Angesichts des in Europa trüben Wachstumsausblicks und der man  gelnden Investitionstätigkeit im Privatsektor drängen viele Politiker auf einen stärkeren Beitrag staatlicher Investitionen zur Belebung des Wachstums und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. "Unseren Erkenntnissen nach sind dazu Investitionen in drei Bereiche bestens geeignet: Infrastruktur, Energiesicherung und Verteidigung sollten von lokalen Regierungen als strategische Prioritäten behandelt und Initiativen zur Steigerung der Energieeffizienz unterstützt werden. Investitionen in den Verkehr, die Strom- und Wasserversorgung, öffentliche Gebäude wie Schulen und Krankenhäuser, saubere Energie und die Diversifizierung von Energiequellen/-netzen fördern den gesellschaftlichen Fortschritt, da sie alle Aspekte unseres Lebensumfelds berühren," meint Zoltan Arokszallási, Chief Analyst CEE Macro/Fixed Income Research bei der Erste Group.

Nach der Eskalation des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine wird den vernachlässigten Investitionen sowohl in die Energiesicherheit (weitere Diversifizierung von Energiequellen/-netzen) als auch in die Verteidigung wohl ein hoher Stellenwert zukommen. Ungarn, Tschechien und die Slowakei haben nur etwa die Hälfte des NATO-Richtwerts von 2% des BIP für Verteidigung ausgegeben, wobei insbesondere Investitionen und die Anschaffung von Ausrüstung unter Druck geraten sind.

Zur Finanzierung von Energiesicherheits- und Infrastrukturprojekten sollten die  Regierungen versuchen, so weit wie möglich EU-Mittel auszuschöpfen. In der Programmperiode 2014-2020 sind für die CEE-Länder aus dem Kohäsionsfonds Mittel in Höhe von EUR 167 Mrd vorgesehen. Dazu kommen noch weitere EUR 33 Mrd aus dem Programm "Connecting Europe" (CEF).

Allerdings besteht nach wie vor ein enger Zusammenhang zwischen der Absorptionsquote von EU-Mitteln und dem Korruptionsindex und der Qualität staatlicher Institutionen. Damit sind tiefgreifende Reformen staatlicher Institutionen und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung für die Steigerung der Aufnahme von EU-Mitteln entscheidend. Die CEE-Länder liegen in diesen Bereichen mit Ausnahme von Polen, das die größten Fortschritte verzeichnen konnte, hinter den baltischen Staaten.

"Da der fiskalpolitische Spielraum für umfangreichere öffentliche Investitionen begrenzt ist, sollten die Regierungen bei ihren Prioritäten bleiben, sich aber gleichzeitig auf die Verbesserung der staatlichen Institutionen und des wirtschaftlichen Umfelds konzentrieren. Dies ist nicht notwendigerweise mit hohen Kosten verbunden, schafft aber die Grundlage für private Investitionen und günstigere Finanzierungen", soArokszallási.

Als weiterer Wachstumstreiber könnte sich laut Analysten der Erste Group eine kräftige Förderung des Informations- und Kommunikationstechnologiesektors (IKT) erweisen. "Angesichts der global zunehmenden digitalen Vernetzung müssen Volkswirtschaften mit der Entwicklung moderner Telekommunikationstechnik Schritt halten. Hier darf CEE nicht zurückbleiben, wenn es den wirtschaftlichen Aufstieg schaffen möchte. Ein Meilenstein könnte durch verstärkte Investitionen in die Netze gelegt werden, da die Breitbandabdeckung über Festnetz und Mobilfunk in CEE schwächer ist. Außerdem verfügt in CEE  ein geringerer Anteil der Haushalte über einen Internetzugang als in den Ländern Westeuropas", erklärt  Katarzyna Rzentarzewska, Senior Analyst bei der Erste Group. Mit der gezielten Förderung des IKT-Sektors könnten wissensintensive Bereiche in der Sachgütererzeugung und im Dienstleistungssektor zu treibenden Kräften des Wachstums in CEE werden.  

Wie die CEE-Länder den Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter als nächste große Herausforderung bewältigen werden, kann auf ihr potentielles BIP-Wachstum positive oder negative Auswirkungen haben. Während in Ländern wie Tschechien und Slowenien die Bevölkerung im Erwerbsalter nur geringfügig zurückgehen wird, prognostiziert man für Polen und die Slowakei bis 2080 einen Rückgang dieser Bevölkerungsgruppe um 40-50%.

Um ihr Wachstumspotenzial zu erhalten, sollten die CEE-Länder folgende Lösungen in Betracht ziehen: Erhöhung der Erwerbsbeteiligung; Reform der Pensionssysteme, um die Frühpension weniger attraktiv zu machen und Anreize für eine längere Lebensarbeitszeit schaffen; Erhöhung der Frauenbeschäftigungsquote, die derzeit um durchschnittlich 13 Prozentpunkte unter jener der Männer liegt; Umsetzung einer aktiveren und flexibleren Einwanderungspolitik gegenüber Nicht-EU-Ländern, um hochqualifizierte Fachleute in die Region zu bringen. "Dividiert man die derzeit aktive Bevölkerung durch die für die Zukunft erwartete Bevölkerung im Erwerbsalter, erkennt man, dass die Erwerbsquote im Jahr 2040 um durchschnittlich 11,8 Prozentpunkte höher sein muss als 2013, um das Arbeitskräfteangebot stabil zu halten. Kombiniert man die Maßnahmen zur Steigerung der Frauenbeschäftigung und verlängert man die durchschnittliche Lebensarbeitszeit, könnte sich das Arbeitskräfteangebot trotz des Rückgangs der erwerbsfähigen Bevölkerung stabilisieren", erklärt Rzentarzewska.

Wie die Studie der Erste Group weiters unterstreicht, kann eine bessere Ausrichtung des Bildungsangebots auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes von entscheidender Bedeutung sein. Zwar geben die meisten CEE-Länder weniger für Bildung aus als der europäische Durchschnitt, doch letztlich zählt nicht die Höhe der Ausgaben der CEE-Länder, oder die Zahl der vom Bildungssystem erfassten Menschen, sondern die Qualität des Bildungssystems. Wenn sich das Bildungssystem mehr auf Problemlösungskompetenzen konzentriert, statt auf die Vermittlung und Prüfung von umfangreichem enzyklopädischem Stoff, könnte die Effizienz deutlich verbessert werden, ohne notwendigerweise höhere Kosten zu verursachen.

Fallstudie: Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) wird für CEE-Länder zum Wettbewerbsvorteil

Die CEE-Region ist dabei, sich zu einem Technologie-Nest zu entwickeln. Unternehmer, Investoren und einige Regierungen haben die Chancen erkannt, die sich durch eine traditionell stark polytechnisch geprägte Ausbildung, vergleichsweise niedrige Arbeitskosten und die Dynamik einer offenen, kosmopolitisch eingestellten jungen Generation ergeben.

Eine Reihe neu gegründeter CEE-Technologieunternehmen zählt heute zu globalen Erfolgsstorys in der Virenschutztechnik. Tschechien wurde dank der starken Position von Avast und AVG zu einem der führenden Länder für Antiviren-Software. Die beiden Unternehmen halten weltweit einen Marktanteil von 24,9%, was 400 Millionen aktiven Nutzern entspricht.

Ungarische Unternehmen wie Prezi, Ustream und LogMeln sind weitere Beispiele für weltweit erfolgreiche Innovationen aus CEE. Diese Unternehmen wurden jedoch außerhalb Ungarns (vielfach im Silicon Valley) finanziert, was es ihnen erleichtert hat, international Fuß zu fassen. Schon länger im Geschäft, aber ebenfalls sehr prominent ist die 1982 gegründete Firma Graphisoft, einer der weltweit führenden Hersteller von Architektursoftware.

Polens ehemaliger Premierminister Tusk überreichte US-Präsident Barack Obama als ganz besonderes Geschenk das Videospiel The Witcher und zeigte, wie ein CEE-Land Produkte mit hoher Wertschöpfung liefern und damit international Anerkennung finden kann. Auch die globalen Aktivitäten anderer Unternehmen des IKT-Sektors, wie zum Beispiel Comarch (internationale Software-Schmiede) oder SALESmanago (Marketing Automation - eine der zwölf größten Plattformen weltweit) demonstrieren das Potenzial des IKT-Sektors in CEE.

Gleichzeitig nutzen auch globale Player intensiv Chancen im IKT-Bereich. Unternehmen wie Siemens, Ericsson, IBM, SAP, Microsoft und ENVOX haben in der Region eigene Planungs-, Handels- und Servicebetriebe gegründet und bauen diese weiter aus. In Rumänien haben mehr als 50 internationale IT-Unternehmen Büros eröffnet. Die IT-Branche beschäftigt dort derzeit mehr als 64.000 Fachleute, womit Rumänien - am Anteil der im Technologiesektor Beschäftigten gemessen - EU-weit an der Spitze liegt und weltweit den sechsten Rang einnimmt.

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