Berlin/Brüssel/Kopenhagen (Reuters) - Im Streit um das Verbrenner-Aus auf dem Automarkt ist eine Lösung greifbar.

"Mein Verständnis ist, dass es bereits eine Einigung gibt", sagte Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) am Freitag bei einem Besuch in Kopenhagen mit Blick auf das Ringen zwischen Bundesverkehrsministerium und EU-Kommission. Er hoffe, dass seine Interpretation richtig sei. Das federführende Umweltministerium bestätigte eine Einigung zunächst nicht, das Verkehrsministerium äußerte sich nicht. Minister Volker Wissing (FDP) hatte zuvor bestätigt, einen Vorschlag an die Kommission zur Zulassung von Verbrenner-Autos mit sogenanntem E-Fuel auch nach 2035 gesandt zu haben. Dieser lehnt sich inhaltlich stark an Vorstellungen der Kommission an. Das rechtliche Verfahren für eine Umsetzung unterscheidet sich allerdings von den EU-Plänen.

Gäbe es einen Kompromiss bis Freitagnachmittag, könnten ihn die Botschafter der EU-Staaten billigen. Die Mitgliedsstaaten könnten ihn dann nächste Woche auch formal billigen.

Das Verkehrsministerium hatte zuvor einen Brief und Vorschläge an die Kommission geschickt: Demnach soll die Möglichkeit für die Zulassung rein mit E-Fuels betriebener Autos über einen sogenannten delegierten Rechtsakt gesichert werden, wie aus dem Reuters vorliegenden Schreiben hervorgeht. Der Minister selbst erklärte: "Der Genehmigung von neuzugelassenen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren, die ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden, sollte damit auch nach 2035 nichts mehr im Wege stehen." Auf Twitter betonte er: "Unser Vorschlag an die EU-Kommission ist das Aus für das Verbrenner-Aus."

DEBATTE ÜBER VERFAHREN - WISSING MISSTRAUISCH

Inhaltlich liegen Kommission und Wissing nicht weit auseinander und wollen mit einer Änderung der Euro-6-Verordnung eine neue Typenklasse für E-Fuels-Autos schaffen. Diese sollen ausschließlich mit E-Fuels zu betreiben sein und bei anderen Kraftstoffen sofort abschalten.

Allerdings will Wissing den Weg über einen Rechtsakt gehen, der wiederum von Parlament und auch Mitgliedsstaaten gestoppt werden könnte. Die Kommission wollte dies rein über technische Änderungen schneller und aus ihrer Sicht einfacher regeln.

Hintergrund des Wissing-Wegs ist offenbar tiefes Misstrauen gegenüber der Kommission. Dies zeigt sich auch im Begleitschreiben von Wissings Staatssekretär Hartmut Höppner an die Kommission: "Um die Bereitschaft zu unterstreichen, diesen Weg durch entsprechende Legislativvorschläge auch mit dem notwendigen Elan zu verfolgen, bitten wir außerdem darum, dass der Exekutive Vize-Präsident der Kommission, Herr Timmermans, oder die Präsidentin der Kommission, Frau von der Leyen, nach der Annahme der Verordnung in einem Brief die Fortschritte in der Gesetzgebung (...) würdigen und die Umsetzungsschritte der Verordnung detailliert darlegen."

Das federführende Umweltministerium wäre mit einer eigenen E-Fuels-Klasse einverstanden, die auch nach dem Aus für herkömmliche Verbrenner 2035 bestehen könnte. Da die Fahrzeuge ausschließlich mit E-Fuels fahren und diesen erkenne müssten, wäre die Konstruktion solcher Autos nicht einfach. E-Fuels werden mit Hilfe großer Mengen grünen Stroms, Wasserstoffs sowie mit CO2 aus der Atmosphäre produziert. Die Verbrenner sind so klimaneutral, obwohl sie am Auspuff CO2 ausstoßen.

E-Fuels gelten nicht nur als ineffizient, sondern auch als teuer. Bisher gibt es keine nennenswerte Produktion. Diese soll später vor allem im Schiffs- und Flugverkehr eingesetzt werden, der anders als Autos nicht einfach auf Strom umstellen kann.

Wissing hatte bei den Verhandlungen zwischen Kommission, EU-Staaten und Europäischem Parlament zum Verbrenner-Aus im vergangenen Jahr einen Passus für einen Kompromiss durchgesetzt, in dem die Brüsseler Behörde um einen Vorschlag zu den E-Fuels gebeten wird. Dieser Passus ist nicht rechtsverbindlich. Die Kommission wollte ihn zudem erst nach dem formalen Beschluss der Staaten veröffentlichen. Wissing verlangte dann aber überraschend vorher eine Einigung über die E-Fuels.

(Bericht von: Markus Wacket, Christian Krämer und Kate Abnett; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)