--Übernahmeangebot im Juni, Abschluss Ende August

--Deutsche-Wohnen-Aktie gut 15 Prozent im Plus, Vonovia-Aktie sinkt

--Land Berlin sollen 20.000 Wohnungen angeboten werden

(NEU: Details, Analystenstimmen, Kursreaktion)

Von Claudia Nehrbass und Ulrike Dauer

BERLIN (Dow Jones)--Im DAX zeichnet sich kurzfristig eine milliardenschwere Fusion der beiden größten deutschen Wohnimmobilienunternehmen ab, die durch das Kassieren des Berliner Mietendeckels durch das Bundesverfassungsgericht beflügelt wurde. Die Nummer Eins, Vonovia, will die Nummer Zwei, Deutsche Wohnen, mit Sitz in Berlin für gut 18 Milliarden Euro übernehmen.

Nach dem Zusammenschluss würde ein Immobilienriese mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 48 Milliarden Euro, knapp 550.000 Wohnungen und einem Immobilienportfoliowert von fast 90 Milliarden Euro entstehen. Beide Unternehmen zusammen wollen Kosten in Höhe von 105 Millionen Euro pro Jahr einsparen, in vollem Umfang ab Ende 2024. Betriebsbedingte Kündigungen im Zusammenhang mit der Transaktion schließen beide Konzerne bis Ende 2023 aus, Vonovia-CEO Rolf Buch rechnet durch den Zusammenschluss langfristig mit einem Arbeitsplatzaufbau. Dem Land Berlin sollen laut Investorenpräsentation etwa 20.000 Wohnungen angedient werden, wie beide Unternehmen auf einer Pressekonferenz mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller bekräftigten.

Im Markt kamen die Pläne unterschiedlich an. Im frühen Handel kletterten die Aktien von Deutsche Wohnen um gut 15 Prozent, Vonovia-Aktien gaben rund 6 Prozent nach. Die Analysten unter anderem von Berenberg und Baader-Helvea bewerteten das Angebot als attraktiv. Berenberg rechnet mit einer hohen Annahmequote, die angepeilten Kostensynergien seien erreichbar, und der neue Konzern werde von den Entwicklungsaktivitäten von Deutsche Wohnen profitieren.


   Pläne zum jetzigen Zeitpunkt überraschend - Mietendeckel-Urteil beflügelt 

Die Pläne kommen zum jetzigen Zeitpunkt überraschend. Sowohl Vonovia-CEO Buch als auch Deutsche-Wohnen-CEO Michael Zahn hatten bis vor kurzem Nachfragen nach einem möglichen Zusammenschluss eine Absage erteilt. 2016 war ein Übernahmeangebot der Bochumer an die Berliner für 14 Milliarden Euro gescheitert.

Buch sagte in der Medientelefonkonferenz, zum einen habe das Kassieren des Berliner Mietendeckels durch das Bundesverfassungsgericht im April für "eine gewisse Sicherheit gesorgt, wie die Situation in Berlin weitergeht". Vonovia wolle zusammen mit Deutsche Wohnen, dessen Immobilienportfolio mit etwa 76 Prozent des Gesamtbestandes sehr berlinlastig ist, nach den Konfrontationen um den Mietendeckel in Berlin ein neues Kapitel aufschlagen. Zum anderen erforderten die verschärften Klimaziele eine Beschleunigung beim Umbau des Wohnungsbestands und somit hohe Investitionen, was für die gesamte Branche eine Herausforderung sei. "Wir müssen sehr viel Geld in die Hand nehmen", so Buch. Zudem sei das Unternehmen nach dem Zusammenschluss "perfekt aufgestellt" für die Herausforderungen der Entwicklungen im europäischen Wohnungsmarkt.


   Früheres Angebot hatte Deutsche Wohnen abgeschmettert 

Zahn, der stellvertretender Vorstandsvorsitzender im Konzern nach dem Zusammenschluss werden soll, bezeichnete in der Medientelefonkonferenz Vonovias Angebot als "fair". "Wir unterstützen das Angebot", sagte Zahn. Er rechne damit, dass viele Aktionäre das Angebot annehmen werden. Mehrere Übernahmeversuche durch Vonovia waren in den vergangenen Jahren am Widerstand der Deutsche-Wohnen-Aktionäre gescheitert, unter anderem hatte auch Zahn die Vonovia-Offerte in Höhe von 14 Milliarden Euro Ende 2015 als zu niedrig abgelehnt.

Zahn zufolge haben sich in der Zwischenzeit beide Unternehmen "strategisch aufeinander zu bewegt". Man habe heute gemeinsame und andere Herausforderungen als vor fünf Jahren, und die Kultur beider Unternehmen sei heute "nicht feindlich, sondern partnerschaftlich", sagte Zahn, nach seinem Sinneswandel befragt.


   Entwicklungsgeschäft soll nach Fusion ausgebaut werden 

Buch zufolge soll nach dem Zusammengehen das Entwicklungsgeschäft ausgebaut werden, auch extern. Dabei werde man auch Startups unterstützen. Der Zusammenschluss werde "langfristig zu Arbeitsplatzaufbau führen". Die derzeitige Vonovia-CFO Helene von Roeder wird das neu geschaffene Ressort Innovation und Digitalisierung des Konzerns leiten.

Kosten gesenkt werden sollen, wie bei früheren Übernahmen, unter anderem durch eine einheitliche IT-Infrastruktur sowie bessere Konditionen beim Einkauf, so Buch. Die gemeinsame operative Bewirtschaftung des Portfolios, Vonovias eigene Handwerkerorganisation sowie weitere Standardisierung bei Modernisierung und Instandhaltung sollen ebenfalls die Kosten senken.


   Schneller Abschluss erwartet 

Beide Konzerne rechnen mit einem Abschluss der Transaktion Ende August. Vonovia bietet, voraussichtlich im Juni, 52,00 Euro je Aktie in bar für alle ausstehenden Aktien der Deutsche Wohnen. Finanziert werden soll die Transaktion durch Kredite, die unter anderem über eine Kapitalerhöhung zurückgeführt werden sollen, sowie Anleihen und den Verkauf von Wohnungen. Außerhalb Berlins will Vonovia bis zu 25.000 weitere Wohnungen verkaufen.

Inklusive der Bardividende von 1,03 Euro je Aktie, die Aktionäre der Deutsche Wohnen für 2020 erhalten sollen, beträgt der Gesamtwert des Übernahmeangebots 53,03 Euro je Aktie. Die Offerte liegt um 17,9 Prozent über dem Schlusskurs der Deutsche-Wohnen-Aktie vom Freitag (44,99 Euro).

Die Mindestannahmequote für das Zustandekommen des Angebots beträgt 50 Prozent. Abhängig von der Annahmequote werde Deutsche Wohnen weiterhin ein börsennotiertes Unternehmen sein, so Buch.


Keine Kartellprobleme erwartet  - Neuanfang in Berlin 

Kartellrechtliche Probleme sieht Buch keine. Mit mehr als 500.000 Wohnungen sei der Anteil des Konzerns am gesamten Mietwohnungsbestand von 20 Millionen in Deutschland nach dem Zusammenschluss klein, auch in großen Städten. In Berlin etwa sei alleine der kommunale Wohnungssektor doppelt so groß wie das neue Unternehmen.

Zusammen mit dem Berliner Senat wolle man die Themen Förderung von Neubau und mangelnde Wohnungsverfügbarkeit angehen und dem Land in diesem Zusammenhang auch den Erwerb von Wohnungen aus dem eigenen Portfolio anbieten. Dabei soll es sich CEO Buch zufolge nicht um eine "Rekommunalisierung" von früher kommunalen Wohnungen handeln. Neu gebaut werden sollen mindestens 13.000 Wohnungen in Berlin in den kommenden Jahren.

Beide Unternehmen haben sich verpflichtet, in Berlin bis 2026 reguläre Mietsteigerungen im Portfolio auf maximal 1 Prozent zu begrenzen und sie in den beiden danach folgenden Jahren nur im Rahmen des Inflationsausgleichs zu erhöhen, betonte Müller.

Kontakt zu den Autorinnen: ulrike.dauer@wsj.com; claudia.nehrbass@wsj.com

DJG/uxd/jhe

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May 25, 2021 05:44 ET (09:44 GMT)