Berlin/Frankfurt (Reuters) - Die Ladestationen für E-Autos sollen Bundeskanzler Olaf Scholz zufolge massiv ausgebaut werden.

"Wir werden als erstes Land in Europa in den nächsten Wochen ein Gesetz auf den Weg bringen, mit dem die Betreiber fast aller Tankstellen dazu verpflichtet werden, Schnelllademöglichkeiten mit mindestens 150 Kilowatt für E-Autos bereitzustellen", sagte Scholz am Dienstag auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in München. Zudem werde die staatliche Förderbank KfW im Herbst ein Programm aufsetzen, das die Installation von privaten Ladestellen in Kombination mit Solaranlagen und Speichern fördere, sagte der SPD-Politiker. VDA-Chefin Hildegard Müller warnte aber, dass die Politik die Rahmenbedingungen für die Autobranche verbessern müsse. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte vom Bund erneut die Einführung eines Industriestrompreises.

Scholz warb bei der offiziellen Eröffnung der IAA für das Ziel, 15 Millionen E-Autos bis 2030 auf deutsche Straßen zu bringen. Dabei appellierte er auch an die Autohersteller, billigere Autos anzubieten. "Schon jetzt kostet Benzin im Vergleich zu Strom auf 100 Kilometern knapp das Dreifache. Ein durchschnittliches E-Auto amortisiert sich damit oft schon nach fünf Jahren", sagte er. Diese Zeit müsse aber weiter verkürzt werden, forderte Scholz in Anspielung auf den hohen Preis. Er warf dem Autoverband VDA vor, früher gegen einen entschiedenen Ausbau der Ladeinfrastruktur gewesen sei. Dennoch habe die Bundesregierung beschlossen, eine Million Ladepunkte bis 2030 aufzubauen. Derzeit gebe es 90.000 öffentliche und 700.000 private Ladestationen. 300.000 weitere private Stationen seien in Planung.

In Deutschland hat sich der Umschwung zu Elektroautos verlangsamt, da die Bundesregierung seit Anfang des Jahres staatliche Kaufprämien kürzt oder abbaut. Zugleich gibt es erst wenige neue Modelle unter einem Preis von 30.000 Euro mit respektabler Reichweite, die sich breite Käuferschichten leisten können. Experten warnten deshalb, bis Ende des Jahrzehnts wären womöglich erst sieben bis acht Millionen E-Autos auf der Straße und forderten, der Staat solle Neuwagen noch länger bezuschussen. Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) forderte deshalb vom Bund ein neues Förderprogramm. Zur IAA kündigten Volkswagen, die deutsche Stellantis-Tochter Opel und Renault für die kommenden Jahre günstige Einstiegsmodelle an.

VDA-Chefin Müller warnte, dass die Standortbedingungen in Deutschland immer schwieriger würden, kritisierte Müller. Das seien keine Kassandrarufe, sondern eine Reaktion auf eine Wirtschaftspolitik, die zu stark auf Regulierung setze. "Entfesselung wäre das Gebot der Stunde, stattdessen werden neue Belastungen draufgesattelt", sagte sie. Nachdem Wirtschaftsminister Robert Habeck die Branche aufgefordert hatte, in Deutschland und in die neuesten Produkte zu investieren, verwies Müller auf Investitionen der Branche von insgesamt 250 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren in Elektromobilität und Digitalisierung. "Wir sollen dem Standort Deutschland treu bleiben, ohne Frage - aber der Druck steigt angesichts der schwachen Konjunktur und den international nicht mehr wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen."

Müller verwies auf Länder wie die USA und China, die Klimaschutz und saubere Technologien mit Subventionen, Protektionismus, deutlich geringeren Energiepreisen und Steuern sowie der Absicherung von Rohstoffen förderten. Der Kanzler wies Ängste vor Konkurrenz durch chinesische E-Auto-Hersteller zurück, die auf der IAA zahlreich vertreten sind und in Europa Marktanteile gewinnen wollen. Es habe früher die Sorge vor der Konkurrenz mit japanischen, später dann koreanischen und chinesischen Autobauern gegeben, sagte er. Konkurrenz sollte die deutschen Konzerne eher anspornen.

Der Kanzler verwies zudem darauf, dass die Politik den Abschluss von Rohstoffpartnerschaften fördere und begleite, mit denen sich Firmen nötige Rohstoffe in anderen Teilen der Welt sichern sollen. Man müsse den Ländern etwa in Afrika eine faire Zusammenarbeit anbieten, was die Verarbeitung von Rohstoffen noch in den Herkunftsländern bedeute. Wachsender Wohlstand in Entwicklungsländern werde die Nachfrage nach Autos enorm steigern. "Dem riesigen, weiter steigenden Bedarf müssen wir ein nachhaltiges Angebot gegenüberstellen."

(Bericht von Andreas Rinke, Ilona Wissenbach, Reuters TV; redigiert von Kerstin Dörr und Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)