"Wenn man es wirklich durchspielte, würden sich einige wundern, was höhere Zinsen für Folgen hätten", sagte die Volkswirtin, die zum Jahresstart in das Führungsgremium der Europäischen Zentralbank (EZB) eingezogen war, der "Süddeutschen Zeitung". Teile der deutschen Öffentlichkeit würden erwarten, dass sie einen grundsätzlichen Kurswechsel in der Geldpolitik herbeiführe. "Das geht natürlich nicht." Die EZB hatte zuletzt im Herbst angesichts der schwachen Konjunktur im Euro-Raum ihre Geldpolitik erneut gelockert.

Die Währungshüter halten den Leitzins bereits seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Banken müssen zudem Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der Notenbank Überschüsse Gelder parken. Der sogenannte Einlagensatz steht momentan bei minus 0,5 Prozent. Allerdings ist inzwischen ein Teil des Geldes von den Strafzinsen ausgenommen. Die deutschen Privatbanken hatten zuletzt vor einer Woche ein rasches Ende der Negativzinsen gefordert. Zudem klagen Sparer schon seit längerem über die jahrelangen Ultratiefzinsen.

"Hierzulande fehlt das Verständnis dafür, was die EZB auch für Deutschland geleistet hat", sagte Schnabel. Das überrasche sie sehr. Denn es herrsche Vollbeschäftigung, und die deutsche Wirtschaft sei in den vergangenen Jahren nicht zuletzt aufgrund der Geldpolitik so stark gewachsen. Die Notenbank müsse aber ihre Kommunikation verbessern. "Ich habe mir vorgenommen, dieses Missverständnis in der Öffentlichkeit auszuräumen - mit Fakten."

Eine sorgfältige Diskussion über das Inflationsziel der EZB hält Schnabel für gerechtfertigt. "Man muss sich auch Gedanken machen, ob man das Ziel noch klarer formulieren will." Sie wolle aber der Diskussion im Gremium nicht vorgreifen. Die EZB strebt knapp unter zwei Prozent Teuerung als Idealwert für die Wirtschaft an, verfehlt dieses Ziel aber schon seit längerem. Die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte eine Überprüfung der Strategie angekündigt, die im Januar starten soll. Letztmalig hatte die EZB 2003 ihr Inflationsziel überarbeitet.