BERLIN (Dow Jones)--Kurz vor dem Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 steht der jahrelange Rechtsstreit um weitere Entschädigungszahlungen für den beschleunigten Atomausstieg vor der Beilegung. Die Bundesregierung hat sich mit den vier Atomkraftbetreibern ENBW, Eon/PreussenElektra, RWE und Vattenfall auf weitere Ausgleichszahlungen in Höhe von etwa 2,428 Milliarden Euro geeinigt, wie die Ressorts Umwelt, Wirtschaft und Finanzen mitteilten. Im Gegenzug verzichten die Unternehmen auf sämtliche Klagen oder Rechtsbehelfe.

Konkret gehen 1,425 Milliarden Euro an den schwedischen Versorger Vattenfall, 880 Millionen Euro an den Essener Dax-Konzern RWE, 80 Millionen Euro an Staatsversorger Energie Baden-Württemberg AG und 42,5 Millionen Euro an die Eon-Atomtochter PreussenElektra. Dies soll in den kommenden Tagen detailliert in einem Vertrag geregelt werden, dem auch der Bundestag zustimmen soll.

Allerdings muss zuvor noch die EU-Kommission grünes Licht für die Einigung geben. Anschließend sollen die Regelung in das erneut geänderte Atomgesetz einfließen, dann in 18. Novelle. Im Januar hatte das Umweltministerium noch einen Entwurf vorgelegt, der die Entschädigungsfragen noch offenließ. Die Bundesregierung betonte, dass die Einigung auch keine Folgen für den Atomausstieg habe, wonach das letzte deutsche Kernkraftwerk spätestens Ende 2022 vom Netz gehen soll.

Vattenfall hatte auch gegen die Bundesrepublik vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in Washington (ICSID) auf Entschädigung geklagt. Der Konzern will nun seine dort noch anhängige Klage zurücknehmen, hieß es von der Bundesregierung. Der Fall ist auf der ICSID-Webseite zwar noch als anhängig gekennzeichnet, allerdings hat das Gericht demnach am Donnerstag eine neue Prozessanordnung erlassen.

Zuletzt hatte auch das Bundesverfassungsgericht im November 2020 eine Entschädigung angemahnt und das entsprechende Atomgesetz für rechtswidrig erklärt. In diesem Fall wie auch vor dem Washingtoner Schiedsgericht ging es um den Ausgleich für sogenannte Reststrommengen, welche sowohl Vattenfall als auch RWE nicht mehr in konzerneigenen Anlagen erzeugen konnten. Diese Mengen waren beiden Versorgern in ihren Atomkraftwerken beim ersten Atomausstiegsbeschluss 2002 zunächst zugeteilt und mit der Wende nach Fukushima 2011 wieder gestrichen worden.

In den Fällen der Versorger ENBW und PreussenElektra geht es vor allem um Investitionen, welche die Unternehmen im Vertrauen auf die 2010 in Kraft getretene Laufzeitverlängerung getätigt hatten. Diese wurden dann aber 2011 entwertet. Die Eckpunkte sehen ergänzend vor, dass die Eon-Tochter über die rechnerisch ihrem Miteigentumsanteil entsprechenden Strommengen der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel frei verfügen, sie also in ihren konzerneigenen Kraftwerken verstromen kann.

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March 05, 2021 05:34 ET (10:34 GMT)