Berlin (Reuters) - Bei den monatelangen deutsch-polnischen Verhandlungen über die Öl-Versorgung der Raffinerie Schwedt hat es offenbar einen Durchbruch gegeben.

"Es wurden sehr gute Gespräche geführt", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Donnerstagabend auf Reuters-Anfrage. "Wir werten die Gespräche jetzt innerhalb der Bundesregierung aus und rechnen mit einer Entscheidung der Bundesregierung derzeit bis Ende nächster Woche." Sowohl am Montag in Warschau als auch am Donnerstag in Berlin hatten beide Seiten darüber beraten, wie Schwedt und auch die Raffinerie Leuna nach dem Verzicht auf russisches Öl ab Januar betrieben werden können.

Die Raffinerie Schwedt hängt an der Öl-Pipeline Druschba und wird mit russischem Öl des Staatskonzerns Rosneft versorgt. Zudem hält Rosneft die Mehrheit an Schwedt, obwohl die Raffinerie derzeit unter deutscher Treuhandverwaltung steht. Ab Januar will Deutschland kein russisches Öl mehr beziehen.

POLNISCHES UNTERNEHMEN HAT INTERESSE AN SCHWEDT-EINSTIEG

Als Schlüssel für die Versorgung gilt nun der polnische Hafen Danzig, über den die Raffinerien im brandenburgischen Schwedt und in Leuna in Sachsen-Anhalt Öl von den internationalen Märkten bekommen könnte. Polen hat Deutschland dabei nach Angaben von Insidern aus beiden Ländern unter Druck gesetzt und auch eine Enteignung des russischen Eigentümers Rosneft nahegelegt. In einer deutsch-polnischen Erklärung hieß es vor einer Woche, beide Länder müssten darauf achten, dass weder Russland noch ein von ihm kontrolliertes Unternehmen "direkt" von den gemeinsamen Handlungen profitieren dürfe.

Hintergrund ist das Interesse des polnischen Konzerns Orlen an einem Einstieg. In einem ersten Schritt müsste etwa Rosneft dann seinen Schwedt-Anteil abgeben, beispielsweise per Enteignung durch den deutschen Staat. Rosneft hält derzeit gut 54 Prozent der Anteile, Shell ist mit gut 37 Prozent zweitgrößter Eigentümer. Shell will sich seit längerem aus der Raffinerie zurückziehen. Interesse hatten Verbio und Enertrag angemeldet, beide aus der Erneuerbaren-Energien-Branche. Sie wollen Schwedt eine Perspektive geben, wenn auf Öl aus Klimaschutzgründen verzichtet wird.

Mit Tanker-Transporten zum Hafen Rostock und die Pipeline von dort nach Schwedt kann nur um die 60 Prozent der Auslastung gesichert werden. Als nötig gilt aber mindestens 75 Prozent. Denkbar wäre auch eine Versorgung über die Druschba-Pipeline mit Öl aus Kasachstan. Allerdings flösse es dann durch Russland, zudem stellen sich dabei rechtliche Fragen. Die Erklärung von Deutschland und Polen gilt daher als Willensbekundung, der weitere Vereinbarungen folgen müssen.

Die PCK-Raffinerie Schwedt spielt mit seinen gut 3000 direkt und indirekt Beschäftigten für die Versorgung von Ostdeutschland mit Benzin und anderen Raffinerieprodukten eine zentrale Rolle. Aber auch Teile Westpolens werden ebenso wie der Flughafen Berlin-Brandenburg mitversorgt.

(Redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Markus Wacket