Zürich (awp) - Die weltweiten Finanzmärkte haben einen neuen Unsicherheitsfaktor hinzubekommen. Die gewaltsame Eskalation im Nahen Osten am Wochenende sorgt zum Wochenstart für einen verhaltenen Verlauf. Allerdings gereichen dem Schweizer Aktienmarkt die stark defensiven Schwergewichte in diesem Umfeld zum Vorteil, so dass sich der SMI mittlerweile knapp im Plus befindet.

"In den kommenden Tagen könnte mehr Klarheit darüber herrschen, wie lange dieser Konflikt noch andauern wird", heisst es in einem Kommentar. "Sorgen über einen Ausfall Irans als Lieferant lassen die Ölpreise steigen, während Gold als der sichere Hafen angesteuert wird", kommentiert ein weiterer Börsianer. Über den Weg teureren Öls und damit steigender Inflationssorgen und Druck auf den Bondmarkt müsse sich wohl oder übel aber auch die Börse in den kommenden Tagen und Wochen beschäftigen.

Der SMI ist mittlerweile knapp ins Plus gedreht und notiert gegen 11.00 Uhr um 0,22 Prozent höher auf 10'860,91 Punkten. Der breite SPI steigt um 0,16 Prozent auf 14'185,35 Zähler, während der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind und die Gewichtung stärker gekappt ist, dagegen um 0,11 Prozent auf 1695,81 Zähler fällt. Im SLI halten sich Gewinner (16) und Verlierer (14) in etwa die Waage.

An den europäischen Börsen ist das Bild unterdessen etwas gemischt. Während etwa der deutsche Dax und der französischen Cac-40 etwas nachgeben, weist der britische FTSE 100 vor allem wegen seiner rohstofflastigen Ausrichtung Kursgewinne aus.

Die Suche nach sicheren Häfen macht sich auch beim Franken bemerkbar, der vor allem zum Euro zulegt und sich bei Kursen von aktuell 0,9599 nahe seinem bisherigen Tagestief aufhält.

Wie der Anlageexperte Thomas Stucki von der St. Galler Kantonalbank in einem aktuellen Kommentar festhält, dümpelt der Schweizer Aktienmarkt seit Monaten vor sich her. "Im April hat er das letzte Kursrallye hingelegt, nachdem die Probleme der Credit Suisse und der amerikanischen Regionalbanken aus den Schlagzeilen verschwunden waren." Seither bewegten sich die Aktienkurse in einem engen Rahmen, im Trend aber nach unten. "Die positiven Impulse fehlen und je länger das andauert, desto stärker nehmen die Verleiderverkäufe zu."

Dass der SMI knapp im Plus notiert, ist alleine den Schwergewichten zuzuschreiben. Allen voran verteuern sich die Genussscheine von Roche um 1,2 Prozent. Nestlé, Roche-Inhaber und Novartis folgen mit Aufschlägen von bis zu 1,1 Prozent.

Sandoz (+0,7%), Swisscom (+0,6%), Givaudan (+0,8%) und Alcon (+0,4%) runden das Bild der favorisierten defensiven Titel ab. Bei Sandoz stützt nicht zuletzt eine weitere Coverage-Aufnahme mit einer erneuten Kaufempfehlung. Givaudan wiederum werden an diesem Donnerstag Umsatzzahlen für das abgelaufene Quartal vorlegen. Die Aktien des Aromen- und Duftstoffspezialisten haben nach der schwachen Vorwoche zudem ein gewisses Aufholpotenzial, heisst es am Markt.

Das Gegenstück bilden konjunktursensible Werte wie Richemont, Logitech oder VAT, die sich um bis zu zwei Prozent verbilligen. Aber auch baunahe Werte wie Sika, Holcim oder ABB werden gemieden, wie die Verluste von bis zu 1,3 Prozent zeigen.

Lindt&Sprüngli (-0,7%) fallen mit Anschlussverlusten auf. Bereits am Freitag hatten sie klar an Terrain eingebüsst. Händler hatte auf die USA verwiesen, wo die Konsumgüter zuletzt ebenfalls deutlich an Wert eingebüsst hatten. Als ein Auslöser der Kursschwäche wurden die Worte eines Walmart-Vertreters verantwortlich gemacht. Demnach würden Menschen, die das Diabetes-Medikament Ozempic oder andere appetitzügelnde Medikamente einnehmen, weniger Nahrungsmittel kaufen.

Derweil sacken die Aktien des vor allem in Ägypten aktiven Immobilienentwicklers und Hotelbetreibers Orascom DH um deutliche 7 Prozent ab. Die Eskalation im Nahen Osten und der Angriff der Hamas-Milizen auf das Nachbarland Israel sorgen für weitere Verunsicherung am Markt. Zudem rücken andere Titel mit dem Thema Reisen wie der Flughafen Zürich (-0,4%) und der Reisedetailhändler Dufry (-0,2%) ins Blickfeld.

Die jüngste Eskalation im Nahen Osten setzt aber auch den Valoren finanzschwacher Unternehmen zu. Entsprechend geben Idorsia, Spexis, Evolva und Obseva um bis zu 7,6 Prozent nach.

hr/tv