BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Der Medizinkonzern Fresenius und die Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) hatten in den vergangenen beiden Jahren keine einfache Zeit an der Börse. Nach dem Corona-Crash zunächst noch stark unter Druck, sind die beiden Werte inzwischen aber zum Tipp von Börsenexperten avanciert. Zur Lage des Unternehmens, was die Analysten sagen und was die Aktie macht.

LAGE DES UNTERNEHMENS:

Nach Jahren steten Wachstums vor allem unter seinem Vorgänger Ulf Mark Schneider hatte Fresenius-Chef Stephan Sturm in den vergangenen Jahren keinen leichten Stand. Die geplatzte Übernahme des Generikaherstellers Akorn, sinkende Fallzahlen im Krankenhausgeschäft und Schwierigkeiten bei der Dialysetochter FMC verschreckten die Anleger an der Börse. Sturm hatte es nicht einfach, das Vertrauen vieler Investoren wiederherzustellen. Nach zwei Gewinnwarnungen Ende 2018 wurde 2019 zum Übergangs- und Investitionsjahr erklärt, das dann wie vom Konzern schon prophezeit "nur" einen stabilen Gewinn brachte. Zur Freude der Anleger verkündete Sturm im Februar, beim Ergebnis 2020 wieder eine Schippe drauf legen zu wollen.

Doch dann kam Covid-19. Mit seiner Krankenhausgesellschaft Helios und der spanischen Tochter Quironsalud kämpft Fresenius derzeit an vorderster Front gegen die Pandemie. Dafür wurde in Deutschland die Zahl der Intensivbetten um zwei Drittel von 900 auf 1500 aufgestockt. Noch im März warnte Sturm, dass die Entwicklung der Pandemie viel dynamischer verlaufe als gedacht und die Kapazitäten des Konzerns womöglich nicht ausreichten. Doch der von der Regierung verordnete Stillstand des öffentlichen Lebens zeigte Wirkung. Vielerorts im Deutschland blieben Intensivbetten frei. So auch bei Helios. Sorgen bereitet vielen Analysten unterdessen jedoch die deutlich angespanntere Lage in Spanien.

Auch um die Tochter Kabi hatten sich Beobachter zuletzt vor allem deshalb Sorgen gemacht, weil der auf Flüssigmedizin und klinische Ernährung spezialisierte Hersteller nach dem Wiedereintritt eines Wettbewerbers in den US-Markt womöglich kleinere Brötchen backen und Preise senken muss. Doch Kabi könnte nun womöglich sogar von der Pandemie profitieren.

Zwar hatte Sturm im Februar von Produktionsunterbrechungen bei Kabi in China berichtet, doch dort läuft inzwischen offenbar alles wieder seinen normalen Gang. In den USA kurbelte Covid-19 laut Branchendaten den Absatz bei Kabi im März sogar kräftig an. Denn die Krankenhäuser stockten wegen des erwarteten Ansturms von Patienten ihre Medikamentenbestände auf. Kabi selbst erhöhte zuletzt die Produktion wichtiger Arzneien - vor allem von Mitteln zur Sedierung von Patienten und Schmerzmedikamenten.

Auch die Dialysetochter FMC dürfte nach Einschätzung von Beobachtern nur wenig Blessuren durch die Krise davontragen. Schließlich ist eine regelmäßige Blutwäsche für Nierenkranke unabdingbar. FMCs dichtester Wettbewerber in den USA, DaVita, hat bereits mitgeteilt, zum Ende des ersten Quartals kaum Belastungen durch die Pandemie gespürt zu haben. In China, das FMC zum Wachstumsmarkt erklärt hat, hatte Fresenius laut Sturms Aussagen vom Februar allerdings Probleme, Geräte für die Heimdialyse zu verkaufen. In den USA hatte FMC zuletzt 150 zusätzliche Geräte an Kliniken geliefert, weil viele an Covid-19 erkrankte Patienten wegen akuten Nierenversagens eine Dialysebehandlung benötigen.

Während aber die Corona-Krise immer mehr Unternehmen zwingt, ihren Ausblick zu revidieren oder die Dividenden zu kürzen, sind Fresenius und FMC bisher standhaft geblieben. Obwohl bereits düstere Wolken durch Corona über der Welt aufzogen, verkündete Sturm im Februar für 2019 sogar zum wiederholten Mal eine Erhöhung der Dividende. Einzig die Hauptversammlungen von Mutter und Tochter wurden bis auf unbestimmte Zeit verschoben.

Wie die Lage beim Konzern genau aussieht, dürfte sich wohl mit den Quartalszahlen zeigen, die an diesem Mittwoch (6. Mai) vorgelegt werden sollen. Trotz Corona hat sich Sturm bislang zuversichtlich gezeigt und darauf verwiesen, dass die Produkte des Konzerns in der Krise mehr denn je gefragt seien. Und auch Deutschlands größter Krankenhausbetreiber Helios mit seinen 86 Kliniken und 126 medizinischen Versorgungszentren hat mitgeteilt, dass die Covid-19-Pandemie zwar negative, aber nicht wesentliche finanzielle Effekte haben dürfte. Das ist allerdings auch kein Wunder, denn der Corona-Rettungsschirm des Bundes sichert den Kliniken im Land umfassende finanzielle Unterstützung zu.

Ein Sicherheitsnetz hat Fresenius aber auch in seine Prognose eingebaut: Die Ziele lassen mögliche negative Effekte durch die Pandemie nämlich komplett außen vor.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von den im dpa-AFX-Analyser seit Jahresbeginn erfassten Experten, votiert mit neun Stimmen die Mehrheit für einen Kauf der Fresenius-Aktie, sechs empfehlen das Papier zu halten. Kein einziger Experte stimmt für einen Verkauf des Papiers.

Das durchschnittliche Kursziel liegt bei gut 53 Euro - und damit deutlich über dem aktuellen Stand von rund 40 Euro. Viele Analysten betrachten das Fresenius-Papier aktuell deshalb als Schnäppchen. Eine von ihnen ist Bernstein-Analystin Lisa Bedell Clive. Sie sieht Fresenius als Profiteur der Corona-Krise und stufte deshalb das Papier vor wenigen Wochen auf "Outperform" hoch.

Zwar sei der Markt aktuell wegen der Verschuldung des Medizinkonzerns besorgt, doch halte sie selbst die diesbezüglichen Risiken für gering, schrieb die Branchenbeobachterin. Angesichts der aktuellen Virus-Krise erhielten die Krankenhäuser nun Geld vom Bund und die Tochter Helios sei hier die erste in der Reihe. Bei Kabi könnte sich das Blatt zudem nun wenden, glaubt die Analystin: Eine steigende Zahl an Krankenhausaufenthalten im ersten Halbjahr zusammen mit Verwerfungen in der Lieferkette könnte im US-Markt für intravenöse Generika zu Engpässen führen. Davon könnte Kabi profitieren.

Ähnlich optimistisch äußert sich Veronika Dubajova von der US-Investmentbank Goldman Sachs: Während Corona bei vielen Unternehmen aus dem engeren oder weiteren Kreis der Medizintechnik für kräftige Gewinneinbußen sorgen sollte, dürften Fresenius und seine Tochter FMC ihrer Einschätzung nach weitgehend verschont werden.

Die Expertin hatte zuletzt zwar ihr Kursziel für Fresenius gesenkt (von 53 auf 47), hielt aber ihre Kaufempfehlung weiter aufrecht. Mehr noch: FMC steht seit Mitte April wegen des hohen Potenzials zu ihrem Kursziel von 84 Euro auf ihrer Favoriten-Liste ("Conviction Buy List"). Denn anders als etwa auf erneuerte Zahnprothesen oder Hörgeräte könnten Patienten auf die lebenswichtigen Dienstleistungen von FMC kaum verzichten. Auch höhere Kosten etwa für mehr Personal oder Gehaltsanhebungen dürfte FMC durch die von der US-Regierung auf den Weg gebrachten Hilfspakete in der Corona-Krise weitgehend abfedern können, glaubt Dubajova.

Mit ihrem positiven Votum ist auch sie in guter Gesellschaft: Elf der im dpa-AFX Analyser erfassten Experten empfehlen derzeit den Kauf der FMC-Aktie, sechs stimmen für "Halten". Nur die Analysten von Morgan Stanley, die sich allerdings seit Dezember nicht mehr zum Papier geäußert haben, raten zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 80,37 Euro, beim gegenwärtigen Stand der Aktie bei etwa 70 Euro ist also auch hier noch Luft nach oben.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Von den beiden im Dax gelisteten Titel des Fresenius-Konzerns hat derzeit ganz klar die Aktie der Tochter FMC die Nase vorn. Kein Wert im gebeutelten Dax hat sich seit dem Corona-Crash ab dem 24. Februar stabiler gezeigt als der Dialyseanbieter. So kommt FMC seither unter dem Strich auf ein Minus von knapp acht Prozent, nachdem die Anteilscheine bis Mitte März in der Spitze um mehr als 30 Prozent eingebrochen waren. Die Fresenius-Aktie selbst liegt aktuell in etwa gleichauf mit dem deutschen Leitindex - auch sie hat seit dem Februar-Rückschlag gut ein Fünftel verloren. Allerdings war es im Tief für Fresenius sogar um fast zwei Drittel abwärts gegangen.

Beide Medizin-Papiere eint wiederum, dass sie von ihren bisherigen Rekordständen weit entfernt sind. Bei Fresenius ging es nach dem Hoch im Juni 2017 bei rund 80 Euro über Monate beständig abwärts, bis die beiden Gewinnwarnungen binnen weniger Monaten Ende 2018 der Aktie entscheidende Dämpfer verpassten. Von diesem Schlag hatte sich der Kurs selbst bis Ende Februar 2020 nur teilweise erholt, als der Corona-Crash den Anlegern die nächste eiskalte Dusche verpasste.

Noch deutlich unruhiger sieht der Chart bei FMC in den vergangenen Jahren aus. Die Aktie erreichte Anfang Februar 2018 bei rund 94 Euro ihr vorläufiges Hoch, doch dann wurden im Laufe des Jahres bei FMC einige Probleme offenbar. So bekam die Dialyse-Tochter Gegenwind in den USA, dem wichtigsten Markt des Konzerns, und in schwächelnden Schwellenländern wie Argentinien. Auch ein Vergleich mit den US-Behörden wegen Schmiergeldzahlungen und regulatorische Vorgaben zulasten der Dialyseanbieter vertrieben die Anleger. Auch 2019 blieb das Papier in eher unruhigem Fahrwasser.

Zuletzt liefen die Geschäfte bei FMC jedoch wieder besser, auch weil das Unternehmen mit der Übernahme des US-Unternehmens NxStage in den Markt für Heimdialyse eingestiegen ist. Dem Kurs hat das gut getan. Im vergangenen Februar erreichte die Aktie ihr bisheriges Jahreshoch bei 81,10 Euro, danach wurde auch sie zunächst vom Corona-Crash mitgerissen.

Bei der Marktkapitalisierung liegen beide Unternehmen mit etwas mehr als 21 Milliarden Euro gleichauf. Im Dax-Ranking bewegen sich die Konzerne damit im unteren Mittelfeld. Fresenius hält derzeit knapp 32 Prozent der Fresenius-Medical-Care-Anteile, kann aber wegen der besonderen Rechtsform einer AG & Co. KGaA, also eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), deren Komplementär eine Aktiengesellschaft ist, das Geschäft voll in die eigenen Bücher nehmen./tav/kro/mis/zb/he