Von Sean McLain

NEW YORK (Dow Jones)--Der Versuch der Automobilindustrie, den Verkauf von Elektrofahrzeugen anzukurbeln, stößt auf eine kalte, harte Realität: Das Interesse der Käufer an diesen Modellen ist geringer als erwartet. Auch wenn die Verkäufe von Elektrofahrzeugen weiterhin steigen - in diesem Jahr bis September um 51 Prozent - hat sich die Rate im Vergleich zum Vorjahr verlangsamt, und bei einigen Marken häufen sich die unverkauften Lagerbestände. Einige Hersteller wie Ford und Toyota dämpfen bereits ihre Erwartungen an E-Autos und verlagern mehr Ressourcen zu Hybridfahrzeugen, die die Herzen der Verbraucher schneller erobern.

Die erste Welle von Käufern, die bereit seien, einen Aufpreis für ein batteriebetriebenes Auto zu zahlen, habe den Kauf bereits getätigt, meinen Händler und Branchenmanager. Die Autobauer haben es jetzt mit Nachzüglern zu tun, gerade jetzt, wo in den kommenden Jahren eine Flut neuer Elektroauto-Modelle bei den Händlern erwartet wird. "Die Kurve beschleunigt sich nicht so schnell, wie viele Leute meiner Meinung nach erwartet haben", erklärt Finanzchef John Lawler von Ford über die Einführungsrate von Elektrofahrzeugen. "Wir sehen, dass sie etwas abflacht."

Der abrupte Absatzrückgang bei Elektroautos steht im Gegensatz zum Vorjahr, als die Automobilhersteller von langen Wartelisten für batteriebetriebene Autos und Lastwagen überrascht wurden. Es ist auch ein beunruhigendes Zeichen für die Hersteller, die Milliarden von US-Dollar in den Bau von Auto- und Batteriefabriken stecken, um einen hoffentlich starken Anstieg der Nachfrage nach Plug-in-Modellen zu unterstützen. In den vergangenen Jahren hat sich die Umstellung der Automobilindustrie beschleunigt, angetrieben durch den kometenhaften Aufstieg von Tesla. Außerdem schlugen strengere weltweite Vorschriften für Schadstoffe aus dem Auspuff ins Kontor, einschließlich völliger Verbote für Autos mit Benzinmotor in den kommenden Jahren.


   Sorge um Reichweite schreckt ab 

Das Weiße Haus hat Elektrofahrzeuge zu einem Kernstück seiner Industriepolitik gemacht. Und die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) streikt bei den Detroiter Autokonzernen, auch weil sie sich Sorgen um die künftige Arbeitsplatzsicherheit macht, da Motoren- und Getriebefabriken verschwinden. Dennoch scheuen sich viele Verbraucher vor dem Umstieg, da sie von hohen Listenpreisen und der Unbequemlichkeit abgeschreckt werden, ein Fahrzeug zu fahren, dessen Reichweite begrenzt ist und das regelmäßig aufgeladen werden muss.

"Aus Angst vor der Reichweite war ich einfach noch nicht bereit, mir ein Elektroauto zuzulegen", sagt etwa Robert DuWors, der erst kürzlich über ein batteriebetriebenes Auto nachgedacht hat. Stattdessen votierte er für einen Plug-in-Hybrid und stellte fest, dass er mit einer einzigen Batterieladung rund 65 bis 80 Kilometer zurücklegt, mehr als er an einem durchschnittlichen Tag fährt. "Wenn ich das aufbrauche, ist es ein Hybrid", sagte der 64-jährige Bewohner von Rancho Mirage, Kalifornien.

Der Anteil von Elektrofahrzeugen am Endkundenmarkt hat sich laut dem Datenanalyseunternehmen JD Power in den vergangenen Monaten bei etwa 9 Prozent eingependelt. Das wirft allgemeinere Fragen darüber auf, ob die Branche mit einem kurzfristigen Einbruch oder einer längerfristigen Herausforderung konfrontiert ist. Die Automobilhersteller reagieren auf die nachlassende Nachfrage mit Preissenkungen und Rabatten auf Elektrofahrzeuge. Einige nehmen ehrgeizige Prognosen zurück. Ford hat seinen Plan, jährlich 600.000 Elektroautos zu produzieren, auf Ende 2024 statt auf Ende dieses Jahres verschoben. Und das Wall Street Journal berichtete zuletzt, dass der Konzern erwägt, eine Schicht der Werksproduktion für seines elektrischen Pickups F-150 Lightning zu streichen, da der Absatz ins Stocken geraten ist.

Hyundai ist bei der Aufnahme neuer Elektrofahrzeuge in sein Sortiment energisch vorgegangen und bietet ein kostenloses Ladegerät an, um Käufer anzulocken, zusammen mit einem Rabatt für den Einbau, eine Aktion im Wert von rund 1.100 Dollar. Auch der Marktführer für Elektrofahrzeuge, Tesla, kämpfte in diesem Jahr trotz erheblicher Preissenkungen in seiner Produktpalette mit rückläufigen weltweiten Verkäufen.

Laut Cox Automotive, einem Branchendienstleistungsunternehmen, lag der branchenweit durchschnittliche Preis für ein batteriebetriebenes Fahrzeug im September bei 50.683 Dollar, verglichen mit 65.000 Dollar im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Für viele Verbraucher bleiben diese Vorlaufkosten zu hoch, insbesondere angesichts steigender Zinssätze, so Händler und Analysten. Die Preise müssen wahrscheinlich gesenkt werden, um ein breiteres Spektrum von Autokäufern anzusprechen, von denen viele es gewohnt sind, weniger als 40.000 Dollar für ein neues Fahrzeug zu bezahlen.

"Es herrschte ein wenig die überschwängliche Vorstellung, dass der Markt Elektrofahrzeuge im gleichen Tempo annehmen würde, wie es bei den Erstkäufern passierte", warnt Präsident Beau Boeckmann von Galpin, dem einer der größten Ford-Händler in den USA gehört. Der elektrische Mustang Mach-E war vergangenen Monat das meistverkaufte Fahrzeug des Händlers, der aber immer noch unverkaufte Fahrzeuge hat. "Kunden klopfen nicht an die Tür, um sie zu kaufen", fügt er hinzu. Laut dem Marktforschungsunternehmen Motor Intelligence verfügte Ford im September über einen dreieinhalbmonatigen Lagerbestand unverkaufter Mustang-Mach-E-SUVs, mehr als doppelt so viel wie der Branchendurchschnitt.


   Käufer greifen zu Hybriden 

Auch Hyundai, Kia und VW verzeichneten im vergangenen Monat einen starken Anstieg ihrer Elektrofahrzeugbestände im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Laut einem Ford-Sprecher sind die E-Auto-Verkäufe der Firma weiterhin stark, sie sind im gerade abgelaufenen Quartal um 14,8 Prozent nach oben gegangen und die Lieferungen für den Mustang-Mach-E sind seit Juni nach einer geplanten Werksschließung stetig gestiegen. Kia führte die aktuelle Verlangsamung auf "kurzfristige Marktschwankungen" zurück, und VW räumte ein, dass der Markt für Elektrofahrzeuge in den USA nachgelassen habe, erklärte jedoch, dass die Nachfrage immer noch robust sei.

Einige Autohersteller wie Hyundai und Kia sind überproportional von neuen Restriktionen betroffen, die einschränken, wer Anspruch auf eine Steuergutschrift in Höhe von 7.500 Dollar für Elektrofahrzeuge hat. Da diese Autohersteller ihre Elektrofahrzeuge außerhalb Nordamerikas bauen, kommen diese Fahrzeuge seit August für eine Gutschrift nicht mehr in Frage, was sie für Käufer teurer macht.

Als Ausgleich habe Hyundai damit begonnen, Leasingverträge und andere Werbeaktionen anzubieten, um mehr Käufer anzulocken, erklärt Kia-Nordamerika-Chef Randy Parker. "Wir müssen auf dem Markt wettbewerbsfähig bleiben", meint Parker. Auch Elektroauto-Startups leiden unter dem langsamer als erwarteten Umsatzwachstum. Unternehmen wie Rivian und Lucid haben nicht verkaufte Lagerbestände, obwohl in ihren Fabriken relativ wenige Fahrzeuge gebaut werden. Mittlerweile tendieren Käufer zu Hybrid- und Plug-in-Hybriden, die einen Benzinmotor mit Batterieantrieb kombinieren, um Kraftstoff zu sparen.

Laut Motor Intelligence kletterten die Hybridverkäufe in den ersten drei Quartalen des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 48 Prozent, eine Umkehr zum Vorjahr, als die Hybridverkäufe im Vergleich zu 2021 um etwa 6 Prozent zurückgingen. "Es ist ein glühend heißer Markt", merkt David Christ, Vertriebsleiter fürs Nordamerika-Geschäft von Toyota an. Der japanische Konzern ist bei der Umstellung auf Elektrofahrzeuge langsamer als seine Konkurrenten und propagiert lieber Hybridfahrzeuge, die jetzt knapper werden. Toyota hatte im September Fahrzeuge des Hybridmodells Prius im Umfang von etwas mehr als einer Wochenproduktion auf Lager, was bedeutet, dass viele Kunden lange auf einen solches Modell warten müssen. Im Vergleich dazu belief sich der Vorrat für Toyotas neuesten Elektro-SUV, den bZ4X, auf mehr als zwei Monate, ein Anzeichen dafür, dass sich diese Fahrzeuge bei den Händlern zu stapeln beginnen. "Wir versuchen, so viele Hybride und Plug-in-Hybride wie möglich zu bauen", sagte Christ.

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October 16, 2023 04:51 ET (08:51 GMT)