FRANKFURT (Dow Jones)--Finanzinvestoren dringen immer tiefer in die medizinische Versorgung in Deutschland ein. Hinter einer steigenden Zahl von Augenkliniken stecken internationale Private-Equity-Unternehmen. Besonders beliebt sind dort lukrative Operationen, etwa am Grauen Star.

Schlecht vergütete Behandlungen von schielenden Kindern werden dafür gern in die nächste öffentliche Klinik abgeschoben, sagt Professor Horst Helbig, Direktor der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Regensburg gegenüber der Wirtschaftswoche. Auch die Kosten für die Ausbildung sparen sich die renditeorientierten Anleger. Grundsätzlich gelte: "Medizin ist für Finanzinvestoren nur ein Mittel, um Gewinne zu machen".


  Schlecht bezahlte OPs an öffentliche Kliniken abgeschoben 

Augenärzte in finanzinvestor-geführten Arztpraxen seien weniger frei in ihren Entscheidungen. Ihr Arbeitgeber wolle primär Gewinne machen, daher entstünden Vorgaben, sich auf lukrative Leistungen zu konzentrieren. "Besonders beliebt sind da unkomplizierte Operationen am Grauen Star oder Medikamenten-Eingaben in das Auge, weil das Geld bringt", so Helbig gegenüber der Wirtschaftswoche: "Die schlecht vergütete Behandlung von Notfällen wie Verletzungen und Netzhautablösungen oder eine Schieloperation bei einem Kind wird dagegen gleich in die nächste, völlig überlastete Klinik überwiesen".

Am Uniklinikum Regensburg leiste man sich noch eine Abteilung mit vier Ärzten, die schielende Kinder behandelt. Die sei weit davon entfernt, kostendeckend zu sein. Erkennbar seien Finanzinvestoren auch an der Terminvergabe: "Versuchen Sie doch mal, etwa einen Termin für eine normale Augenuntersuchung zu bekommen. Da warten Sie in einigen Regionen viele Monate. Falls Sie jedoch eine kosmetische Behandlung am Auge wünschen, geht das bei vielen kommerziellen Anbietern deutlich schneller".


  Finanzinvestoren profitieren von Ausbildung anderer 

Vor allem ärgert sich der Klinikdirektor über ihren fehlenden Beitrag zur Ausbildung: "Sie sparen sich oft die Kosten für die Aus- und Weiterbildung von Fachärzten und Operateuren. Das überlassen sie dann gerne öffentlichen Kliniken".

Dabei sei Training sehr wichtig: Ein Operateur, der gerade anfängt, braucht in der Regel doppelt so lange wie ein erfahrener Kollege. "Die kommerziellen Anbieter warten dann gerne ab, bis die Kolleginnen und Kollegen gut ausgebildet sind, und werben sie dann ab", so der Augenarzt gegenüber der Wirtschaftswoche.

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DJG/mod

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July 30, 2023 08:48 ET (12:48 GMT)