Luzern (awp) - Der Stahlkonzern Swiss Steel hat erneut ein Katastrophenjahr hinter sich. Unter dem Strich fuhr das Innerschweizer Unternehmen einen riesigen Verlust ein, der das Eigenkapital in die Tiefe riss. Nun muss Swiss Steel das Kapital erhöhen.

Insgesamt erlitt der einzige Stahlproduzent der Schweiz einen Reinverlust von 294,8 Millionen Euro nach einem Minigewinn von 9,4 Millionen Euro ein Jahr zuvor. Das Jahr 2023 sei enttäuschend gewesen, erklärte Konzernchef Frank Koch am Donnerstag in einer Telefonkonferenz.

Damit kommt der Konzern einfach nicht aus der Krise: In drei der letzten fünf Jahren hat Swiss Steel einen Verlust von zusammen 1,13 Milliarden Franken angehäuft. Dem stehen kümmerliche 59 Millionen Franken Gewinn aus den Jahren 2021 und 2022 gegenüber.

Schwache Nachfrage

Erneut tauchte die Nachfrage nach den Produkten von Swiss Steel ab: Die Absatzmenge sank 2023 um 17,3 Prozent auf 1375 Kilotonnen. Die Bestellungen aus der Autoindustrie sowie dem Anlagen- und Maschinenbau seien schwach gewesen, sagte Koch. Die Swiss Steel-Werke seien zu wenig ausgelastet, weshalb sie Verluste produzierten.

Der Umsatz sank 2023 um fast ein Fünftel auf 3,2 Milliarden Euro. Operativ musste der Konzern einen bereinigten Verlust vor Abschreibungen und Amortisationen (EBITDA) von 40,9 Millionen hinnehmen. Im Vorjahr hatte Swiss Steel hier noch einen Gewinn von 217 Millionen Euro erzielt.

Nun werden die Aktionäre angezapft: Denn der happige Konzernverlust von 294,8 Millionen Euro hat das Eigenkapital in die Tiefe gerissen. "Infolgedessen sank die Eigenkapitalquote auf unhaltbare 12,1 Prozent", erklärte Finanzchef Marco Portmann. Ein Jahr zuvor hatte die Eigenkapitalquote noch 22,2 Prozent betragen.

Kapitalerhöhung von 300 Millionen Euro

Das Loch soll nun mit einer Kapitalerhöhung von mindestens 300 Millionen Euro gestopft werden. Diese ist abgesichert durch Grossaktionär Martin Haefner mit seiner Gesellschaft Bigpoint, der laut letzten Angaben 32,73 Prozent an Swiss Steel hält. Haefner zeigte sich in einer Stellungnahme von der Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells von Swiss Steel überzeugt.

Ob auch Grossaktionär Peter Spuhler mit seiner PCS (20,36 Prozent) an der Kapitalerhöhung mitmachen wird, ist offen: "Aktuell können die PCS Holding AG und Peter Spuhler dazu keine Stellung nehmen", erklärte der Industrielle in einem Communiqué.

Die Kapitalerhöhung soll an einer ausserordentlichen Generalversammlung am 4. April von den Aktionären bewilligt werden. Die Anteile der Hauptaktionäre dürften sich durch die Kapitalerhöhung erhöhen. Damit läuft Bigpoint Gefahr, die Schwelle von einem Drittel der Anteile zu überschreiten und laut Gesetz ein Übernahmeangebot für alle Aktionäre vorlegen zu müssen.

Dies will Haefner verhindern und hat deshalb eine Ausnahmeklausel (Opting-out) bei der Übernahmekommission (UEK) beantragt. Diese hat das nun bewilligt.

Restrukturierung vorantreiben

Gleichzeitig treibt Swiss Steel selber die Restrukturierung voran. So wurden sieben Vertriebsgesellschaften in Osteuropa veräussert, ebenso wie die Vertriebseinheit in Chile und die Beteiligung der Gruppe am chinesischen Gemeinschaftsunternehmen Shanghai Xinzhen Precision Metalwork.

Die im vergangenen Dezember angekündigte Veräusserung von Teilen von Ascometal France ist noch nicht erfolgt, da die beteiligten Parteien noch Optionen erörtern und noch keine endgültige Einigung erzielt haben, wie Swiss Steel weiter schrieb.

Gleichzeitig prüft Ascometal France Holding weiterhin alle strategischen Optionen für die Zukunft aller ihrer Einheiten. "Unter den gegenwärtig sehr schwierigen Umständen kann dies eine gerichtliche Reorganisation aller oder eines Teils der Unternehmen von Ascometal France zur Folge haben." Auch ein Verkauf von Finkl Steel werde geprüft, hiess es.

1000 Stellen weniger

Zudem wurde die grösste Produktionseinheit, Deutsche Edelstahlwerke (DEW), reorganisiert und in zwei rechtlich getrennte Produktionseinheiten aufgespaltet. 350 Stellen wurden gestrichen. Bis 2025 sollen über 130 Millionen Euro an Kosten gespart werden. Insgesamt hat der Stahlkonzern den Personalbestand um über 1000 Stellen auf 8812 Mitarbeiter gesenkt. Dazu haben auch die Firmenverkäufe in Osteuropa beigetragen.

Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange: Konzernchef Koch sieht noch Potential für einen weiteren Stellenabbau. Dieser werde vor allem in administrativen Funktionen stattfinden. Zum Ausmass machte Koch keine Angaben: "Das ist Gegenstand laufender Gespräche."

jb/uh