Frankfurt (Reuters) - Die deutschen Banken haben das Ende der Niedrigzinspolitik und seine Folgen nach Ansicht ihrer Aufsichtsbehörde BaFin bisher unbeschadet überstanden.

Bis jetzt erweise sich das weltweite Finanzsystem als stabil, obwohl es seit März einem "Stresstest in Echtzeit" ausgesetzt sei, sagte der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Mark Branson, am Dienstag auf der Jahrespressekonferenz in Frankfurt. Die meisten Institute profitierten von den steigenden Zinsen. "Doch es ist nicht sicher, dass diese schwierige Phase hinter uns liegt." Der BaFin-Chef fordert Konsequenzen aus den Banken-Rettungen in der Schweiz und in den USA. Banken gerieten heute viel schneller in Liquiditätsnöte als in der Finanzkrise 2007/08 - zum Teil binnen Stunden, wenn Kunden online ihr Geld abzögen. "Darauf müssen wir eine regulatorische Antwort finden."

Nach sogenannten "Bank Runs" waren die US-Regionalinstitute Silicon Valley Bank und Signature Bank in die Knie gegangen und mussten aufgefangen werden. Auch bei Credit Suisse hatte der Abzug von Milliarden Kundengeldern die Aufseher auf den Plan gerufen und zu einer staatlich gelenkten Übernahme durch die UBS geführt. Man könne nicht mehr davon ausgehen, dass Kundeneinlagen unter dem Einfluss sozialer Medien und Online-Banking so stabil seien wie die Aufseher nach der Finanzkrise dachten, als das heutige Bankregulierungssystem entstand, sagte Branson.

IRRATIONALE ÄNGSTE TREIBEN AUFSEHER UM

"Bei deutschen Instituten gibt es keine rationalen Gründe für eine Liquiditätskrise. Aber es gibt auch irrationale Ängste", mahnte der Brite, der zuvor die Finanzmarktaufsicht in der Schweiz geführt hatte. "Wir müssen sehr sorgfältig prüfen, ob und wenn ja wie bei Regulierung, Aufsicht oder Abwicklungsplanung nachschärfen sollten." Kleine und mittelgroße Banken müssten abgewickelt werden können, ohne dass die Anleger mit Blick auf die ganze Bankenbranche in Panik gerieten. "Teure, improvisierte und teils staatliche Rettungsaktionen können nicht der richtige Weg sein."

Branson verteidigte aber die Rettung der Credit Suisse: Großbanken wie diese dürften nicht unvorbereitet in Insolvenz gehen. Dass die Aktionäre bei der Übernahme noch Geld bekommen, die Investoren in Zwangswandelanleihen (AT1-Bonds) dagegen leer ausgehen, müsse ein Einzelfall bleiben. Das hatte bei Anlegern für Verunsicherung gesorgt. "Aber eines ist ziemlich klar: Bei einem Problem dieses Ausmaßes hätten die AT1-Anleger in jedem Fall ihr Geld verloren", sagte Branson.

In Deutschland beschäftigen die Aufseher die steigenden Zinsen mehr. "Der Anstieg war lang ersehnt und wirkt sich sehr positiv auf die Ertragslage aus" - wenn die Banken ihr Risiko im Griff hätten, sagte Branson. "Trotzdem müssen wir wachsam sein. Stressphasen entwickeln sich oft in Schüben." Zum einen seien weitere Zinsschritte möglich, zum anderen schlügen sich die Zinseffekte oft erst mit Verzögerung in Bewertungen und Bilanzen nieder. Einige kleinere Banken hätten sich verspekuliert und die Wertpapierbestände um insgesamt 13 Milliarden Euro abschreiben müssen. "Eine Handvoll" stehe nun unter besonderer Beobachtung der BaFin.

(Bericht von Alexander Hübner und Tom Sims, redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)