ESSEN (dpa-AFX) - Eon und sein früherer Konkurrent RWE haben in den letzten beiden Jahren den Strommarkt neu geordnet. Aus Wettbewerbern wurden eher Branchenkollegen. An diesem Mittwoch legt Eon erstmals eine Bilanz in neuer Struktur vor. Was bei Eon los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI EON:

Das abgelaufene Jahr war ereignisreich für Eon. Der Energiekonzern hat nicht nur den Deal mit RWE endgültig abgeschlossen, auch die Corona-Krise hat sich gerade zu Beginn bei Eon ausgewirkt. In Folge des ersten Lockdowns hatten die Essener mit einer sinkenden Stromnachfrage zu kämpfen, das hatte sich auch im November in den Zahlen für die ersten neun Monate bemerkbar gemacht. Da konnte der Vorstand aber schon wieder vermelden, dass die durch die Netze beförderten Mengen bereits wieder auf Vorjahresniveau angekommen seien. Die neuen Maßnahmen hätten keine Auswirkungen, hieß es zum damaligen Zeitpunkt.

Vor diesem Hintergrund sah der Konzern keinen Grund, an seinen Jahreszielen erneut etwas zu ändern. Die hatte Eon bereits zum Halbjahr gesenkt - zuletzt sah sich der Konzern aber auf Kurs. Der Konzern geht für 2020 damit von einem bereinigten operativen Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 3,6 bis 3,8 Milliarden Euro und einem bereinigten Konzernüberschuss von 1,5 bis 1,7 Milliarden aus.

Mit dem bisherigen Jahresverlauf war das Management im November zufrieden: Die Folgen der Pandemie konnten begrenzt werden, "unser Geschäftsmodell hat in der Krise seine hohe Resilienz bewiesen", erklärte Finanzchef Marc Spieker. Daher bestätige der Konzern auch seine Dividendenpolitik: Eon will diese bis zur Ausschüttung für 2022 weiter jährlich um bis zu fünf Prozent steigern.

Die Integration von Innogy schreite planmäßig voran, berichtete Eon im November. Die vorgesehenen Synergien aus dem Tauschgeschäft mit RWE von rund 740 Millionen Euro ab 2022 und rund 780 Millionen ab 2024 werde Eon wie geplant erzielen. Wie bei Ex-Konkurrent RWE ist es die letzte Jahresbilanz, die der bisherige Chef präsentiert. Johannes Teyssen verlässt den Konzern zum 1. April. RWE-Chef Rolf Martin Schmitz gibt seinen Posten ebenfalls zeitnah ab. Damit beenden genau die beiden ihre Karriere, die den Deal und die Neuordnung des deutsche Energiesektors eingefädelt hatten.

In einem spektakulären Coup hatten Teyssen und Schmitz die Geschäfte der Dax-Konzerne neu verteilt. Eon konzentriert sich ganz auf die Netze und den Verkauf von Strom und Gas. RWE ist zum reinen Stromerzeuger und -händler geworden. Kleinere Versorger sehen das mit Sorge. Eon und RWE könnten "mittelständische Wettbewerber aus dem Markt drängen", warnen sie. Mit zwei Klagen vor dem Gericht der Europäischen Union versuchen sie, die Genehmigung des Deals durch die Brüsseler Kommission nachträglich zu Fall zu bringen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von den 15 im dpa-AFX-Analyser seit November gelisteten Experten sprechen sich mehr als die Hälfte für "Kaufen" aus. Sechs Analysten würden die Aktie "halten", nur ein Experte rät zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 10,50 Euro.

Mit einem Kursziel von 13 Euro ist das Analysehaus Kepler Cheuvreux besonders optimistisch. Aber auch Bernstein, die NordLB und Barclays liegen mit ihren Erwartungen über dem Schnitt. Bernstein und Barclays verweisen auf die Einigung des Bundes mit den Versorgern in Deutschland in Sachen Entschädigung für den Atomausstieg. Die Einigung sei ein sehr erfreuliches Ereignis sowohl für Eon als auch RWE, schreibt Bernstein-Analystin Deepa Venkateswaran.

Analyst Peter Crampton von Barclays ergänzt: Zwar sei das alles nicht neu, aber die damit nun wohl anstehende Kompensation im Umfang von 2,4 Milliarden Euro habe sicher kaum jemand aktuell auf dem Schirm gehabt. Analyst Holger Fechner von der NordLB begründet seine positive Sicht auch mit der Innogy-Übernahme. Eon habe in den ersten neun Monaten weiter von dem Deal profitiert und die Mittelfrist- und Dividendenziele bis 2022 bestätigt.

Es gibt aber auch kritische Stimmen: Die Schweizer Bank Credit Suisse hatte ihr Kursziel erst Ende Februar leicht gesenkt. Das reflektiere vor allem die niedrigere Bewertung des deutschen Netzgeschäfts, schreibt Analystin Wanda Serwinowska. Sie rechnet hier mit einem steigenden Investitionsbedarf. Alte Anlagen müssten ersetzt werden, zudem müsse das Netz an die Erzeuger erneuerbarer Energien angeschlossen werden.

Dazu betont Analyst Guido Hoymann vom Bankhaus Metzler, die Nettoverschuldung sei durch die Integration von Innogy stärker gestiegen als er erwartet habe. Dies begrenze die Investitionsmöglichkeiten und mache ihn verwundbar durch steigende Zinsen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Innerhalb der vergangenen zwölf Monate hat das Papier von Eon zwar leicht zugelegt - betrachtet man allerdings den Zeitraum ab dem Corona-Crash, sieht es wesentlich schlechter aus. Die dadurch verursachte Delle konnte die Aktie bisher nicht ausbügeln, auch wenn sich der Kurs der Eon-Aktie zum Teil wieder erholt hat. Noch im Februar 2020 hatte die Aktie ein Mehrjahreshoch von mehr als elf Euro erreicht.

In kürzester Zeit fiel der Kurs dann auf ein Tief bei unter acht Euro - das war vor etwa einem Jahr. Bis Juli konnte sich der Kurs etwas berappeln, so dass er wieder bei knapp elf Euro stand. Dieses Niveau konnte die Aktie aber nicht halten. Seitdem ging es wieder nach unten - auf zuletzt etwas weniger als neun Euro. Damit gab es seit Ende 2019 kaum eine Dax-Aktie, die schlechter als das Eon-Papier gelaufen ist.

Seit 2018 pendelt das Papier über weite Strecken in der Spanne von rund acht bis zehn Euro. Auch der Anfang 2018 angekündigte Innogy-Deal beflügelte die Aktie nicht nachhaltig. Von ihrem Rekordhoch von rund 45 Euro Anfang 2008 sind die Anteile des 2000 aus der Fusion der beiden Mischkonzerne Veba und Viag entstandenen Unternehmens meilenweit entfernt.

Besonders schmerzlich ist der Vergleich mit RWE seit der Ankündigung des Innogy-Deals. Während der Aktienkurs des Konkurrenten kräftig davon profitierte, konnte das Eon-Papier kaum davon profitieren. So zogen die RWE-Aktien seit März 2018 um fast 80 Prozent an und konnten damit die Verluste der Vorjahre, die zum Teil auf den von der Bundesregierung beschlossenen Atom-Ausstieg zurückzuführen sind, wieder etwas ausbügeln.

Die beiden Papiere der Versorger zählen zu den großen Verlierern seit der Finanzkrise - dies ist unter anderem auf die politischen Kurswechsel in der Energiepolitik zurückzuführen. So büßte das RWE-Papier seit dem Rekordhoch von rund 102 Euro 2008 fast 70 Prozent ein; Eon-Aktien verloren im Vergleich zum Rekordhoch sogar 80 Prozent.

Der Kursverlust spiegelt sich auch in der Bedeutung im Dax. So sind die beiden Konzerne an der Börse derzeit jeweils nur noch etwas mehr als 20 Milliarden Euro wert und liegen damit in der unteren Hälfte des Leitindex. Das war 2008 noch anders - da war Eon mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 100 Milliarden Euro der wertvollste deutsche börsennotierte Konzern und RWE rangierte mit mehr als 50 Milliarden Euro noch in der Top Ten./knd/eas/zb/jha/