Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Zentralbanken haben ihre Aktivitäten in den vergangenen Jahren deutlich über die Geldpolitik im engeren Sinne hinaus ausgeweitet. Zwei renommierte Wissenschaftler schlagen fünf Kategorien für diese Aktivitäten vor und fordern die Gesetzgeber dazu auf, Regeln für die Regimes festzulegen.

"Ihre rechtlichen Befugnisse mögen klar sein, aber ausgenommen die Geldpolitik, wie sie traditionell verstanden wird, sehen wir keine Regelungen, die Zwecke, Ziele und Beschränkungen klar darlegen", schreiben Stephen Cecchetti (Brandeis International Business School) und Paul Tucker (Chef des britischen Systemic Risk Council) in einem Aufsatz. Dies führe dazu, dass die Öffentlichkeit nicht überprüfen könne, was ihre Zentralbanken tun.

Folgende Kategorien schlagen Cecchetti und Tucker vor:

1) Geldpolitik: Stimulierung oder Dämpfung der Gesamtnachfrage, um Preisstabilität bei voller Nutzung der produktiven Ressourcen der Wirtschaft zu erreichen

Zentralbanken nutzen ihre Bilanzen, um die Menge oder den Preis ihres Geldes festzulegen, um ihre Preisstabilitätsziele zu erreichen. In den vergangenen Jahren, als die Leitzinsen an der effektiven Untergrenze lagen, verlagerte sich ihr Hauptinstrument von den Preisen (kurzfristiger Zins) zu den Mengen.

Durch den Ankauf von Wertpapieren versuchen die Zentralbanken, die langfristigen Zinssätze zu senken und verschiedene Risikoprämien zu senken, wodurch die finanziellen Bedingungen gelockert wurden, um die gesamtwirtschaftliche Aktivität und die Inflation zu erhöhen. Wie gut diese quantitative Lockerung (QE) funktioniert, ist umstritten. Sie entspricht aber dem traditionellen Verständnis von Geldpolitik.

2) Lender of last resort: Kreditvergabe an grundsätzlich solvente Unternehmen oder andere kollektive Vehikel, die einen Liquiditätsbedarf haben, der nicht über private Märkte gedeckt werden kann

Da die Zentralbank unbegrenzt Geld ausgeben kann, ist sie die einzige Institution, die diese Rolle kurzfristig übernehmen kann. Als die Banken der dominierende Akteur im Geld- und Finanzsystem waren, wurden nur an sie verliehen. Heute gibt es eine Reihe von Intermediären, darunter Broker-Dealer, Geldmarktfonds und andere, die bankähnliche Aktivitäten ausüben und Verbindlichkeiten anbieten, die durch weniger liquide Aktiva unterlegt sind, und die keinen direkten Zugang zur Zentralbank haben. Jüngste Erfahrungen legen nahe, dass sie trotzdem Hilfe erhalten, wenn sie unter Druck geraten.

Die Ökonomen schlagen vor: "Wenn Nicht-Banken Zugang haben sollen, dann sollte es eine offene ständige Fazilität geben, allerdings mit regulatorischen Einschränkungen. Wenn nicht, muss es strukturelle Reformen geben, um sicherzustellen, dass die Nicht-Banken niemals einen Kredit bei der Zentralbank aufnehmen müssen und dass die Investoren ihre Verbindlichkeiten nicht als sicher behandeln."

3) Market Maker of last resort: Bewältigung von Liquiditätsproblemen in bestimmten Märkten

Die Operationen letztinstanzlicher Market Maker zielen darauf ab, die Liquidität in einem Markt wiederherzustellen, der direkt oder indirekt als kritisch für die Realwirtschaft angesehen wird. Bei Zinssätzen von Null können so motivierte Staatsanleihekäufe wie QE aussehen, ohne es zu sein. Solche Aktionen könnten bei jeder Höhe des Leitzinses stattfinden. Wie der letztinstanzliche Kreditgeber muss ein richtig konstruierter Market Maker eine große Kapazität haben, muss aber möglicherweise nur wenig tun.

"Wenn der Market Maker Käufe tätigt, dann sollten diese wieder rückgängig gemacht werden, sobald der Zielmarkt wieder funktioniert", fordern Cecchetti und Tucker. Geschehe dies nicht, müssten die Bestände einem anderen Zweck dienen, der seine eigene Rechtfertigung erfordere. Beispiele für Market-Maker-of-Last-Resort-Operationen sind leicht zu finden. Der Klassiker ist Mario Draghis "whatever it takes", bei dem die EZB einen Backstop für Staatsanleihen der Eurozone bereitstellte, aber am Ende nichts kaufte.

4) Selektive Kreditunterstützung: Steuerung des Kreditflusses in bestimmte Sektoren, Regionen oder Firmen

Politische Entscheidungsträger könnten dies aus einer Vielzahl von Gründen tun, von denen viele ein politisches Motiv haben und somit politischen Druck erzeugen können. "Dass Politiker versuchen könnten, die Zentralbank für gezielte Programme zu benutzen, unterstreicht die Notwendigkeit eines klaren Rahmens. Unabhängige Zentralbanken müssen erklären, was sie tun und warum", so die Wissenschaftler. Ein gutes Beispiel für Kreditunterstützung sind die gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs) der EZB.

5) Staatliche Notfinanzierung: Bereitstellung benötigter Mittel direkt an den Staat

Schließlich können die Zentralbanken ihre Bilanzen nutzen, um Regierungen Notfinanzierungen zu gewähren. In gewisser Weise führt das zurück zu einem der Ursprünge des Zentralbankwesens - der Kriegsfinanzierung. In der heutigen Zeit gibt es, um Missbrauch zu verhindern, gesetzliche Beschränkungen für die direkte Staatsfinanzierung durch Zentralbanken. Da dies aber nicht unter allen Umständen ausgeschlossen werden kann, sollte es einen Rahmen geben, der festlegt, wie und wann dies geschehen darf - einschließlich des Rückwegs in die Unabhängigkeit. "Wenn dies der Fall wäre, müssten Zentralbanken Regierungen vielleicht nicht mehr via QE helfen", meinen die Ökonomen.

Bei der Gestaltung spezifischer Regelungen für jede Art von Bilanzoperationen können nach ihrer Einschätzung die bestehenden Strukturen zur Unterstützung der herkömmlichen Geldpolitik als Leitfaden dienen. "Wann immer die Zentralbank handelt, sollte das entsprechende Entscheidungsgremium innerhalb der Zentralbank klar sagen, was es tut und warum, wobei der Gouverneur und seine entsprechenden Kollegen rechenschaftspflichtig sind."

Link: https://voxeu.org/article/understanding-how-central-banks-use-their-balance-sheets

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/apo

(END) Dow Jones Newswires

July 13, 2021 08:24 ET (12:24 GMT)