Von Carol Ryan

FRANKFURT (Dow Jones)--Luxusmarken, die jahrelang von China geblendet waren, wachen jetzt auf und erkennen das Potenzial der amerikanischen Kunden. Ein Rolex-Händler war besonderes früh auf den Beinen und erwischte damit ein glückliches Timing. Watches of Switzerland gab am Donnerstag bekannt, dass der Umsatz in den sechs Monaten bis Oktober gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 45 Prozent zugelegt hat. Die Verkäufe waren sogar höher als vor dem Jahr 2019, nämlich um 41 Prozent insgesamt und um 67 Prozent in den USA. Seit seinem Börsengang im Jahr 2019 hatte sich das Unternehmen auf den amerikanischen Uhrenmarkt konzentriert, weil es diesen für unterentwickelt hielt.

Die Aktie hat sich in diesem Jahr trotz einiger altmodischer Eigenheiten fast verdreifacht. Watches of Switzerland tickt nicht wie die meisten anderen. Das Unternehmen ist nicht in China engagiert und verdient sein Geld noch als unabhängiger Einzelhändler, während viele Luxusmarken lieber ihre eigenen Boutiquen betreiben. Nach mehreren schwierigen Jahren gibt es in der Schweizer Uhrenindustrie Anzeichen für eine Erholung. Im Oktober stiegen die Exporte von Schweizer Uhren weltweit wertmäßig um 4,8 Prozent gegenüber dem gleichen Monat 2019, so der Verband der Schweizer Uhrenindustrie. Am stärksten war die Nachfrage in den USA, wo die Exporte im Oktober um 36 Prozent anzogen. In China waren es lediglich 23 Prozent.

Davon profitiert Watches of Switzerland, ebenso wie von der lebhaften Nachfrage nach den teuren Produkten. Die Exporte von Uhren mit einem Preis von 3.000 Schweizer Franken oder mehr stiegen im Oktober um 15 Prozent, während sie bei günstigeren Uhren mit einem Preis zwischen 220 und 540 US-Dollar um fast ein Drittel zurückgingen. Die Aktien der Swatch Group, die viel stärker auf niedrigpreisige Modelle ausgerichtet ist und mit Smartwatches konkurrieren muss, haben sich weniger stark erholt.

Die Aktie von Watches of Switzerland steht stellvertretend für Rolex, Patek Philippe und Audemars Piguet - allesamt Marken in Privatbesitz mit langen Wartelisten für Käufer. Das begrenzte Angebot an diesen Produkten des Luxussegments dürfte die Preise und die Kundenbindung an den Einzelhändler weiter stützen, sofern er die Beziehungen zu diesen wichtigen Marken aufrechterhalten kann. Bislang gibt es wenig Grund zur Sorge.


   Luxusmodemarken wolle Kontrolle über eigene Einzelhandelsgeschäfte 

Luxusmodemarken wie Louis Vuitton und Gucci wollen zwar zunehmend ihre eigenen Einzelhandelsgeschäfte kontrollieren. Bei den Uhrenherstellern scheint dies jedoch weniger der Fall zu sein. Watches of Switzerland hat kürzlich eine Bulgari-Uhrenboutique eröffnet, die der Retailer für die zu LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton gehörende Marke betreiben wird. Auch für Rolex betreibt Watches of Switzerland eine Reihe von Boutiquen, darunter ein Flaggschiff-Store in der Londoner Bond Street. Audemars wiederum entfernt sich vom alten Großhandelsmodell zugunsten seiner exklusiven Läden, auch wenn diese nach wie vor von einem Dritten betrieben werden können. Patek Philippe führt zwar eigene Läden, hat aber weltweit nur drei davon.

Die Aktien von Watches of Switzerland werden mit dem 31-fachen des prognostizierten Gewinns gehandelt. Darin steckt sogar noch ein leichter Aufschlag gegenüber LVMH. Sich mit einem Lieferanten zu überwerfen, käme die Aktie auf diesem Niveau teuer zu stehen. Mit zwölf Prozent im letzten Halbjahr sind die operativen Margen für ein Einzelhandelsunternehmen, das Waren von Dritten verkauft, ebenfalls gesund. Jedes Abgleiten der Margen könnte so interpretiert werden, dass die Marken ihre Macht stärker geltend machen. Doch das sind Bedenken für einen anderen Tag. Im Moment erntet Watches of Switzerland die Früchte seines klugen Timings, während andere Luxusunternehmen mit amerikanischen Käufern noch Anschluss suchen.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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December 10, 2021 03:21 ET (08:21 GMT)