Von Ben Eisen

NEW YORK (Dow Jones)--US-Banken werden mit Bargeld überschwemmt. Und so decken sie sich weiterhin massiv mit Schulden ein. Laut Dealogic haben die sechs größten US-Kreditgeber in diesem Jahr bereits Anleihen im Wert von 314 Milliarden US-Dollar emittiert - so viel wie seit 2008 nicht mehr. Seit die Banken Anfang dieses Monats ihre Finanzergebnisse für das dritte Quartal vorgelegt haben, haben Goldman Sachs, Morgan Stanley und Bank of America Anleihen im Wert von mehreren Milliarden Dollar verkauft. Im April hatten die Bank of America und JP Morgan die bisher größten Verkäufe von Bankanleihen realisiert.

Die Banken spielen eine immens wichtige Rolle bei der Belebung des Marktes für Unternehmensanleihen, der sich ansonsten von der durch die Pandemie ausgelösten Schuldenflut des vergangenen Jahres erholt hat. Laut Dealogic sind Finanzinstitute die Emittenten hinter mehr als einem Drittel der US-Investment-Grade-Schulden in diesem Jahr - der höchste Anteil in einem Jahr seit den Anfängen der modernen Megabanken.


Banken müssen langfristige Verschuldung vorhalten 

Die Rekordverkäufe von Anleihen mögen unnötig erscheinen, da die Banken bereits bis zum Hals in Bargeld stecken. Schließlich haben die größten Verbraucher- und Geschäftsbanken seit Beginn der Pandemie Billionen von Dollar an Einlagen eingesammelt.

Aber Einlagen sind nur ein Teil des Kalküls für die größten Banken. Sie sind nämlich auch verpflichtet, einen bestimmten Anteil ihrer Verbindlichkeiten in Form von langfristigen Schulden zu halten. Aus diesem Grund kann das Verhältnis zwischen Schulden und anderen Verbindlichkeiten aus dem Ruder laufen, wenn die Einlagen so stark ansteigen wie in diesem Fall. Daher emittieren die Banken mehr Anleihen, um die regulatorischen Hürden zu überwinden.

Die Anforderung, dass langfristige Schulden einen Mindestanteil an den Verbindlichkeiten der Banken ausmachen müssen, ist eine Folge der Finanzkrise von 2008/09. Die Idee dahinter ist, dass eine Schicht langfristiger Schulden die Banken weniger anfällig für Panik auf den kurzfristigen Finanzierungsmärkten macht, was ein Hauptgrund für den Untergang von Lehman Brothers war.

Es schadet auch nicht, dass Banken, die heute Schulden verkaufen, in der Lage sind, sich niedrige, langfristige Kreditkosten zu sichern. Dies könnte dazu beitragen, die Gewinne zu steigern, wenn die kurzfristigen Zinsen in Zukunft steigen und die Kreditvergabe wieder an Fahrt gewinnt.


Anleger wittern Chancen bei Bankanleihen 

Im Moment ist die Kreditnachfrage jedoch schwach. Während der Pandemie schränkten die Verbraucher ihre Ausgaben ein und erhielten staatliche Konjunkturhilfen, mit denen sie ihre Kredite abzahlen konnten. Das hat es den Banken erschwert, die Barmittel in ihren Bilanzen zu nutzen. Die Bank of America zum Beispiel hat mehr als doppelt so viel Geld in Einlagen, als sie ausgeliehen hat.

Goldman Sachs und Morgan Stanley verfügen zwar nicht über große Einlagenbestände, haben aber Anleihen verkauft, um ihr Wachstum zu unterstützen. Goldman erläuterte zu den Ergebnissen des dritten Quartals, dass das Institut sein Geschäft mit der Finanzierung von Aktien und festverzinslichen Wertpapieren ausgebaut hat. Die Bank of America emittiert ebenfalls Anleihen, um ihre Kapitalmarktaktivitäten zu unterstützen.

Anleger wittern unterdessen Chancen in Bankanleihen. Topmanager Tom Murphy von Columbia Threadneedle Investments sagte, dass er Banken derzeit mag und sich an einigen ihrer Anleiheverkäufe in diesem Jahr beteiligt hat.


Banken dürften von höheren Zinsen profitieren 

Bankanleihen werden derweil im Vergleich zu Anleihen von Industrieunternehmen mit ähnlichen Ratings mit einer höheren Rendite gehandelt. Das bedeutet: Murphy fährt bis zu 0,3 Prozentpunkte mehr Rendite als bei Industrieunternehmen ein, ohne ein höheres Kreditrisiko einzugehen. Gleichzeitig dürften die Banken davon profitieren, wenn die höhere Inflation die Zinssätze in die Höhe treibt. "Der makroökonomische Hintergrund sollte für diese Institute gut sein", freut sich Murphy.

Auch Bankaktien waren in diesem Jahr sehr beliebt. Der KBW-Nasdaq-Bank-Index, der die Aktien der größten Banken misst, ist in diesem Jahr um 45 Prozent emporgeschossen, mehr als doppelt so viel wie der S&P 500. Die Rally hat sich in diesem Monat fortgesetzt, nachdem die Banken für das dritte Quartal durchweg Gewinnzuwächse meldeten.

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October 26, 2021 10:15 ET (14:15 GMT)