FRANKFURT (awp international) - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag ihre Zinsen nicht angetastet. Sie bestätigte ausserdem ihre im Juni getroffenen Entscheidungen zum Anleihekaufprogramm. Das sagen Experten zu den Beschlüssen:

Uwe Burkert, Chefvolkswirt und Leiter LBBW Research:

"Man hätte dem EZB-Rat heute auch hitzefrei geben können. In allen wesentlichen Punkten war das Introductory Statement mit dem vorherigen praktisch identisch. Wir gehen weiterhin davon aus, dass die EZB die Assetkäufe zum Jahresende einstellt und frühestens im zweiten Halbjahr 2019 die erste Zinsanhebung - zunächst nur für die Einlagefazilität - folgen wird."

Ralf Umlauf, Landesbank Hessen-Thüringen:

"Die EZB-Entscheidung entspricht den Erwartungen, denn bereits im Juni wurden Anpassungen des Kaufprogramms und der Forward Guidance vorgenommen, sodass sich diesmal kein Handlungsdruck ergeben hatte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der weiterhin moderaten monetären Dynamik und der wieder unter die 1-Prozent-Marke gesunkenen Kerninflationsrate und ungeachtet der Tatsache, dass die Gesamtinflation auf 2,0 Prozent gestiegen ist."

Johannes Müller, Head Macro Research DWS:

"Auffallend war allenfalls die Betonung der sogenannten Forward Guidance, also der Zusage, die Leitzinsen mindestens bis zum Sommer 2019 auf unverändertem Niveau zu belassen. Die gute Nachricht ist, dass die EZB trotz der Unsicherheiten durch Protektionismus die Wirtschaft in der Eurozone in einer guten Verfassung sieht und ihre Projektionen bestätigt hat. Marktgerüchte, wonach eine Ankündigung über die Vorgangsweise bei der Re-Investition von fällig werdenden Anleihen erfolgen könnte, wurden wie von uns erwartet nicht erfüllt. Fazit: Der Ausstieg aus dem Kaufprogramm ist vorgezeichnet, der Beginn einer Normalisierung der Zinspolitik wird nicht vor dem Sommer 2019 erfolgen."

Christian Lips, Analyst bei der NordLB:

"Im EZB-Rat dürften zudem die neuesten Entwicklungen im Handelskonflikt zwischen den USA und der EU intensiv diskutiert worden sein. Mit der gestrigen Vereinbarung ist möglicherweise ein Durchbruch für eine kooperative Lösung der Handelsstreitigkeiten gelungen. Der Weg zu einem Abkommen ist aber noch weit, so dass bislang nur ein vorläufiger Waffenstillstand vereinbart wurde. Die gute Nachricht ist, dass die vorläufige Entspannung des Handelskonflikts der EZB den Rücken frei hält, damit diese ihren schrittweisen und längerfristig angelegten Exitfahrplan vorerst fortsetzen kann."

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP-Bank:

"Mario Draghi sieht keinen Grund von seinem Kurs abzuweichen. Daran ändern auch die jüngst nachgebenden Konjunkturfrühindikatoren nichts. Draghi hob hervor, dass die Wachstumsraten im zweiten Halbjahr 2017 sehr hoch waren. Niedrigere Wachstumsraten seien vor diesem Hintergrund kein Grund zur Besorgnis."

Timothy Graf, Leiter Makrostrategie EMEA bei State Street Global Markets:

"Nachdem die EZB auf ihrer letzten Sitzung wichtige und weit reichende Orientierung gegeben hatte, gab es für sie keinen Grund, die lustlosen Märkte im Sommer zu ärgern. Obwohl sich abzeichnet, dass die enttäuschenden Q1-Daten vorübergehend waren und das Wachstum auf einer soliden Basis steht, sind die Inflationsraten von ihrem Zwei-Prozent-Ziel noch weit entfernt und die Aussichten für die Eurozone durch die Aussicht auf steigende Handelsschranken noch etwas getrübt. In diesem Zusammenhang erscheint die Zurückhaltung bei der Normalisierung der Geldpolitik mehr als gerechtfertigt."/jsl/jkr/he