--Merkel: Gespräch mit zu Guttenberg war interessengeleitet

--Merkel: Kontakt zu zu Guttenberg im Augenblick "erstorben"

--Treffen auf Wunsch mit früheren Ministern üblich

(Neu: Weitere Aussagen von Merkel, Grünen)

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich verärgert gezeigt über die Lobbyarbeit des früheren Bundesministers Karl-Theodor zu Guttenberg. Dieser hatte Merkel im September 2019 aufgesucht und bei ihr im Vorfeld ihrer China-Reise für das Finanzunternehmen Wirecard geworben und hatte auch das KI-Unternehmen Augustus Intelligence zur Sprache gebracht. Sie wies Eindrücke zurück, dass sie sich von ihm habe einspannen lassen.

"Er war ganz interessengeleitet da" und habe in dem 45-minütigen Gespräch zwei Themen platziert, sagte Merkel im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zur Rolle der Bundesregierung bei dem umstrittenen Unternehmen Wirecard, dem Bilanzbetrug vorgeworfen wird und das inzwischen Insolvenz beantragt hat.

Auf die Frage, ob sie weiterhin bereit sei zu einem Treffen mit zu Guttenberg, dem früheren Wirtschafts- und Verteidigungsminister, sagte Merkel, sie würde "im Vorfeld sagen, dass ich nicht mit lauter Angelegenheiten behelligt" werden wolle, die im Nachgang in seinem eigenen persönlichen Interesse stünden.

Es sei grundsätzlich für sie eine Selbstverständlichkeit, sich mit ehemaligen Bundesministern zu treffen, so Merkel. Auf die Frage, wie ihr augenblicklicher Kontakt zu dem früheren CSU-Politiker zu Guttenberg sei, sagte Merkel er sei "im Augenblick erstorben". "Seitdem gab es keinen Kontakt", so Merkel. Aber sie werde es nicht ausschließen, mit ihm wieder ein Wort zu sprechen.


   Michelbach schämt sich für zu Guttenberg 

Kritik an zu Guttenbergs Lobbyarbeit für das Finanzunternehmen gab es auch von Abgeordneten. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach entschuldigte sich im Untersuchungsausschuss bei Merkel für zu Guttenberg. Das Verhalten seines Parteifreundes "beschäme" ihn, so Michelbach. "Eine Bundeskanzlerin für das eigene Geschäft einzusetzen - das ist für mich als Kaufmann ein Unding", sagte Michelbach. "Ich kann mich nur für meine Partei entschuldigen, dass Sie hier mehr oder minder benutzt werden sollten."


   Grüne kritisieren Lobbyismus ehemaliger Unionspolitiker 

Auch der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz übte Kritik an zu Guttenberg. Er habe die Bundeskanzlerin "leichtfertig" in die Casa Wirecard "hineingeritten", sagte der Grünen-Obmann. "Es spricht für sich, dass die Union sich für die Rolle von Herrn zu Guttenberg im Wirecard-Skandal entschuldigt hat", so Bayaz. "Guttenberg war aber nur der prominenteste und hemmungsloseste Vertreter eines Amigo-Netzwerks ehemaliger Unionspolitiker und -beamter, die für Wirecard lobbyierten. Hier braucht es klare und strenge Regeln, damit man eine/n Bundeskanzler/in in Zukunft nicht mehr so leicht für Lobby-Interessen einspannen kann."

Merkel wies zurück, dass sie von zu Guttenberg benutzt worden sei. "Dazu gehören ja immer zwei", so Merkel. "Es ist nicht so, dass ich der Sache intellektuell nicht Herr gewesen wäre".

Bei dem damaligen DAX-Unternehmen Wirecard wurden im vergangenen Juni Luftbuchungen von fast 2 Milliarden Euro öffentlich. Es befindet sich mittlerweile in einem Insolvenzverfahren. Der frühere Unternehmenschef Markus Braun sitzt inzwischen in Haft, der frühere CEOO Jan Marsalek ist flüchtig.

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April 23, 2021 07:59 ET (11:59 GMT)