DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Gut sechs Wochen vor den Sommerferien in Nordrhein-Westfalen gibt es Hoffnungen auf Reise-Erleichterungen trotz der Corona-Pandemie. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) will ein rasches Ende der Grenzschließung. "Es tut mir in der Seele weh, wenn ich sehe, dass die Schlagbäume in Europa wieder unten sind", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwoch). "Deshalb sollten wir in dieser Woche die Grenzschließung beenden und Europa wieder herstellen", erklärte der Düsseldorfer Regierungschef. Es brauche nun Regeln, die die Menschen vor der Ausbreitung des Corona-Virus schützen, aber nicht an nationalen Grenzen Halt machten.

"Wir stehen in Nordrhein-Westfalen in engem Austausch mit unseren Nachbarn in Belgien und den Niederlanden, um gemeinsam gegen die Pandemie zu kämpfen und hier perspektivisch den grenzüberschreitenden Tourismus wieder zu ermöglichen", sagte Laschet. Ob touristische Reisen wieder stattfinden könnten, müsse im Lichte der Infektionszahlen europäisch abgestimmt entschieden werden. "Wir brauchen schnell eine Lösung auch für die Grenze zu Frankreich und Luxemburg, um die offenen Grenzen im Schengenraum wiederherzustellen", sagte der Ministerpräsident der "Süddeutschen Zeitung".

NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff fordert angesichts der gravierenden wirtschaftlichen Folgen der anhaltenden Corona-Krise eine rasche Grenzöffnung. "Wir brauchen doch schnell eine koordinierte Rückkehr in eine europäische Normalität. Ohne unseren EU-Binnenmarkt geht die dringend notwendige wirtschaftliche Genesung des gesamten Kontinentes schief. Ohne offene Grenzen stehen schon bald Millionen Arbeitsplätze auf dem Spiel", sagte der Präsident von Unternehmer NRW, der "Rheinischen Post" ("RP", Mittwoch).

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Hoffnung auf eine schrittweise Öffnung der Grenzen zu den Nachbarländern gemacht. Veränderungen bei den Grenzkontrollen müssten immer in Kooperation mit den Nachbarn gemacht werden, sagte Merkel am Dienstag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen in einer virtuellen Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag. Dabei werde es häufig einen zweistufigen Prozess geben. Ihr sei wichtig, dass die Kontrollen nicht "bis ultimo" fortgesetzt würden, wurde Merkel zitiert.

Wenn es das Infektionsgeschehen hergebe, habe man eine klare Perspektive zur Wiederherstellung der Schengen-Systems offener Binnengrenzen in der EU, sagte Merkel demnach. Das Allernotwendigste sei die Öffnung der Grenzübergänge insgesamt. Es werde an vielen Stellen aber ein zweistufiger Prozess sein. Das Thema werde an diesem Mittwoch im Kabinett besprochen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wolle sich bis Freitag zu dem Thema äußern. Auch die Frage der Quarantäne bei der jeweiligen Einreise müsse geklärt werden - auch hier wisse die Regierung dass es eine Perspektive geben müsse.

Laschet hatte sich schon für eine Quarantäne-Lockerung ausgesprochen. "Wenn Frankreich den Lockdown am 11. Mai beendet, brauchen wir eine Lockerung für Rückkehrer aus den europäischen Ländern", sagte er der "RP" (Dienstag). In diesem Punkt herrsche Einigkeit mit den Regierungschefs aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland.

Derzeit muss sich jeder, der aus dem Ausland nach Deutschland einreist, für zwei Wochen in Quarantäne begeben. Ausnahmen gelten unter anderem für Berufspendler. Unter rein gesundheitlichen Gesichtspunkten seien solche Unterschiede nicht einleuchtend, sagte der Münsteraner Rechtsprofessor Janbernd Oebbecke der dpa.

Falls kein Bund-Länder-Konsens in der Frage zu erzielen sei, könnte NRW seine Corona-Einreiseverordnung am 30. Mai im Alleingang auslaufen lassen. Dies betreffe dann aber nur die Quarantäne - nicht die von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zu entscheidende Frage der Kontrollen an deutschen Außengrenzen, unterstrich Oebbecke.

Unterstützung für den Vorstoß zur Quarantäne-Lockerung erhält Laschet vom deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) sowie aus der FDP - Gegenwind hingegen von seinem Mitbewerber um den Posten des CDU-Chefs, Norbert Röttgen. Der CDU-Außenpolitiker kritisierte in der "Passauer Neuen Presse" eine zu große Sorglosigkeit in Deutschland durch "die verfrühten Lockerungen". Er sehe "keinen Grund, dass wir uns mehr Freizügigkeit erlauben können", sagte Röttgen.

Der DEHOGA NRW hat eine andere Sicht: "Wir sind der Meinung, dass das Ansteckungs- und Infektionsrisiko diesseits und jenseits der Grenzen kein grundsätzlich höheres oder niedrigeres ist", teilte der Landesverband auf dpa-Anfrage mit. "Deshalb unterstützen wir politische Überlegungen, die zeitnah Quarantäne-Maßnahmen nach Grenzübertritten aufheben möchten, weil wir eine neue Normalität brauchen, um überhaupt überlebensfähig zu bleiben."

Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte nach einem Eilantrag eines Ferienhausbesitzers die grundsätzliche Quarantänepflicht außer Vollzug gesetzt. Aus dem Ausland Einreisende könnten nicht pauschal als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtige eingestuft werden, urteilte der Senat.

"Der Hintergrund ist in jeder Hinsicht unsicher", sagte Verwaltungswissenschaftler Oebbecke. Das gelte sowohl für das Wissen über die Ansteckungswege als auch für die Frage, ob die Infektionslage in anderen Ländern aufgrund unterschiedlicher Test-Praxis überhaupt vergleichbar sei. Noch feinere Differenzierungen für mehr Rechtssicherheit der Länder-Verordnungen würden allerdings sowohl die Akzeptanz der Bürger als auch die staatliche Kontrolle erschweren, stellte der Rechtsprofessor fest./beg/DP/he