Rente mit 67: Politik muss den Reformkurs halten

11. Januar 2012

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Mit dem Einstieg in die Rente mit 67 startete zu Jahresbeginn eines der großen Reformprojekte des vergangenen Jahrzehnts. Dieser Wurf widerlegt verbreitete Vorurteile über mangelnde Reformfähigkeit der Politik. Er zeigt, dass die Akteure hier durchaus zu weitsichtigem und wenig populärem Handeln bereit sind.

Die schrittweise Erhöhung des Rentenalters um zwei Jahre bis 2030 wirkt weit über die gesetzliche Rentenversicherung hinaus positiv für den Standort D. Sie ist ein Schlüssel für weiteres Wirtschaftswachstum in der alternden Gesellschaft. Ein höheres Rentenalter kann die zunehmende Knappheit von Arbeitskräften mindern und den kostenträchtigen Anstieg der Zahl der Rentner bremsen. Das verbessert die Perspektiven für breiten Wohlstand und sorgt für mehr Nachhaltigkeit bei der Rentenfinanzierung.

Darüber hinaus geht es um mehr Generationengerechtigkeit. Es lässt sich nicht rechtfertigen, dass die zahlenmäßig schwach besetzte jüngere Generation für immer mehr Rentner einen immer längeren Ruhestand finanzieren soll. Die durchschnittliche Dauer des Rentenbezugs hat sich in den letzten fünf Jahrzehnten seit 1960 von 9,9 Jahren auf 18,2 Jahre (2009) nahezu verdoppelt. Angesichts der anhaltend steigenden Lebenserwartung ist eine Trendwende hier nicht in Sicht. Gleichwohl findet das höhere Rentenalter in der Bevölkerung weithin wenig Gefallen. Populistisch orientierte politische Kräfte lehnen die Reform deswegen seit jeher ab.

Es kann daher kaum überraschen, dass nun zum Start Vertreter unterschiedlicher politischer Lager die Ampel wieder auf Rot stellen wollen. Sie fordern auf die Anhebung des Rentenalters zu verzichten oder zumindest den Einstieg zu verschieben. Letzteres käme indes dem Ende der Rente mit 67 gleich, zumal die Zahl der davon zeitnah betroffenen älteren Arbeitnehmer und damit die potenzielle Abneigung in der Bevölkerung in den kommenden Jahren zunehmen werden.

Der Ruf nach einem Reformstopp ist verfehlt. Er wird nicht besser dadurch, dass die Protagonisten ihre Forderung mit unzureichenden Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere begründen und einen Neustart des Vorhabens in Aussicht stellen, wenn mehr Ältere in Arbeit sind. Das zeugt von statischem Denken und Fehleinschätzungen in mehrerlei Hinsicht. Die Kritiker scheinen sowohl die neue Dynamik am Arbeitsmarkt für Ältere als auch die Impulse, welche die Reformpolitik dafür geliefert hat, zu ignorieren. Auch ginge Deutschland mit dem Festhalten am Rentenalter 65 einen Sonderweg, für den unsere Partner in Europa kein Verständnis aufbringen dürften.

Am deutschen Arbeitsmarkt gibt es derzeit viele Erfolgsgeschichten. Eine davon ist die bereits kräftig erhöhte Beschäftigung Älterer. So stieg die Beschäftigungsquote der 50- bis 64-Jährigen von rd. 34% im Jahr 2000 auf gut 47% im Juni 2011. Daran hat ein großes Plus bei den 60- bis 64-Jährigen wesentlichen Anteil. Die Beschäftigungsquote dieser Altersgruppe hat sich in den vergangenen elf Jahren von 10,4% auf 27,5% im Sommer 2011 mehr als verdoppelt. Das ist ein bemerkenswerter Zugewinn, auch wenn der jüngste Wert noch deutlich unter der Schwelle von 50% liegt, die Teile der SPD als Voraussetzung für einen Einstieg in ein höheres Rentenalter ansehen. Entgegen einer von interessierter Seite immer wieder vorgebrachten Behauptung expandiert die Beschäftigung der Älteren nicht zulasten der Jungen. Deutschland weist im EU-Vergleich nicht nur eine überdurchschnittliche Erwerbsbeteiligung der 55- bis 64-Jährigen auf, sondern derzeit auch die geringste Jugendarbeitslosigkeit.

Diese Dynamik ist nicht allein dem Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre zu verdanken. Vielmehr reflektiert sie auch neue Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt für ältere Kräfte. Dazu gehört der Abbau einst vielfältiger und in vielen Fällen (zu)  großzügiger Möglichkeiten für vorzeitigen Rentenbezug. Dafür steht etwa die seit 2009 stark reduzierte staatliche Förderung der Altersteilzeit. Aber auch das 2007 verabschiedete "Rentenaltersanpassungsgesetz" gehört zum neuen Kranz der Daten, die älteren Arbeitnehmern signalisieren, dass längere Erwerbstätigkeit sinnvoll ist. So ist das tatsächliche Eintrittsalter bei den Altersrenten seit dem Jahr 2000 von 62,3 auf 63,5 Jahre gestiegen.

Ein verzögerter Einstieg in die Rente mit 67 würde den verbesserten Rahmen für mehr Beschäftigung Älterer beschädigen und damit den positiven Trend in diesem Arbeitsmarktsegment gefährden. Es macht keinen Sinn, höhere Beschäftigungsquoten für Ältere zu fordern und zugleich den Weg dahin zu erschweren.

Für jede Verzögerung bei der Rente mit 67 müssten vor allem die jüngeren Steuer- und Beitragszahler die Zeche bezahlen. Berechnungen des Freiburger Ökonomen Professor Raffelhüschen zufolge müsste der Staat die Rentenkasse bis 2050 zusätzlich mit EUR 90 Mrd. stützen, wenn die Reform abgesetzt würde. Eine Alternative wären Beitragserhöhungen: Der Beitragssatz zur Rente würde bis 2050 um einen Prozentpunkt steigen, anstatt ab 2030 um einen Prozentpunkt zu sinken. Höhere Steuern und Sozialabgaben passen aber nicht zu den Erfordernissen einer alternden Gesellschaft, die möglichst großes Engagement möglichst vieler Bürger in der offiziellen Wirtschaft braucht.

Die Protagonisten eines Aussetzens der Reform sollten auch die negative Signalwirkung eines solchen Salto rückwärts für unsere Partner im Eurogebiet bedenken. Hier haben viele Länder, darunter insbesondere die Krisenstaaten, in jüngerer Zeit substanzielle Erhöhungen des Rentenalters beschlossen. In Italien und Spanien zum Beispiel wird das Rentenalter ebenfalls um zwei auf 67 Jahre erhöht, und zwar bereits bis 2026 bzw. 2027. Irland hat sogar Weichen für eine Rente mit 68 gestellt. Und in Griechenland steigt das Rentenalter in Zukunft mit der Lebenserwartung. Deutschland diente diesen Ländern nicht nur als Vorreiter. Vielmehr haben deutsche Politiker und Medien solche Schritte von den hoch verschuldeten Staaten sogar eingefordert. Daher geht es auch um Glaubwürdigkeit deutscher Politik.

Aus Sicht der Partnerländer kommt ein Weiteres hinzu: Ein höheres Rentenalter  stärkt das Wirtschaftswachstum nicht allein angebotsseitig. Es fördert auch den Konsum, weil eine längere Lebensarbeitszeit die privaten Einkommen erhöht und zudem den Bedarf an Vorsorgesparen tendenziell mindert. So kann ein höheres Rentenalter selbst zur Verminderung der Leistungsbilanzungleichgewichte im Eurogebiet beitragen. 

Für die Reform des Rentenalters sprechen also viele gute Gründe. Deswegen sollte die Politik hier den Kurs halten. Dies schließt mögliche Verbesserungen wie eine größere Flexibilität ein. Die Bürger sollten selbst entscheiden können, ob sie vor oder nach dem gesetzlichen Rentenalter aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Voraussetzung dafür sind indes sachgerechte Ab- bzw. Zuschläge zur Rente bei vorzeitigem bzw. aufgeschobenem Renteneintritt.


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