Frankfurt (Reuters) - Nach einem Rekordverlust setzt die von der Corona-Krise schwer getroffene Lufthansa große Hoffnung in die Rückkehr des Reisegeschäfts im Sommer.

"Ich hoffe, dass Europa sich öffnen kann. Ich glaube, wir sind durch das Schlimmste durch", sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr am Donnerstag nach Vorlage einer tiefroten Bilanz für das Krisenjahr 2020. "In der Fliegerei können wir mit Gegenwind umgehen", ergänzte der Chef des mit Staatshilfen geretteten Konzerns. Selbst eine dritte Infektionswelle nach der schrittweisen Lockerung der Corona-Einschränkungen stünde dem nicht entgegen. Denn mittlerweile sei auch nach Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) klar, dass Flugreisen kein Infektionstreiber seien. Die Europäer sollten darauf drängen, dass die Grenzen wieder offen sind, sagte Spohr. Die Lufthansa forderte erneut, die generelle Quarantänepflicht für Reiserückkehrer aufzuheben und Reisen bei Nachweis einer Corona-Impfung oder eines negativen Tests zu ermöglichen.

Fast alle Länder in Europa haben noch mit hohen Infektionszahlen zu kämpfen. Wegen der Ausbreitung von ansteckenderen Virus-Mutationen zögern die Regierungen mit der Aufhebung von Lockdowns. Das Impfen kommt auf dem Kontinent nur langsam voran. Gerald Khoo, Luftfahrtanalyst von Liberum, bezweifelte deshalb, dass Spohrs Kalkül aufgeht. Trotz der Impfungen sei es bei weitem nicht sicher, dass die Verbote nicht notwendiger Reisen aufgehoben werden. Kritisch bei der Lufthansa sei ihre starke Abhängigkeit von Langstreckenflügen und Geschäftsreisen, die sich langsamer erholten als Urlaubsflüge, ergänzte Khoo. Die Kranich-Linie drängt deshalb mit Macht ins Ferienfluggeschäft und baut das Angebot an Verbindungen zu Mittelmeerzielen aus.

ERHOLUNG AUF HALBE KRAFT ERWARTET

Weil das Geschäft vom zweiten Lockdown geschwächt wird, schraubte Spohr die Kapazitätsprognose für 2021 zurück. Die Airline-Gruppe rechnet nun im Jahresschnitt mit einem Angebot von 40 bis 50 Prozent der Vorkrisenkapazität und nicht länger mit bis zu 60 Prozent. Praktisch vorbereitet wäre sie darauf, 70 Prozent anzubieten. Zu Ostern seien die Buchungen schon etwas gestiegen, ab Juni merklich. Derzeit stehen rund 500 der einst 800 Flugzeuge großen Flotte am Boden. Parkgebühr pro Tag und Flieger: 800 Euro.

"Nicht nur für mich persönlich, sondern für alle Lufthanseatinnen und Lufthanseaten auf der ganzen Welt war das letzte Jahr ein schweres Jahr", sagte Spohr. Die knapp der Pleite entgangene Airline-Gruppe machte 2020 wegen des Nachfrageeinbruchs in der Pandemie das höchste Minus der Firmengeschichte. Der Nettoverlust belief sich trotz massiver Kostensenkungen auf 6,7 Milliarden Euro nach einem Gewinn von 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2019. Bei der British-Airways-Mutter IAG und Air France-KLM sah es mit jeweils mehr als sieben Milliarden Euro Verlust nicht besser aus. Die Lufthansa und ihre Schwestern Swiss, Austrian Airlines, Brussels Airlines und der Ferienflieger Eurowings beförderten 75 Prozent weniger Passagiere. Der Konzernumsatz brach um fast zwei Drittel ein auf 13,6 Milliarden Euro. Nur die Frachtsparte Lufthansa Cargo konnte von steigenden Preisen bei knappem Kapazitätsangebot profitieren und erzielte operativ einen Rekordgewinn von 772 Millionen Euro. Der Betriebsverlust (bereinigtes Ebit) der Gruppe soll im laufenden Jahr niedriger ausfallen als das Minus im Krisenjahr von 5,5 Milliarden Euro.

PERSONALABBAU GEHT WEITER

Die Lufthansa wurde im vergangenen Jahr mit einem staatlichen Finanzpaket von neun Milliarden Euro von Deutschland, der Schweiz, Österreich und Belgien vor der Insolvenz bewahrt. Der MDax-Konzern verfügte Ende 2020 über 10,6 Milliarden Euro flüssiger Mittel. Da die Lufthansa mittlerweile frisches Geld zu günstigen Konditionen am Kapitalmarkt aufnehmen konnte, tilgte sie bereits den Milliardenkredit der Staatsbank KfW. Der Mittelabfluss soll im ersten Quartal wie schon im Schlussquartal 2020 auf 300 Millionen Euro begrenzt werden. "Die Lufthansa Group ist über das Jahr 2021 hinaus durchfinanziert", erklärte der neue Finanzchef Remco Steenbergen. Jetzt gelte es, die Kosten weiter zu senken und die auf knapp zehn Milliarden Euro gestiegenen Schulden abzubauen. Weitere Staatshilfe sei nicht notwendig, erklärte Steenbergen. Im Gegenteil: Das Unternehmen, an dem der Staat mit 20 Prozent den größten Anteil hält, will die verbliebenen acht Milliarden Euro Finanzhilfe möglichst nicht ausschöpfen.

Im Kampf gegen die Krise hat die Airline-Gruppe die Fixkosten um 35 Prozent gesenkt, indem zum Beispiel für viele Beschäftigte dank Kurzarbeit nur noch wenig Lohn gezahlt werden musste. Der Konzern baute bis Ende 2020 außerdem ein Fünftel seiner Arbeitsplätze ab auf noch 110.000. In Deutschland fielen bisher 8000 Stellen weg - dank der Vereinbarungen mit den Gewerkschaften UFO, Verdi und Vereinigung Cockpit über freiwilliges Ausscheiden. Die Lufthansa bezifferte den noch bestehenden Personalüberhang auf 10.000 Stellen, die bei noch mehr Teilzeitvereinbarungen nicht alle wegfallen müssten. "Mein persönliches Ziel bleibt es, 100.000 Arbeitsplätze in der Gruppe zu sichern", sagte Spohr.