenden Zahlen zum zweiten Quartal merken die Experten von Morgan Stanley an, dass sie etwa bei Holcim gerade im China-Geschäft eine mögliche Belastung sehen.

Als Belastungsfaktoren für den Gesamtmarkt erweisen sich zudem die beiden Pharma-Schwergewichte Roche GS (-1,0%) und Novartis (-1,1%). In den ersten Ausblicken für die anstehenden Quartalszahlen gehen Experten davon aus, dass Roche seinen Ausblick für 2024 bestätigen werde. Novartis trauen sie derweil eine neuerliche Erhöhung zu.

Logitech (-1,4%) geben ebenfalls nach. Hier kommt es an der kommenden GV im September zu mehreren Veränderungen im Verwaltungsrat. Präsidentin Wendy Becker, die während ihrer Amtszeit mit viel Widerstand des Logitech-Mitgründers Daniel Borel zu kämpfen hatte, gab ihren Rücktritt im Jahr 2025 bekannt. Zudem sorge der Konkurrent Corsair Gaming mit seinen Kursverlusten von 5 Prozent für negative Vorgaben, heisst es im Handel.

Das überschaubare Gewinnerfeld führen nach einer Hochstufung die Aktien von Kühne+Nagel (+1,1%) an. Auch Richemont (+0,6%) bewegen sich im grünen Bereich. Beim Luxusgüterkonzern kommt es zu einem Wechsel an der Spitze der Schmuckmarke Cartier: Neu wird Louis Ferla Chef der Richemont-Tochter.

Derweil haben Analystenkommentare auch bei Werten aus der zweiten Reihe wie Belimo (-2,2%) einen massgeblichen Einfluss. Noch stärker geben Meyer Burger (-9,8%) nach. Es ist der zweite Handelstag für die neuen Aktien nach der Aktienzusammenlegung.

hr/ys