Zürich (Reuters) - Die vor der Übernahme stehenden Credit Suisse hat in einem weiteren prominenten Gerichtsfall eine Schlappe erlitten.

Das Internationale Handelsgericht in Singapur entschied, dass eine Tochter der Schweizer Großbank beim Schutz von Vermögen des früheren georgischen Premierministers Bidzina Iwanischwili ihre Pflichten verletzt habe. Credit Suisse müsse Iwanischwili einen Schaden von 926 Millionen Dollar ersetzen, hieß es in einem am Freitag veröffentlichten Urteil. Abziehen könne das Institut die in dem Fall bereits bezahlten knapp 80 Millionen Dollar.

"Das heutige Urteil ist falsch und wirft weitreichende Rechtsfragen auf", teilte Credit Suisse in einer Stellungnahme mit. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig, die Bank werde Berufung einlegen. Ein Sprecher Iwanischwilis erklärte, er begrüße das Verdikt. "Wir erwarten, dass die Credit Suisse dem Urteil in vollem Umfang nachkommt und endlich die Verantwortung für ihre Versäumnisse übernimmt."

Iwanischwili war von 2005 bis 2015 Credit-Suisse-Kunde. Einen Teil seines Vermögens vertraute er einer von Credit Suisse in Singapur betriebenen Trust-Gesellschaft an. Doch Betrug und weitere Fehler eines Genfer Kundenberaters brockten ihm hohe Verluste ein, für die er vor dem Gericht in Singapur Schadenersatz von 1,2 Milliarden Dollar forderte. Der Berater wurde 2018 von einem Schweizer Gericht verurteilt, weil er über einen Zeitraum von acht Jahren die Unterschriften ehemaliger Kunden, darunter auch Iwanischwili, gefälscht hatte. Er gab auch zu, sich auftürmende Verluste verheimlicht und selbst Dutzende Millionen Franken eingestrichen zu haben.

Die Richterin in Singapur erklärte, der Credit Suisse sei bewusst gewesen, dass der Kundenberater in eklatanter Weise gegen Weisungen zur Vermeidung von Betrug verstoßen habe. Die Bank habe es vorgezogen, einen großen Kunden zu behalten, statt das Treuhandvermögen sicher zu verwahren.

Die Richterin bezog in ihrem Urteil zur Berechnung des Schadenersatzes nicht nur das gestohlene Geld ein, sondern auch die Folgen schlechter Anlage-Entscheidungen. Einer mit der Situation vertrauten Person zufolge dürfte die Credit Suisse in ihrer Berufung genau an diesem Punkt ansetzen. Denn die Bank gebe bezüglich ders Anlageerfolges keine Garantien ab. Credit Suisse kann den Fall nach dem Berufungsgericht an eine weitere Instanz weiterziehen.

Ein zweites Verfahren mit derselben Stossrichtung hat Iwanischwili, der von 2012 bis 2013 Premier Georgiens war, gegen eine Tochter der Credit Suisse in Bermuda angestrengt. Vergangenes Jahr verurteilte ein Gericht die lokalen Lebensversicherungstochter zu einer Schadenersatzzahlung in Höhe von 607,4 Millionen Dollar. Auch in diesem Fall ging die Bank in Berufung, ein Entscheid steht noch aus.

RÜCKSTELLUNGEN REICHEN NICHT

Das Gericht in Singapur machte klar, dass die Schadenersatzzahlen in Singapur und auf den Bahamas nicht aufsummiert werden dürften. Der mit der Situation vertrauten Person zufolge kann der Schaden nur einmal geltend gemacht werden. Die Überschneidungen beliefen sich auf rund 300 Millionen Dollar. Falls die Berufungsverfahren nicht zu milderen Urteilen führen, muss die Bank zusammen gut 1,1 Milliarden Dollar auf den Tisch legen. Die bereits getätigten Rückstellungen legte die Bank nicht offen. Der mit der Situation vertrauten Person zufolge reichen diese allerdings nicht aus, um Kosten in dieser Größenordnung abzudecken.

Der Fall Iwanischwili ist mit den Prozessen auf den Bermudas und in Singapur für die Credit Suisse wohl nicht ausgestanden. In der Schweiz ist eben ein Verfahren gegen die Bank angelaufen. Das Geldhaus ist zudem mit einer ganzen Reihe von weiteren Fällen beschäftigt, der Abschnitt zu den Rechtsstreitigkeiten im Geschäftsbericht erstreckt sich über elf Seiten. In den vergangenen Jahren legte der Konzern für die Beilegung von Rechtsfällen Milliarden auf den Tisch.

Dazu kamen weitere Skandale und Fehlschläge, die das Kundenvertrauen in das Institut in den vergangenen Monaten erodieren ließen. Angesichts eines existenzbedrohenden Bankensturms schritt die Schweizer Regierung im März ein und orchestrierte eine Übernahme durch den Rivalen UBS. Der Deal soll bis Anfang Juni in trockenen Tüchern sein. Für Rechtsrisiken und regulatorische Angelegenheiten in Zusammenhang mit der Credit Suisse will die UBS weitere vier Milliarden Dollar beiseitelegen.

(Bericht von Oliver Hirt, John Revill und Scott Murdoch. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)