Der Aktienkurs sprang daraufhin auf etwa 50 €, nachdem er zuvor unter 40 € dahinvegetiert hatte. Dies geschah trotz des eher "informellen" Charakters der Annäherung und zahlreicher sprachlicher Zurückhaltungen von beiden Seiten.
 
Drei Monate später legte ADNOC nach und deutete an, das Angebot könnte auf 60 € pro Aktie steigen. Diese Nachricht ließ den Markt jedoch kalt, und der Aktienkurs fiel auf 47 €.
 
Erneut fielen die merkwürdigen sprachlichen Zurückhaltungen auf, mit einem Angebot, das anscheinend nur "mündlich" kommuniziert wurde und in seinen Entwicklungen sehr offen – "open-ended discussions" – blieb.
 
Die Zurückhaltung des Marktes gegenüber diesen Ankündigungen spiegelt die Skepsis der Anleger wider. Offensichtlich haben diese die politischen Dimensionen dieser Angelegenheit nicht aus den Augen verloren. Es erscheint zweifelhaft, dass die deutschen Behörden es begrüßen würden, wenn eine Golfmonarchie sich eines nationalen Industriejuwels bemächtigt.
 
Zum einen, weil bereits Gerüchte über strategische Differenzen zwischen den beiden Parteien kursieren, insbesondere in Bezug auf nachhaltige Entwicklung; zum anderen könnte der opportunistische Charakter des ADNOC-Angebots gewisse Empfindlichkeiten verletzen.
 
Die Annäherung der Emirate kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Covestro – wie die deutsche Industrie insgesamt – in einer nach wie vor schwierigen Phase steckt, unter anderem bedingt durch hohe Energiekosten und eine suboptimale wirtschaftliche Lage.
 
Der Betriebsgewinn des Konzerns ist seit zwei Jahren im freien Fall, während die Nettoverschuldung rapide ansteigt. In den letzten zwei Jahren deckte der operative Cashflow kaum die Investitionen, was den Vorstand dazu zwang, die Dividende zu kürzen.
 
Die gestern veröffentlichten Quartalsergebnisse zeigen keine Trendwende – im Gegenteil. Vor diesem Hintergrund könnte ADNOC sowohl als Ritter in glänzender Rüstung als auch als Raubvogel erscheinen.
 
Angesichts der heiklen Lage ist es daher nicht verwunderlich, dass der Markt derzeit nur halb überzeugt ist. Arbitrageure sollten die Situation jedenfalls im Auge behalten.
 
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