06.01.2014

Das geringe Wachstum in den entwickelten Ländern lässt die Frage aufkommen, ob eine jahrelange Stagnation droht. Für die USA dürfte die Antwort nein lauten. Anders sieht es für die Eurozone aus. Dort ist die Gefahr einer Stagnation ungleich grösser als in den USA.

Die wirtschaftliche Erholung fiel in den USA bisher schwach aus. Die Produktionslücke wird auf 5.5 % des BIP geschätzt. Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor hoch. Jetzt wird diskutiert, ob das Land womöglich in eine Stagnation mit jahrelangem schwachem Wachstum gefallen ist, so wie Japan in den 1990er-Jahren. Auch dort stand am Anfang eine geplatzte Immobilienblase, die das Finanzsystem schwer belastete. Gewisse Parallelen zur heutigen Situation der USA sind also vorhanden.

Allerdings gab es in den letzten zwanzig Jahren Beispiele von entwickelten Ländern, die trotz einer geplatzten Immobilienblase eine Stagnation vermeiden konnten: Norwegen (1987-1993), Finnland (1989-1993), Schweden (1990- 1995), Grossbritannien (1989-1995) und die USA (1989- 1995). Im Gegensatz zu Japan traten diese Länder der Krise mit klaren Schritten entgegen: Sie haben frühzeitig aggressiv die Geldpolitik gelockert sowie Fiskalmassnahmen umgesetzt und die Banken zu Abschreibungen schlechter Kredite und zur Rekapitalisierung gezwungen. Die wirtschaftliche Erholung war zwar durch lang anhaltendes, schwaches Wachstum gekennzeichnet, aber mit der Zeit kehrte die Konjunktur auf den langfristigen Wachstumspfad zurück. Japan hat damals keine dieser Massnahmen umgesetzt.

Seit der letzten Finanzkrise haben sich die USA ungefähr in dem Mass erholt wie damals die oben genannten fünf Länder. Einzig das Wachstum passt seit diesem Jahr nicht ganz ins Bild, fällt es doch magerer aus, als es gemäss dem historischen Beispiel ausfallen sollte. Allerdings lässt sich das auf klar identifizierbare Faktoren zurückführen. Dazu gehören die Entschuldung der Haushalte und des Finanzsektors, die politische Unsicherheit und die Sparanstrengungen der Regierung. Diese Faktoren haben das Wachstum gehemmt. Ihr Einfluss lässt aber stetig nach. Alle diese Überlegungen legen den Schluss nahe, dass sich die USA nicht in einer Stagnation befinden. Im Gegenteil, man darf nächstes Jahr auf beschleunigtes Wachstum hoffen.

Dasselbe gilt nicht für die Eurozone. Sie hat nur eine der oben genannten drei Massnahmen umgesetzt, und zwar die lockere Geldpolitik. Der Beitrag der Fiskalpolitik blieb gering und in Anbetracht des wahrscheinlichen Abschreibungsbedarfs sind europäische Banken unterkapitalisiert. Auch in anderen Punkten hinkt Europa den USA hinterher: Die Immobilienmärkte Kernländer sind überhitzt, die Korrektur der Preise hat jedoch erst in wenigen Staaten eingesetzt. Während das US-amerikanische BIP das Niveau vor der Krise bereits übertroffen hat, ist das europäische noch weit davon entfernt; die Wachstumsaussichten sind gering. Die Gefahr einer Stagnation ist darum in der Eurozone ungleich grösser als in den USA. Die EZB wird ihre Geldpolitik deutlich länger locker lassen müssen als die US-Notenbank.

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